Robin Benway: Emmy & Oliver

„Emmy & Oliver“ von Robin Benway gehört zu den Büchern, die ich anhand des Klappentextes nie in die Hand genommen hätte. Vor allem der letzte kitschige Satz „Oder sind ihre Herzen wie die Teile zweier Puzzles – unmöglich, dass eins jemals zum anderen passt?“ hätte mich definitiv abgeschreckt. Glücklicherweise bin ich über Pias Rezension zu dem Titel gekommen und habe deshalb den Roman aus der Bibliothek ausgeliehen und dann in einem Zug gelesen.

Die Geschichte wird aus Emmys Perspektive erzählt, so dass man als Leser mitbekommt, wie es ihr ergangen ist, nachdem der gleichaltrige Nachbarssohn Oliver von seinem Vater entführt wurde. Doch Oliver war nicht nur einfach ein Nachbarsjunge, sondern von Anfang an Emmys bester Freund. Die beiden Kinder sind zusammen aufgewachsen und standen sich immer besonders nah – und dann verschwand er mit gerade mal sieben Jahren von einem Tag auf den anderen. Die folgenden Wochen bestanden für Emmy, ihre Familie und ihren Freundeskreis aus Reportern, die jedes Detail zu dem entführten Kind wissen wollten, und aus Olivers verzweifelter Mutter, die alles versuchte, um ihren Sohn zurückzubekommen und dabei von Emmys Eltern unterstützt wurde. Von diesem Moment an wird Emmy von ihren schockierten Eltern überbehütet – und daran ändert sich auch in den folgenden zehn Jahren nichts. Nicht einmal, als Oliver eines Tages wieder auftaucht und zu seiner Mutter zurückkehrt, kann Emmy ein normales Leben führen.

Das alles klingt nun erst einmal dramatisch, aber die Geschichte ist vor allem einfach nur schön. Die Handlung dreht sich nämlich weniger um die Entführung – obwohl sie natürlich das Leben aller beeinflusst hat -, sondern vielmehr um die Freundschaft zwischen Emmy, Oliver, Caro und Drew. Auch wenn Oliver zehn Jahre lang verschwunden war, haben seine drei Kindheitsfreunde ihn nie vergessen und würden nun gern wieder an ihre alte Freundschaft anknüpfen. Oliver hingegen ist verwirrt von all den Veränderungen in seinem Leben und von all den neuen Informationen, die er gerade erst erhalten hat, und frustriert, weil er das Gefühl hat, dass alle in ihm nur den Siebenjährigen sehen, der verschwunden ist, statt sich darauf einzulassen, dass sein Leben in den vergangenen zehn Jahren weitergegangen ist.

Für Emmy bringt Olivers Wiederkehr nicht nur den lange vermissten Freund zurück, sondern auch im Laufe der Geschichte die Erkenntnis, dass ihr Leben nicht so weitergehen kann. Sie weiß, dass ihre Eltern sie lieb haben und nur das Beste für sie wollen, aber ihre übergroße Besorgnis engt Emmy ein und sorgt dafür, dass sie ihr Eltern tagtäglich belügen muss, nur um zumindest für ein paar verstohlenen Stunden das zu erleben, was für andere Teenager normal ist. Auch die Eltern von Drew und Caro spielen eine gewisse Rolle in der Geschichte, obwohl sie nicht persönlich vorkommen. Die Familienverhältnisse der vier Jugendlichen wurden manchmal etwas sehr übertrieben dargestellt, aber ich mochte, wie gegensätzlich ihre Herkunft war, wie gut sie sich verstanden haben und wie sehr sie sich manchmal wünschten in den Schuhen des anderen zu stecken.

Trotz der teilweise etwas klischeehaften Darstellung einiger Nebencharaktere und des (wirklich alle Beteiligten betreffenden) Happy Ends fühlt sich die Geschichte beim Lesen realistisch an. Ich mochte die Figuren, ich mochte es, dass sie Ecken und Kanten hatten, dass sie einander so gut kannten, dass sie mit den Macken des Freundes leben konnten, und ich mochte es, dass es bei aller Freundschaft auch mal zu Streitereien kam. Ich hätte – zumindest bei den späteren Kapiteln – auf die kleinen Passagen verzichten können, die jedes Kapitel mit einer Szene einleiten, die vom Leben der vier erzählt, bevor Oliver entführt wurde. Aber so schlimm fand ich die jetzt auch nicht, dass sie mein Lesevergnügen ernsthaft getrübt hätten.

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