Mit „Charlotte und die Geister von Darkling“ und mir ist das so eine Sache. Erst wollte ich das Buch unbedingt lesen, als ich es Anfang des Jahres bekommen habe, kam aber einfach nicht in die Geschichte rein. Nach wenigen Seiten habe ich aufgegeben und den Roman erst einmal auf dem SuB liegen lassen. Dann hatte ich zu Halloween das Gefühl, es sei endlich Zeit für die Geschichte und habe sie an einem Tag durchgelesen, weil ich in genau der richtigen Stimmung dafür war. Als nächstes wollte ich unbedingt eine Rezension zu dem Buch schreiben – und fand tagelang nicht die richtigen Worte, um der Handlung gerecht zu werden. Eigentlich habe ich immer noch das Gefühl, dass ich nicht weiß, wie ich zu dem Roman was schreiben soll, aber bevor ich den Text weiter vor mir herschiebe, versuche ich es trotzdem mal. 😉
Für mich war „Charlotte und die Geister von Darkling“ von Michael Boccacino ein Roman, auf den ich mich erst einmal einlassen musste. Obwohl es zu Beginn der Geschichte zu einem brutalen Mord kommt, verläuft die Handlung eher ruhig und – auf eine unheimliche Weise – märchenhaft ab. In meinen Augen eine wunderbare Hommage an den viktorianischen Schauerroman, ebenso wie an die Werke von H. P. Lovecraft. Erzählt wird die Handlung von Charlotte Markham, die auf Everton als Gouvernante arbeitet. Ihre beiden Schützlinge James und Peter haben vor einigen Monaten ihre Mutter durch eine schreckliche Krankheit verloren und trauern immer noch, als Nanny Prum eines Nachts auf fürchterliche Weise ermordet wird.
Während Charlotte versucht den Jungen in ihrer Trauer und ihrem Schock beizustehen, macht sie sich Gedanken über den brutalen Tod des Kindermädchens, aber auch Sorgen um ihr Schützlinge und ihre Freunde, da der Mörder nicht gefasst werden kann. Gleichzeitig träumt sie nachts immer wieder von einem Mann in Schwarz und einem ungewöhnlichen Herrenhaus und auch James und Peter werden immer wieder von seltsamen Träumen geplagt, die die drei letztendlich zu dem Haus von Darkling – und zu der verstorbenen Mutter der Kinder – führt. Mr. Whatley, der Besitzer des Hauses von Darkling, ist fasziniert von allem, was mit normalen Menschen zu tun hat, während Charlotte hin- und hergerissen ist zwischen Interesse, Neugier und Abscheu. Je mehr die Gouvernanten über Mr. Whatley erfährt, desto sicherer ist sie sich, dass sie, ihre Schützlinge und ihre Freunde in Gefahr schweben und dass es an ihr liegt, diejenigen zu retten, die ihr am Herzen liegen.
Michael Boccacino hat mit dem Haus von Darkling eine wirklich skurrile Kulisse für die ungewöhnlicheren Aspekte der Handlung geschaffen und obwohl einige Szenen nicht ganz so appetitlich waren, wie ich es mir gewünscht hätte (auf abgeschnittene Körperteile, die Teil des Menüs sind, reagiere ich etwas empfindlich), fand ich die Welt die der Autor da geschaffen hat, faszinierend. Ebenso sehr hat es mir gefallen, dass Michael Boccacino für sehr viele Elemente keine Erklärung geliefert, sondern es der Fantasie des Lesers überlassen hat, sich einen Reim auf das Ganze zu machen. Ich mochte auch diese Mischung auf vertraut wirkenden Dingen und Sachen, die der ganzen Welt eine neue Bedeutung verliehen haben.
Es ist schwierig für mich, konkreter über das Buch zu schreiben, weil die Handlung aus so vielen kleinen und sehr atmosphärischen Szenen besteht, die man einfach beim Lesen selbst entdecken muss. Ich mochte es auch, dass die Geschichte sehr ruhig erzählt wird und es viele Momente gibt, die eigentlich recht heimelig wären, wenn nicht der gesamte Roman von dieser unterschwelligen Bedrohung durch den unheimlichen Mörder, der Nanny Prum auf dem Gewissen hat, durchzogen wäre. So bekommen selbst die harmlosesten Szenen eine unheimlichen Unterton, während man sogar beiläufige Gespräche gespannt verfolgt, in der Hoffnung, mehr Details über die Hintergründe der Ereignisse zu erfahren.
Das Gefühl, dass mir beim Rezensionenschreiben die Worte fehlen, kenne ich auch. Besonders bei guten Büchern fällt es mir besonders schwer. Manchmal lassen sich schöne Geschichten einfach nicht in Worte fassen – da würde ich am liebsten immer nur schreiben: „Das Buch ist toll! Lest es einfach und vertraut mir!" 😀
Ich finde aber, du hast es wunderbar geschafft, Worte für dieses Buch zu finden. 🙂
Die ersten drei Sätze könnten auch von mir sein. *gg*
Nur das ich das mit dem weiterlesen noch durchziehen muss. 😉
@BücherFähe: Danke! Oft reicht schon so ein "Plauderanfang" und es geht dann doch irgendwie mit dem Schreiben. Trotzdem dauert es oft, bis ich mich zum Schreiben überwinden kann!
Oh ja, bei manchen Büchern weiß man gar nicht, wie man seine Freude beim Lesen ausdrücken soll! Mir geht es oft so mit Büchern, die eigentlich nichts besonderes sind, die mich aber emotional total gepackt haben, weil sie so gut geschrieben wurden. Vom Verstand her kann ich sagen, dass es z.B. nur ein netter romantischer Urban-Fantasy-Roman war, von den Gefühlen her würde ich gern sagen: Lest dieses Buch, ich habe gelacht und geweint und es rundum genossen!
Hm, vielleicht sollte ich genau das in meine "Gray Bishop"-Rezi schreiben. *g*
@Hermia: Ist es nicht erschreckend, wie oft man diese Anfangssätze eigentlich zu SuB-Titeln sagen kann? Ich würde wirklich gern mal herausfinden, warum es dann immer so schwierig ist noch einen Versuch zu wagen. 😉
Ach ja, lies das Buch! Und zwar am Besten noch im November, wenn es draußen grau und trüb ist. ;D
Gut, ich bin überzeugt, mich auch daran zu wagen. So eine angenehm-schaurige Lektüre wird für den Dezember perfekt sein… LG mila
@Mila: Dann wünsche ich dir viel Spaß beim Lesen! 🙂 Hast du eigentlich Lovecraft gelesen? Wenn nicht, dann werden dir vermutlich ein paar Anspielungen durchgehen, aber schlimm ist das auch nicht. 🙂
Ich hatte bei diesem speziellen Titel immer mehr das Gefühl, das es ein "Winterbuch" sein. Ob ich es aber noch im November schaffe… hm, meine derzeitigen Bücher erfordern alle recht viel Konzentration und lassen sich nur langsam lesen, außerdem habe ich recht viel anderes um die Ohren.
Aber der Winter fängt ja erst an! 😀
@Hermia: Ich empfand es eher als Herbstbuch. 😉 Aber bestimmt passt es auch in einen regnerischen Februar. 🙂
Der offizielle Winter beginnt ja erst kurz vor Weihnachten… 😉
Oh, so kann man sich täuschen – ich hatte hinter dem Titel ein Kinderbuch vermutet (durch dieses "Charlotte und die …"). Da lag ich ja wohl ziemlich daneben. 😉
Der Roman klingt eigentlich ganz faszinierend, aber angesichts meiner schwachen Nerven bei unheimlichen Büchern landet er wohl doch eher nicht auf meiner Wunschliste.
@Neyasha: Kein Kinderbuch, definitiv nicht! 😀 Ich glaube, er wäre eigentlich auch für schwache Nerven geeignet, schlimmer als deine nordischen Sagen ist die Geschichte nicht! Allerdings gibt es ein paar Szenen (die mit den Gästen, die ihre Körperteile abschneiden, die dann zum Essen serviert werden – was überhaupt nicht weh zu tun scheint!), die ich persönlich etwas unappetitlich fand.