Loretta Chase: Lord of Scoundrels (The Scoundrels Series 3)

Vor ein paar Wochen habe ich einen Artikel gelesen, der sich damit beschäftigt hat, wie man einen „Bad Boy“ als glaubwürdigen Protagonisten eines Liebesromans darstellt. Da ich den Artikel über einen Link bei Twitter gefunden habe, finde ich nicht mehr heraus, wo es den gab oder wer den geschrieben hat. Auf jeden Fall waren in diesem Artikel auch sehr viele Bücher erwähnt worden, die als gute Beispiele herhalten mussten. Eines dieser Bücher war „Lord of Scoundrels“ von Loretta Chase und die Beschreibung hatte mich neugierig genug gemacht, um mir den Roman auszuleihen und zu lesen. (Nachtrag 10.04.2016: HIER ist der von mir erwähnte Artikel zu finden.) 

Die Autorin beginnt mit der Geschichte von Lord Dains Eltern, um zu verdeutlichen, welche Ereignisse dazu geführt haben, dass sich der Protagonist zu einem egozentrischen, rücksichtslosen, rumhurenden Mistkerl entwickelt hat. So kann man ihn als erwachsenen Menschen zwar nicht sympathisch finden, versteht aber wieso aus dem vernachlässigten und misshandelten kleinen Jungen so ein Mann geworden ist. Die Protagonistin, Jessica Trent, hingegen wurde davon beeinflusst, dass sie in einer Familie aufgewachsen ist, in der vor allem Jungen zur Welt gebracht wurden, so dass sie sich nicht nur ihr Leben lang gegen gleichaltrige oder ältere Brüder und Cousins durchsetzen musste, sondern auch als Tante (und unbezahltes Kindermädchen) viel Erfahrungen mit der Erziehung kleiner Jungen sammeln konnte. Auf der anderen Seite wurde sie nach dem Tod ihrer Eltern von ihrer Großmutter aufgezogen, die schon mehrere Ehemänner (und Geliebte) überlebt hat und ihr diesbezügliches Wissen großzügig mit ihrer Enkelin geteilt hat.

Jessicas größter Wunsch ist es eines Tages unabhängig von ihrer Familie zu sein und so arbeitet sie seit Jahren darauf hin, einen Antiquitätenladen für die gehobene Gesellschaft zu eröffnen. Ihr ist bewusst, dass sie so ein Geschäft nur führen kann, wenn sie über einen einwandfreien Ruf verfügt und keinen Ehemann hat, der ihr diesen Plan verbieten könnte. Da sie bislang jeden Heiratsantrag (und davon gab es nicht wenige, da sie sehr hübsch ist und aus guter Familie kommt) abgelehnt hat, sieht sie sich mit 27 Jahren kurz vor der Verwirklichung ihres Traums. Doch dann wird sie nach Paris gerufen, um ihren Bruder Bertie aus dem Einfluss von Lord Dain zu befreien. Bei Versucht mit dem skrupellosen Wüstling mitzuhalten, hat Bertie in den letzten Monaten nicht nur seine Gesundheit ruiniert, sondern auch einen viel zu großen Teil seines Vermögens verschleudert.

Die folgende Geschichte ist eigentlich recht vorhersehbar. Obwohl sich die beiden Protagonisten schnell zueinander hingezogen fühlen, machen sie sich gegenseitig erst einmal das Leben schwer. Während Dain sich auf der einen Seite nichts von einer Frau sagen lassen mag und sich andererseits von Jessica in eine Falle gelockt fühlt, könnte Jessica ganz gut damit leben, dass sie den Wüstling begehrt, wenn er nicht ihren Bruder in den Ruin treiben würde. Auch wenn sich diese Inhaltsbeschreibung kaum von denen anderer Historicals unterscheidet, mochte ich es doch wie Loretta Chase die beiden Protagonisten beschrieben hat. Beide sind selbstbewusst, intelligent und dickköpfig, was zu wunderbaren Dialogen führt. Auch gefiel es mir sehr, dass es zwar immer wieder zu Missverständnisse kommt (weil Dain grundsätzlich das Schlimmste annimmt, während sie anfangs keine Ahnung davon hat, wie gestört er ist), dass auf diesen Missverständnissen aber nicht endlos rumgeritten wird. Entweder kommen die beiden – wie vernünftige erwachsene Menschen – von selber zu dem Schluss, dass sie sich geirrt und etwas falsch verstanden haben, oder sie reden darüber was passiert ist und klären so die Sache. Das ist eine so angenehme Art und Weise mit diesem Handlungselement umzugehen, dass ich es immer wieder bedauerlich finde, dass andere Historical-Autorinnen nicht auf die Idee kommen.

So entsteht nach und nach aus der anfangs vorhandenen Lust zwischen den beiden Protagonisten eine wirklich süße Liebesgeschichte, bei der sich die beiden Beteiligten immer besser kennenlernen und weiterentwickeln. Naja, vor allem er entwickelt sich weiter, den sie ist von Anfang an so perfekt, dass da nicht mehr viel Entwicklung nötig ist. Was langweilig wäre, wenn sie dadurch nicht so einen hübschen Gegenpart zu ihm bieten würde, und wenn es da nicht die Momente gäbe, in denen sie auf ihn schießt oder mit Porzellan durch die Gegend wirft. Außerdem war der Roman ja als Beispiel für einen gelungenen „Bad Boy“-Protagonisten genannt worden und nicht als Beispiel für eine überzeugende Protagonistin. 😉 Alles in allem hat mir das Lesen wirklich Spaß gemacht – und nun bin ich neugierig, ob die anderen Bücher der Autorin auch so unterhaltsam sind.

10 Kommentare

  1. Hach, es ist ewig her, dass ich "Lord of Scoundrels" gelesen habe, fand den Roman damals aber ziemlich gut. Danach hatte ich noch "The Last Hellion" und "Miss Wondeful" gelesen, mochte die Romane auch ganz gerne, wobei ich mich nur bei "Lord of Scoundrels" daran erinnern kann, es gut gefunden zu haben XD Wnd bin dann bei "Mr. Impossible" stecken geblieben. Ich hab's min. 3x versucht, aber diese Ägypten-Abenteuer-Story mit wissenschaftlicher Heldin… mäh… war ziemlich langweilig 😀 Ich muss "Lord of Scoundrels" irgendwann noch einmal lesen… wie so viele andere Historicals, die ich zu meiner "englisch lesen" Anfangszeit gelesen habe, damals habe ich schließlich immer nur die Hälfte verstanden ^^

  2. Hm, anscheinend muss ich gut auswählen, wenn ich weitere Romane der Autorin ausprobieren will. 😀

    Ich bin gespannt, wie dir der Roman gefällt, wenn du ihn nach so langer Zeit noch einmal liest! 🙂

  3. Oh, das ist schön. Endlich Erwachsene die miteinander reden und Missverständnisse klären und nicht alles in sich hineinfressen um noch mehr Missverständnisse zu erzeugen.
    Das sind dann die Bücher, die ich schneller als andere abbreche. Wenn mich nicht ein anderer Aspekt der Geschichte fasziniert.
    Liebe Grüsse

  4. @Nalieku: Ich finde es nur so seltsam, dass nicht mehr Autoren ihre Protagonisten miteinander reden lassen. Es gibt doch noch genügend andere Möglichkeiten, um "Dramen" zu erzeugen.

  5. BücherFähe

    Das Buch klingt wirklich gar nicht schlecht! Ich muss mir den Titel mal aufschreiben. 🙂

    Tja, irgendwie auch traurig, dass „miteinander reden" in Büchern kaum vorkommt – obwohl das ja das Naheliegendste ist.
    Jedenfalls scheint das Buch damit kein Buch zu sein, das meine Nerven strapazieren könnte. 😀

  6. Klingt nach einem tollen Buch, dass ich vielleicht auch mal lesen werde, wenn ich überhaupt wieder halbwegs regelmäßig lese XD

  7. @BücherFähe: Ui, da wäre ich sehr gespannt, wie dir das Buch gefällt. Bei Historicals traue ich mich nicht einzuschätzen, ob ein Titel etwas für dich wäre oder nicht.

    Es ist so naheliegend, dass damit all die künstlich aufgebauten Probleme, die häufig in solchen Büchern vorkommen, zu schnell gelöst wären. Aber es liest sich einfach so viel angenehmer als all diese Missverständnisse, die sich dann auch gern durchs gesamte Buch ziehen.

    @Elena: Ich nehme mir gerade die Zeit zum Lesen. Das lag aber auch nah, weil ich mit dieser verflixten Erkältung fast 1,5 Wochen eh kaum etwas anderes machen konnte. 😉 Ich drücke die Daumen, dass es bei dir wieder besser wird!

  8. Ich bin auch immer ganz positiv überrascht, wenn es die Figuren schaffen, miteinander über Probleme und Missverständnisse zu reden … Das hat mir z.B. auch in Kai Meyers "Arkadien"-Trilogie gut gefallen, während ich mir da bei vielen anderen Büchern nur noch verzweifelt die Haare raufen könnte.

    Schade, dass du den Link zum Artikel nicht mehr hast – der würde mich auch interessieren. Vielleicht begebe ich mich auch nochmal auf die Suche. 😉

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