Sarah Rees Brennan: Unspoken (The Lynburn Legacy 1)

Ich weiß gar nicht mehr, auf welchem Blog ich „Unspoken“ von Sarah Rees Brennan entdeckt habe, nur noch, dass es im Rahmen einer „7 Days – 7 Books“-Aktion war. Nachdem das schöne Hardcover (zu dem es natürlich keine optisch passenden Fortsetzungen gibt *seufz*) bei mir eingezogen war, lag es erst einmal eine Weile auf dem SuB, bis ich in den letzten Tagen endlich Lust auf eine „märchenhafte Jugend-Urban-Fantasygeschichte mit Schauerromanelementen“ hatte. Dafür habe ich dann das Lesen des Romans umso mehr genossen und mir bewusst Zeit damit gelassen, weil ich die Atmosphäre der Geschichte so gemocht habe.

Vorneweg schon mal zwei Kritikpunkte: Meiner Meinung nach handelt die 17jährige Protagonistin Kami häufig, als wäre sie jünger, auch wenn es immer wieder Szenen gibt, in denen sie sehr erwachsen und verantwortungsbewusst wirkt, und das fand ich stellenweise irritierend. Und ich bin mir nicht sicher, was ich von dem Ende halte. Es gibt kein Happy End, was gut ist, denn das hätte bei der Geschichte nicht gepasst – mit der Entwicklung der Handlung bin ich einverstanden, die ist stimmig. Es ist ein offenes Ende, was okay ist, denn es ist der erste Teil einer Trilogie und da kann ich mit Cliffhangern leben. Trotzdem fand ich die letzte Szene ein bisschen unbefriedigend und kann nicht genau den Finger drauflegen, warum das so ist. Von diesen zwei Punkten abgesehen habe ich die Geschichte, die Protagonistin Kami und ihre Ermittlungen bezüglich der geheimnisvollen Familie Lynburn sehr gemocht.

Kami Glass lebt schon ihr ganzes Leben lang in dem kleinen Ort Sorry-in-the-Vale und empfindet sich aus gleich zwei Gründen als Außenseiterin. Auf der einen Seite ist ihre Großmutter Japanerin gewesen (was man ihrem Vater und ihren Brüdern auch ansieht) und auf der anderen Seite tauscht sie sich von klein auf regelmäßig mit ihrem unsichtbaren Freund Jared über all ihre Gedanken und Gefühle aus. Genauer gesagt existiert dieser Freund nur als Stimme in ihrem Kopf, und auch wenn sie seine Existenz nicht an die große Glocke hängt, wird sie immer wieder von diesen Gesprächen in ihrem Kopf so sehr abgelenkt, dass sie ihrer Umgebung und den „realen Menschen“ in ihrem Umfeld nicht die angemessene Beachtung schenkt.

Kamis großer Traum ist es, einmal als Reporterin erfolgreich zu sein, und so überredet sie ihre einzige Freundin Angela, zusammen mit ihr eine Schülerzeitung zu starten. Großes Thema der ersten Ausgabe ist die Rückkehr der Familie Lynburn, der ein Großteil des Grundbesitzes in Sorry-in-the-Vale gehört und die auch in heutiger Zeit immer noch sehr nach Gutsherren-Art in der kleinen Stadt herrscht. Die beiden Lynburn-Schwestern Rosalind und Lillian hatten den Ort unabhängig voneinander vor langer Zeit verlassen – und wenn man den kleinen Nebenbemerkungen der Ortsansässigen glauben darf, dann war das ein großes Glück für alle Anwohner. Kami ist sich sicher, dass es ein Geheimnis um die Familie Lynburn gibt, und obwohl ihr von allen Seiten abgeraten wird, macht sie sich daran, dieses Geheimnis herauszufinden. Eine große Überraschung gibt es dabei für sie schon sehr früh: Ihr unsichtbarer Freund Jared ist nicht nur ein real existierender Junge, sondern auch noch der Sohn von Rosalind Lynburn.

Ich mochte es sehr, wie Kamis Freundschaft mit Jared anfangs beschrieben wird (wobei ich mich später schon fragte, wie die beiden ihre Freundschaft so führen konnten, wenn er doch all die Jahre in Amerika lebte und es da schon einen kleinen Zeitunterschied zu England gibt 😉 ) und wie sehr ihr Wohlbehagen über eine so vertraute Seele in Entsetzen umschlägt, als sie feststellen muss, dass es da einen realen Jungen gibt, der jedes ihrer Geheimnisse kennt. Sarah Rees Brennan hat es meiner Meinung nach sehr schön hinbekommen, diesen Zwiespalt zwischen „wir kennen uns so lange, wir sind die besten Freunde“ und „die andere Person kennt mich durch und durch, was sie in die Lage versetzt, mich tiefer zu verletzen als jeder andere“ zu beschreiben.

Dazu kommt noch die ungewöhnliche Stadt Sorry-in-the-Vale, die sich anfangs wie eine ganz normale Kleinstadt anfühlt, in der sich alle relativ gut kennen und ihrem ganz gewöhnlichen Leben nachgehen. Und wer mal für eine Zeit dem Kleinstadtmief entkommen will, fährt eben für ein paar Tage nach London, um etwas Großstadtluft und Kultur zu tanken. Erst nach und nach stellt sich heraus, dass sich mehr hinter der Kleinstadtfassade verbirgt und dass es einen Grund für die tiefsitzende Furcht vor der Familie Lynburn gibt. Auch hier hat es mir gefallen, wie die Autorin so nach und nach kleine Elemente in die Handlung eingeflochten hat, die auf etwas Übernatürliches hindeuten und die dafür sorgen, dass die Atmosphäre in der Geschichte immer beklemmender wird.

Überhaupt waren es diese kleinen Momente, die diesen Roman für mich – trotz aller unheimlichen und schrecklichen Ereignisse – zu einem Wohlfühlbuch gemacht haben. Ich mochte es, wie mich die Welt, die Sarah Rees Brennan da geschaffen hat, zum Tagträumen animiert hat, und mir gefiel Kamis Verhältnis zu ihrer Familie ebenso wie das zu ihren Freunden (denn natürlich ist Angela langfristig nicht die einzige Person, die von Kami in die Angelegenheit verwickelt wird). Da war es auch vollkommen in Ordnung, dass mich die Geschichte, trotz aller tragischen Momente, weniger emotional bewegt als meine Fantasie angeregt hat, während ich über die eine oder andere Situation und diverse Dialoge schallend gelacht habe.

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