Irgendwie habe ich gerade wohl kein gutes Händchen bei der Wahl meiner Kriminalromane. Während ich „Eisesgrab“ durchschnittlich, aber unterhaltsam fand, hatte ich bei „Mein bist du“ von Luke Delaney nach der Hälfte der Geschichte einen richtigen Hänger und habe nach dem Beenden des Buches das Gefühl, dass es Zeitverschwendung gewesen sei. Der Roman beginnt mit dem Mord an einem jungen Mann, der sein Geld damit verdient, dass er seinen Körper (teuer) an wohlhabende Kunden verkauft. Obwohl die Tat (ebenso wie die folgenden) recht detailliert geschildert wird, fand ich diese Passagen nicht so schlimm, da sie in gewisser Weise recht sachlich aus der Sicht des Mörders beschrieben wurden.
Die Handlung wird vor allem aus der Sicht von zwei Personen erzählt, zum einen Detective Inspektor Sean Corrigan, zum anderen aus der Sicht des Mörders. Während der Täter vor allem als ein skrupelloser und überaus intelligenter Mann beschrieben wird, der tötet, weil er es kann (und weil er die Macht, die ihm dadurch über seine Opfer verliehen wird, genießt), gibt es doch immer wieder Passagen, bei denen diese Darstellung nicht überzeugend durchgehalten wurde und in denen es eher klingt, als wäre diese Person wahnsinnig, obwohl der Autor sonst stets betont, dass genau dies nicht der Fall ist.
Überhaupt hat mir die Darstellung der Charaktere nicht so recht gefallen. Da gibt es einen Verdächtigen, der ein skrupelloser Finanzmensch ist und der sich Frau und Kinder hält, um einem Image gerecht zu werden, den Polizisten, der (in diesem Fall aufgrund von Missbrauch während seiner Kindheit) in der Lage ist, sich perfekt in den Täter hinein zu versetzen, dazu noch die mal mehr, mal weniger skrupellosen Kollegen, die im Zweifelsfall auch einen Tatort manipulieren, um jemanden zu überführen, und die liebende Ehefrau, die zwischen Fürsorge und Zickigkeit schwankt. Das ist alles etwas zu viel, zu klischeehaft, um zu unterhalten. Dazu kommt noch, dass ich es schrecklich finde, wenn der Täter so früh vom Leser identifiziert werde kann (und das ist hier wirklich offensichtlich) und man dann nur noch die restliche Hälfte des Buches darauf wartet, dass die Polizei auch endlich darauf kommt. Dabei hätte das Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Ermittlern und einem der Verdächtigen durchaus seinen Reiz haben können – aber leider hat Luke Delaney diesen Part nicht so gestaltet, dass es wirklich spannend wurde.
Apropo Luke Delaney: Laut Autoreninformation ist das das Pseudonym eines ehemaligen Polizisten – und ich finde es grundsätzlich eigentlich reizvoll, wenn Leute, die in einem Beruf gearbeitet haben, auch ihre fiktiven Geschichten in diesem Bereich spielen lassen. Was ich aber nicht so prickelnd fand, waren all die Bemerkungen, die darauf hinwiesen, dass die Realität eines Polizisten nichts mit dem gemein hat, was man so im Fernsehen sieht. Ganz ehrlich, solange ich im Fernsehen nicht eine gut gemachte (was ja inzwischen leider eine Ausnahme ist) Dokumentation sehe, erwarte ich nicht, dass das dort dargestellte realistisch ist – das ist nämlich der Punkt an Fiktion!
Ich weiß nicht, wie das Buch zu all den guten Rezensionen gekommen ist, mich hat es nicht überzeugt und ich werde auch gewiss keinen weiteren Roman des Autors lesen – obwohl ich zugeben muss, dass seine Schreibweise zumindest dafür sorgt, dass man beim Lesen schnell voran kommt. 😉
Oh je, schade um die Lesezeit. 🙁 Aber zumindest weißt du jetzt, dass du den Autor getrost links liegenlassen kannst.
Das ist schade, denn der Plot klingt wirklich gut …
@Ariana: Ja, das war definitiv ein Fall von "ausprobiert und abgehakt". 😉
@Irina: Es gibt ja auch überraschend viele Personen, die das Buch spannend fanden – ich weiß nur nicht warum. 😉
Ich glaube es ist inzwischen auch schwierig bei Kriminalromanen , noch eine überraschende Handlung zu finden oder intressante Figuren , weil es einfach so viele gibt.Mir sind mal die depressiven Kommissare oder die ganzen Polizisten , die alle ein total verpfuschtes Leben haben , so auf die Nerven gegangen , daß ich länger keinen mehr gelesen habe.Jetzt allmählich habe ich tatsächlcih mal wieder Lust, aber nach deiner Rezension reizt mich das Buch nicht.
@glencolumbscille: Das ging mir ähnlich – wobei ich zumindest die Cozies immer noch lesen mochte, weil es da ja weniger depressiv zugeht und gewisse Klischees eher amüsant als nervig sind. Lust auf Krimis habe ich gerade total, aber die Suche nach neuen Autoren finde ich teilweise wirklich anstrengend. Immerhin habe ich gerade mit Quentin Bates jemanden gefunden, der mir Spaß macht. 🙂
Schade, dass du schon wieder nicht auf deine Kosten gekommen bist! Ich finde auch immer nur sehr schwer neue Krimiautoren, die mir wirklich gefallen. Gerade eben hatte ich wieder große Freude mit einem Poirot-Krimi und aus der Unibibliothek hab ich mir einen Lord-Peter-Wimsey-Krimi geholt – offensichtlich zieht es mich dann doch immer wieder zu den Klassikern.
@Neyasha: Zu den Klassikern kehre ich auch immer wieder zurück und finde die dann so erholsam und angenehm! Wobei ich aktuell mit Quentin Bates zufrieden bin. Sehr ruhige, unaufgeregte Kriminalgeschichte, die (rund um die Finanzkrise) auf Island spielt und mit einer – wie ich finde – guten Atmosphäre punkten kann. Schade, dass nur zwei Bücher von dem Autor übersetzt wurden.
Vielleicht haben die anderen Leser, die den Roman interessant und spannend fanden, noch nicht viele Krimis gelesen. Oder rätseln am Fall regelmäßig nicht mit, sondern lassen sich führen (so "lese" ich Krimis hauptsächlich).
Was die Bemerkungen zum Unterschied Polizeiarbeit TV/Realität angeht: Vermutlich würde es bei ein oder zwei Anmerkungen gar nicht stören, weil es etwas ist, was ein grummelnder Ermittler gegenüber einem Verdächtigen o.ä. durchaus fallen lassen könnte. Wiederholende Belehrungen des Lesers im Roman fände ich aber doch überflüssig. Dafür – nicht als Belehrung, aber zur Info 🙂 – kann man ein Nachwort nutzen oder der Autor sollte ein Sachbuch schreiben. Wobei ich mich gerade frage, ob der Autor denn seinen Ermittler incl. "Team" dahinter nur reale Polizeiarbeit in seinem Roman machen lässt.
@Natira: Da magst du recht haben, trotzdem hätte ich erwartet, dass zumindest der eine oder andere Kritikpunkt ins Auge gefallen wäre. 😉
Die Vergleiche Fernsehen/Realität führten in der Regel zu verächtlichen Gedanken von Seiten des Polizisten z.B. wenn er an den Tatort kam, der von einem Polizisten bewacht wurde und sich daran erinnerte, dass in Fernsehsendungen da jetzt ein ganzes Aufgebot den Tatort absperren würde. Oder in Bezug auf die veraltete Technik im Büro oder die Dauer der Zeit, die es braucht um medizinische oder forensische Ergebnisse zu bekommen. Das alles sind Sachen, die man nicht hätte extra betonen müssen, sondern bei denen es gereicht hätte sie zu beschreiben oder sie geschehen zu lassen. Ansonsten hoffe ich sehr, dass sich der Autor selber die eine oder andere Freiheit genommen hat, denn die Vorstellung, das z.B. Beweise manipuliert werden, behagt meinem Rechtsempfinden nicht. 😉
Ja, das hätte gereicht.