Von „Mexican Gothic“ von Silvia Moreno-Garcia hatte ich gehört, als der Titel zur Veröffentlichung angekündigt wurde – ich hatte ihn damals gleich auf die Merkliste gesetzt. Als das eBook Ende Oktober im Angebot war, habe ich zugeschlagen und den Roman dann passenderweise am 31. Oktober angefangen zu lesen. Erzählt wird die Handlung aus der Sicht von Noemí Taboada, die als Tochter aus reichem Hause in den 1950er Jahren ihr Leben in Mexiko zwischen Studium und Partys genießt. Unterbrochen wird ihr sorgenfreies Leben von einem Brief ihrer Cousine Catalina, die vor einiger Zeit geheiratet hat und zu ihrem Mann Virgil Doyle in einen kleinen Ort in den Bergen gezogen ist. In ihrem Brief behauptet Catalina, dass Virgil sie vergiften würde und dass sein Familiensitz High Place verflucht sei. Also wird Noemí von ihrer Familie losgeschickt, um herauszufinden, was mit Catalina los ist und ob sie vielleicht – wie Noemís Vater befürchtet – verrückt geworden sei oder ob auf High Place irgendwelche unheimlichen Dinge vorgehen.
Obwohl ich meine Lektüre normalerweise weniger unheimlich mag, habe ich die Atmosphäre in „Mexican Gothic“ sehr genossen und fand es spannend, gemeinsam mit Noemí mehr über die Familie Doyle zu erfahren. Noemí ist eine selbstbewusste und lebensbejahende junge Frau, die zwar nicht gerade diplomatisch vorgeht, aber immer das Beste für ihre Cousine Catalina im Sinn hat. Zu sehen, wie eine Figur wie Noemí in einer so geregelten, freudlosen und düsteren Umgebung wie High Place zurechtkommt, war wirklich unterhaltsam, wobei selbst bei den amüsanteren Szenen immer eine unheimliche und bedrohliche Atmosphäre zu spüren war. Noemí ist sich bis zuletzt nicht sicher, wem sie in diesem Haus trauen kann, vor allem, da sie im Laufe der Zeit – ebenso wie ihre Cousine Catalina – Stimmen zu hören scheint und Dinge sieht, die nicht real sein können. Und bei der Enthüllung der Geheimnisse der Familie Doyle habe ich dann auch den Lovecraft-Vergleich besser nachvollziehen können, mit dem die Geschichte beworben wird, auch wenn ich ihn selbst nicht ganz so naheliegend finde.
Allerding muss ich zugeben, dass ich zwei Probleme mit „Mexican Gothic“ hatte: Zum einen fand ich ein bestimmtes Element von Anfang an etwas zu überpräsent, gerade weil es sich dabei um etwas dreht, das die Ursache für all die Vorgänge in High Place ist. Zum anderen finde ich „körperinvasive“ Elemente in Horrorgeschichten wirklich unerträglich, und das hat mir auch hier beim Lesen zu schaffen gemacht, obwohl Silvia Moreno-Garcia diese Szenen als Traum getarnt oder relativ früh abgebrochen hat, um an einem anderen Punkt der Handlung wieder einzusetzen. Aber genau das sind die Passagen, wegen der ich so selten Horror lese, und dementsprechend konnte ich dieses Buch nur tagsüber lesen, ohne davon unangenehme Träume zu bekommen, und brauchte nebenbei noch einen harmlosen Roman zur Ablenkung. Immerhin kann ich sagen, dass ich die Geschichte trotzdem mochte, und das ist ein großes Kompliment für die Autorin und ihre Art zu erzählen. Wer sich also von solchen Elementen nicht abschrecken lässt, bekommt mit „Mexican Gothic“ eine gut geschriebene und sehr atmosphärische Geschichte, die in einem untergewöhnlichen und reizvollen Setting angesiedelt ist und gekonnt mit Elementen aus verschiedenen Genres spielt.