Irgendwie schaffe ich es zur Zeit ständig, vierte Bände von Reihen in die Hände zu bekommen. „Prime Time“ von Liza Marklund war eine Spontanausleihe in der Bibliothek – es tut meinem Ausleihverhalten gar nicht gut, dass ich vom Vormerkregal aus immer an den Krimibeständen vorbeigehen muss, um zur Selbstverbuchung zu kommen -, weil ich das unbestimmte Gefühl hatte, ich könnte doch mal eine für mich neue Krimiautorin ausprobieren. Obwohl „Prime Time“ der vierte Roman rund um die Journalistin Annika Bengtzon ist, hat sich die Geschichte auch gut ohne Vorwissen aus den vorhergehenden Bänden lesen lassen. Allerdings hege ich die Befürchtung, dass ich nach dem Lesen dieses Romans die ersten drei Teile nicht so genießen könnte, weil ich schon zu viel über die privaten Entwicklungen der Protagonistin weiß, die darin beschrieben wurden.
Die Handlung beginnt am Mittsommertag in Stockholm, wo sich Annika gerade darauf vorbereitet, mit ihrem Lebensgefährten Thomas und den beiden gemeinsamen Kindern (und einem Haufen Gepäck) die Wohnung zu verlassen, um die nächsten Tage bei ihren Schwiegereltern auf einer Insel zu verbringen. Doch mitten in der Aufbruchsstimmung erreicht sie ein Anruf von ihrer Redaktion, in dem sie darüber informiert wird, dass eine bekannte Moderatorin in einem Schloss auf einer Insel vor Stockholm getötet wurde – und dass sie die Berichterstattung darüber übernehmen muss. Denn Annika kennt sich nicht nur gut in der Region aus, weil sie da aufgewachsen ist, sondern sie hat auch Verbindungen zur Umgebung der Ermordeten, da ihre beste Freundin Anne (die zu den Leuten gehört, die die Tote gefunden haben) mit der verstorbenen Michelle Carlsson zusammengearbeitet hat.
Während die Grundvoraussetzung mit dem Schloss auf der Insel, in dem eine kleine Gruppe von Menschen während der Tatnacht anwesend war, die alle ein Motiv für einen Mord gehabt hätten, an einen klassischen Whodunnit erinnert, lässt Liza Marklund den Leser durch die Augen der Journalistin Annika die Geschichte erleben, was für einen gewissen Abstand zu den verschiedenen Verdächtigen und eine „modernere“ Erzählweise sorgt. Zwar wechselt die Autorin immer wieder die Perspektive, so dass man eigentlich von fast allen Beteiligten einen Eindruck bekommt, aber nie erfährt man so viel, dass man eine Person wirklich einschätzen kann. So versucht Annika, so viel wie möglich über die Verstorbene und die zwölf Verdächtigen herauszufinden, und macht sich gleichzeitig Sorgen um ihre Freundin Anne, die ein starkes Motiv für den Mord gehabt hätte. Aber nicht nur die Frage, ob Anne schuldig ist, beschäftigt die Journalistin, sondern auch ihre Beziehung zu Thomas und welchen Stellenwert das gemeinsame Leben und die Kinder für ihn haben.
Ich glaube, dieser private Teil der Geschichte hätte mich bei einer anderen Autorin mehr gestört – was auch daran liegen kann, dass ich Thomas so unsympathisch fand -, aber es gelingt Liza Marklund, eine Verbindung zwischen Annikas Privatleben und ihrer Arbeit herzustellen, die ich stimmig fand. Je mehr Gedanken sich die Journalistin über die einzelnen Personen macht, je mehr sie darüber nachdenkt, wie das Verhältnis zwischen den Verdächtigen und der Ermordeten war, desto mehr erfährt sie auch über sich und ihr Verhalten gegenüber anderen Menschen und ihrer Arbeit. Bei dem Fall selbst war es mir ehrlich gesagt relativ egal, wer denn nun der Mörder ist, während ich es spannend fand, mehr über die verschiedenen Beteiligten herauszufinden. Obwohl – oder vielleicht gerade weil? – viele Figuren sehr klischeehaft dargestellt wurden, wollte ich mehr über sie herausfinden, wollte wissen, ob nicht noch mehr hinter ihrer Fassade steckt oder ob sie sich wirklich so schnell in eine „Schublade“ stecken lassen, wie es auf den ersten Blick wirkte. Außerdem mochte ich es, dass ich das Gefühl hatte, dass die Arbeit als Journalistin realistisch dargestellt wurde – was vielleicht aber auch daran liegt, dass der Klappentext den Leser darüber informiert, dass Liza Marklund selbst lange Zeit als Journalistin gearbeitet hat.
Am Ende des Romans ist bei mir allerdings nicht viel von der Handlung und den Figuren hängen geblieben. Ich habe nette Stunden mit dem Buch verbracht, ich habe mich beim Lesen wenig geärgert (und das heißt bei modernen Krimis schon etwas) und auch wenn mir kein Charakter so richtig sympathisch fand, konnte ich gut mit ihnen leben. Liza Marklund ist nun keine Autorin, die ich mir unbedingt merken muss, aber wenn mir in der Bibliothek noch ein anderes Buch von ihr in die Finger kommt, würde ich es vermutlich ausleihen. „Nett“ ist schließlich nicht immer das Schlechteste für eine Geschichte, die mich einfach nur etwas unterhalten soll.
Ich mag es nicht, wenn ich entdecke, dass es nicht der erste Band einer Reihe ist, den ich in den Hände halte ;)) Da bin ich auch konsequent und verzichte.. grins breit! Ganz liebe Grüße und Danke für die Rezenision, Nicole
Eigentlich bin ich da ganz bei dir, Nicole, aber dummerweise kann man es sich ja gerade in der Bibliothek nicht so ganz aussuchen, welchen Band man in die Finger bekommt. Und zum Antesten eines Autors finde ich es dann auch nicht so schlimm, wenn ich einen späteren Roman in die Finger bekomme. Wenn man dann noch Lust hat weiter zu lesen, kann man bei einem schlechteren ersten Teil immerhin sagen, dass sich der Autor noch steigert. *g*
Krimis kann man ja zum Glück auch ganz gut außerhalb der Reihe lesen, auch wenn das Rundherum um den Mordfall oft besser funktioniert, wenn man alle Hintergründe kennt.
Ermittler (bzw. in diesem Fall halt Journalisten) und ihr Privatleben – das ist ja oft so eine Sache. Manchmal finde ich das spannender als den Fall selbst; manchmal geht es mir aber auch eher auf den Keks.
Schade, dass das Buch dann doch nur "nett" war.
@Neyasha: Wobei ich es normalerweise gern mag, wenn ich die Entwicklung eines Teams von Anfang bis Ende verfolgen kann und mich nicht zwischendrin umstellen muss, weil es an Ecken knirscht, die später nicht mehr vorhanden sind. Aber den Fall an sich kann man in der Regel ja wirklich so lesen. 🙂
Mir sind normalerweise Krimis mit weniger Privatleben lieber, aber bei ein paar Autoren kann ich selbst die Wendungen oder Charakterzüge bei Figuren verzeihen, die mich sonst die Palme hochtreiben würden, und bei ein paar wenigen Autoren mag ich die Protagonisten so gern, dass mir deren Leben sogar genauso wichtig ist wie der Krimianteil. Bei Deborah Crombie ist das z.B. so. 🙂