Nachdem ich gerade ein Mary-Roberts-Rinehart-Hörbuch („The Album“) höre, habe ich in den letzten Tagen ein paar Sachen für die dazugehörige Rezension recherchiert und dabei festgestellt, dass es so einige Titel von der Autorin bei Gutenberg.org zu finden gibt. Die Gelegenheit habe ich dann gleich genutzt, um mir „The Circular Staircase“ zu besorgen. Um mit diesem vertrauten Titel auszuprobieren wie gut ich mit der Sprache und der Erzählweise zurechtkomme, wenn ich die Geschichten im Original lese. Sowohl „The Album“ als auch „The Circular Staircase“ kenne ich übrigens schon auf Deutsch, so dass ich im Zweifelsfall durch mein Vorwissen eventuelle Verständnislücken hätte überbrücken können – was aber zum Glück nicht nötig war. Dafür habe ich den Roman wieder sehr genossen und fand es dieses Mal auch sehr faszinierend, wie unterschiedlich die beiden Geschichten von der Autorin angelegt wurden, obwohl die chronologische Erzählweise und die Perspektiven der Hauptfiguren sehr ähnlich sind.
Erzählt wird die Handlung in „The Circular Staircase“ von Miss Rachel Innes. Wie alt die Dame ist, wird nicht ausdrücklich gesagt, aber sie merkt an, dass ihr Dienstmädchen Liddy behauptet um die 40 Jahre alt zu sein – und dass das lachhaft wäre, denn das Mädchen müsste mindestens so alt wie sie selber sein. Vor einigen Jahren starb Rachels Bruder und hinterließ ihr zwei Kinder (Gertrude und Halsey), die sie liebevoll aufzog. Inzwischen sind die beiden alt genug, um das Erbe ihrer Mutter anzutreten und ihr eigenes Leben zu führen. Trotzdem verbringen die beiden gemeinsam mit Rachel einige Zeit in dem (von der Familie Armstrong) gemieteten Sommerhaus auf dem Land, während Rachels Stadthaus renoviert wird.
Doch schon in den ersten Nächten im Sommerhaus gibt es einige ungewöhnliche Vorkommnisse und als dann noch der junge Mister Arnold Armstrong erschossen wird, während zur selben Zeit Halsey und sein Freund Jack Bailey verschwinden, steht endgültig fest, dass Rachels Zöglinge in mysteriöse Ereignisse verwickelt sind. Ich muss gestehen, dass der Fall deutlich schneller gelöst hätte werden können, wenn Halsey und Gertrude und ihre Freunde nicht alle Geheimnisse gehabt hätten, die sie weder der Polizie noch Rachel anvertrauen wollten, aber das macht die Geschichte in meinen Augen nicht schlechter.
Rachel erzählt die Handlung Tag für Tag, so wie sie geschehen ist und mit dem Wissensstand, den sie zu dem jeweiligen Zeitpunkt hat – auch wenn sie hin und wieder andeutet, dass etwas anders gelaufen wäre, wenn sie damals schon über einige Dinge Bescheid gewusst hätte. Ich mag ihre Perspektive, ihr praktisches Wesen und die Kabbeleien mit ihrem – deutlich fantastiebegabteren – Dienstmädchen, das gern mal den ganzen Haushalt in Aufruhr bringt, weil es steif und fest behauptet, dass ein Geist für all die Vorkommnisse verantwortlich sein muss. Ich mag auch den Kriminalfall, der trotz des einen oder anderen Toten eigentlich recht gemütlich erzählt wird, und vor allem von einer Atmosphäre des Misstrauens lebt und davon, dass jeder Beteiligte sein eigenes Süppchen kochte, während Rachel im Dunklen tappt, obwohl sie sich regelmäßig mit dem Polizisten Jamieson austauscht.
Laut dem englischen Wikipedia-Eintrag wird Mary Roberts Rinehart wohl häufig mit Agatha Christie verglichen. Aber mal abgesehen davon, dass Mary Roberts Rinehart deutlich früher ihre Bücher veröffentlichte, finde ich, dass die Atmosphäre und die Herangehensweise an eine Geschichte bei den beiden Autorinnen sehr unterschiedlich ist. Mich erinnert sie aufgrund der beschriebenen Gesellschaftsschicht und der Art und Weise, in der die Kriminalfälle konstruiert wurden, eher an die Kelling-Reihe von Charlotte MacLeod. Wobei es wohl eher so ist, dass Charlotte MacLeod an Mary Roberts Rinehart erinnert, denn die Kelling-Serie wurde gut 70 Jahre nach „The Circular Staircase“ verfasst. Wie auch immer, ich mag diesen Stil, ich mag dieses „Neuengland-Gefühl“ und die Figur der (ältlichen) Jungfer [*] und werde – nachdem ich nun weiß, dass das mit dem Englisch klappt – bestimmt noch einige weitere Romane der Autorin lesen.
[*Verflixt! Nachdem ich in letzter Zeit so viel auf Englisch gelesen habe, fällt mir die passende Übersetzung für „spinster“ nicht mehr ein. Ich suche den Begriff für eine unverheiratete Frau, von der die Gesellschaft ausgeht, dass sie aufgrund ihres „Alters“ auch nicht mehr heiraten wird.]
Hm, ich würde "Spinster" auch nur mit "alte Jungfer" übersetzen…
Mir sagt die Autorin übrigens gar nix, aber ich habe mir mal das ebook runtergeladen. Weiß der Himmel, wann ich es lesen werde…
Ich weiß nicht warum, aber ich habe im Kopf, dass es dafür noch einen anderen Ausdruck geben müsste. Wer weiß, wann ich darüber stolpere oder was mir da im Kopf rumspukt.
Hoffentlich hast du recht bald Lust darauf, ich könnte mir vorstellen, dass dir die Autorin auch liegt. 🙂
Hm, neben "alte Jungfer" komme ich nur auf "Mauerblümchen" als Ausdruck für eine unscheinbare/unbeachtete Frau, wobei aber der Altersbezug fehlt. Weiblicher Hagestolz?
@Natira: Aber Mauerblümchen gilt eher bei jungen Frauen, die zu unscheinbar oder schüchtern sind, um einen Tanzpartner zu finden. 😉
Ja, da würde ich das Mauerblümchen auch hinstecken. 😉
Mir fallen noch "graue Maus" und "Blaustrumpf" ein. Allerdings verbinde ich mit beiden eher junge, unscheinbare bzw. gebildete Mädchen…
@Hermia: Das wären auch meine Verbindungen. Ich habe drei Bücher im Kopf, die ich gern durchstöbern würde, um zu schauen, ob da ein bestimmtes Wort für diese Art Frau verwendet wird – dummerweise weiß ich bei zweien den Titel nicht auswendig und komme an alle drei gerade nicht dran, weil sie in meinen Kistenstapeln stecken.