„Denn die Gier wird euch verderben“ von Åsa Larsson hatte ich ja schon gestern erwähnt, als ich über meine Unentschlossenheit bei der Buchwahl gejammert habe. Und auch zwei Tage nach dem Lesen weiß ich nicht so recht, was ich von dem Roman halten soll. Aber erst einmal kurz zum Inhalt: In der Nähe von Kiruna (der nördlichsten Stadt Schwedens) wird eine Frau namens Sol-Britt ermordet. Ihr kleiner Enkelsohn, um den sie sich gekümmert hat, wird verstört im Wald aufgefunden, kann aber nichts über die Tat aussagen. Bei ihren Ermittlungen stellen die Staatsanwältin Rebecka Martinsson und die Polizeiinspektorin Anna-Maria Mella nicht nur fest, dass Sol-Britt einen heimlichen Liebhaber hatte, sondern auch, dass es in den letzten Jahren erstaunlich viele Todesfälle in der Familie gab.
Obwohl dieser Roman schon der fünfte Teil rund um Rebecka Martinsson und Anna-Maria Mella ist, hatte ich nicht das Gefühl, dass mir relevantes Vorwissen fehlen würde. Aber trotzdem denke ich, dass ich einige Personen besser hätte einschätzen können, wenn ich die anderen vier Bücher gekannt hätte. Und vielleicht hätte es mir dann beim Lesen nicht so viel ausgemacht, dass – gefühlt – jede der vielen Figuren irgendwie „versehrt“ ist. Die Häufung der angeschlagenen Charaktere wurde mir im Laufe der Zeit wirklich etwas viel, genauso wie die gesamte Atmosphäre mir zu trüb war. Aber das ist ein Problem, das ich häufiger bei skandinavischen Krimis habe – mir fehlen da viel zu oft die ausgleichenden Elemente, um als Leser mit der Melancholie einer Geschichte umgehen zu können. Dabei hat Åsa Larsson auch immer wieder witzige oder heimelige Szenen eingebaut, die die Handlung auflockern, aber das reichte mir nicht, um das Buch mit einem zufriedenen Gefühl beenden zu können.
Bei dem Kriminalfall bin ich auch zwiegespalten. Die Handlung hat sich wirklich gut lesen lassen, die Auflösung war zwar abzusehen, sprang einen aber nicht direkt an. Allerdings wurde die notwendige Information, die man benötigte, um das Motiv zu verstehen, erst sehr spät gegeben, was bei mir dazu führte, dass ich diesen Punkt eigentlich nur noch als letztes Puzzlestück registrierte, ohne das Gefühl zu haben, dass sich da nun ein Rätsel für mich löst oder ich die Befriedigung verspürte, Recht gehabt zu haben. Dafür hat der zweite Handlungsstrang, der in der Vergangenheit spielte, bei mir häufiger dazu geführt, dass ich lieber nicht weitergelesen hätte, weil ich schon wusste, dass dieser Teil der Geschichte mit einem Mord endet, und mir meine Fantasie den Weg dahin schlimmer ausmalte, als er im Endeffekt war.
Gut gefallen haben mir Åsa Larssons Fähigkeiten beim Charakterentwurf – so richtig gut! Es gibt ganz am Anfang des Romans einen Bärenjäger, der gerade mal ein paar Absätze lang vorkommt. Aber diese wenigen Sätze über diese Person haben mein Interesse so sehr geweckt, dass ich mir wirklich wünschte, er würde noch einmal irgendwo in der Geschichte vorkommen. Und obwohl ich mich fragte, warum Rebecka mit ihrem Freund zusammen ist (wer weiß, vielleicht erklärt sich das ja auch in den ersten Krimis der Autorin), so habe ich ihr ihre schwankenden Gefühle für diesen Mann doch abgenommen. Ich mag die Vielschichtigkeit, die die meisten Figuren aufweisen, die unterschiedlichen Motive, Stärken und Schwächen werden von Åsa Larsson glaubwürdig beschrieben, wobei sie bei den negativen Charakteren nicht ganz so überzeugt, so dass ich mir gewünscht hätte, dass auch die „Bösewichte“ in der Geschichte (z. B. der unfähige Kollege von Rebecka), weniger einseitig beschrieben worden wären.
Letztendlich weiß ich immer noch nicht so recht, was ich von dem Buch halten soll. Es gibt ein paar Szenen, die ich nie wieder lesen möchte – so wurde mir richtig übel, als ein Hund getötet wurde, obwohl es im Rahmen der Handlung stimmig war. Auf der anderen Seite bin ich auch drei Tage nach dem Lesen immer noch neugierig auf die Figuren, würde gern mehr über sie und ihren Hintergrund erfahren und frage mich, ob ich mir nicht die ersten vier Romane der Autorin auch noch besorgen soll …