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Reiko Momochi: Daisy aus Fukushima (Manga)

„Daisy aus Fukushima“ ist ein Manga von Reiko Momochi nach dem Roman „Pierrot“ von Teruhiro Kobayashi, Darai Kusanagi und Tomoji Nobuta. Ich kann nicht beurteilen, wie nah sich die Mangaka an den Roman hält, aber sie war vor dem Zeichnen des Manga in Fukushima und hat mit Menschen gesprochen, die die Naturkatastrophe und das daraus folgende Atomunglück miterlebt haben und Tag für Tag mit den Folgen fertig werden müssen. Protagonistin des Manga ist Fumi, die 2011 gerade erst ihr letztes Schuljahr begonnen hat. Eigentlich sollte sich ihr Leben in diesem Jahr ausschließlich um die Vorbereitungen auf die Abschlussprüfungen und die Bewerbungen an den diversen Universitäten drehen, stattdessen schafft sie es wochenlang nicht, aus dem Haus zu gehen, weil sie nicht weiß, wie sie mit der Angst vor der Strahlung umgehen soll.

In den folgenden Monaten müssen Fumi und ihre drei Freundinnen Moe, Mayu und Akaya versuchen, trotz all ihrer Ängste wieder in einen einigermaßen normalen Alltag zu finden. Doch einfach ist das nicht bei all den Herausforderungen, denen sich die Mädchen stellen müssen. So müssen sie nicht nur um ihre Gesundheit und die ihrer Angehörigen fürchten, sondern auch um die finanzielle Zukunft ihrer Familien. Obwohl alle vier direkt in Fukushima leben und somit nicht von der Flutwelle betroffen waren, sorgt die Strahlung dafür, dass weder Landwirtschaft noch Tourismus weiterlaufen können. Zusätzlich gilt es die diversen Flüchtlinge zu versorgen, die durch die Katastrophe alles verloren haben.

Obwohl Fumi die Hauptfigur in dem Manga ist, erlebt man als Leser durch die vielen verschiedenen Personen, mit denen sie Kontakt hat, die unterschiedlichsten Schicksale. Manche Elemente, wie die gesundheitlichen und finanziellen Probleme, die Enttäuschung über das Verhalten der Politiker und der Betreiberfirma des Atomkraftwerks, das Festklammern an der Hoffnung, das man bald wieder zurück in seine zerstörte Heimat darf, oder das Auseinanderbrechen von Beziehungen angesichts all der Belastungen, habe ich erwartet. Andere Sachen empfand ich schon als sehr japanisch, wie zum Beispiel die Reaktion des Freundes einer Schülerin, der in Tokyo lebt (mehr möchte ich da nicht ins Details gehen, um nicht zu viel über die Handlung zu verraten), oder den – im Nachwort erwähnten – Selbstmord einer älteren Dame, die der Gesellschaft nach der Katastrophe nicht zur Last fallen wollte.

Doch natürlich ist nicht alles schlecht im Leben der vier Schülerinnen. Die Mädchen versuchen sich umeinander zu kümmern und füreinander da zu sein. Angesichts der Prüfungen, die im letzten Schuljahr auf sie zukommen, hatten die Freundinnen eigentlich ihre Band „Daisy“ aufgelöst, doch nun machen sie wieder zusammen Musik, um sich von all den negativen Nachrichten und Erlebnissen abzulenken. Über die Band finden die vier neue Freunde und können anderen Menschen ein bisschen Aufmunterung bringen. So entstehen nicht nur neue Freundschaften und Beziehungen, sondern auch neue Perspektiven und Anstöße für die Zukunft.

Ich mochte es sehr, von den verschiedenen Erlebnissen und Schicksalen der vier Mädchen zu lesen. Ich habe gelacht und geweint, war wütend und glücklich, denn egal, wie schrecklich die Ereignisse rund um Fukushima waren und sind, so gibt es doch immer auch Momente, in denen Freundschaft. Liebe und Hoffnung stärker sind als die Sorgen um die Zukunft. Aber ich frage mich nach dem Lesen des Manga (wie schon in den vergangenen 30 Jahren), wie eine Regierung den Einsatz von Atomenergie nach all den Erfahrungen damit noch verantworten kann.

Die Zeichnungen von Reiko Momochi sind in der Regel sehr ästhetisch und entsprechen gerade bei der Darstellung der Teenager in vielem dem Manga-Klischee (große Augen, spitze Gesichter, schlanke Körper). Aber die Mangaka zeigt in „Daisy aus Fukushima“ auch sehr realistische Zeichnungen vom Katastrophengebiet und wunderschöne Landschaften rund um die Stadt Fukushima. Auch bei der Darstellung der vielfältigen Emotionen, die die verschiedenen Charaktere bewegen, konnte mich Reiko Momochi überzeugen, da es ihr durch das feine Mienenspiel der Figuren gelingt, auch zwiespältige Gefühle sehr gut anzudeuten. Ansonsten sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass dieser Manga in japanischer Leserichtung veröffentlicht wurde. Mich persönlich stört das nicht, aber ein paar Leute haben in den Kommentaren bei meinen Jiro-Taniguchi-Rezensionen angemerkt, dass sie damit Probleme haben.

Was die sonstige Qualität des Manga angeht, so bin ich inzwischen daran gewöhnt, dass bei EMA regelmäßig Druckfehler vorkommen. Ich finde es trotzdem ärgerlich, dass der Verlag nicht einmal bei einer Veröffentlichung, die auch die Aufmerksamkeit von Lesern auf sich ziehen könnte, die normalerweise nicht zum Manga greifen, das Lektorat richtig auf die Reihe bekommt. Mich haben die diversen Tippfehler wirklich gestört, die das Lesen zum Teil erheblich erschwert haben und deutlich zeigten, dass manche Elemente ohne einen weiteren korrigierenden Blick einfach per Copy&Paste in die verschiedenen Sprechblasen übertragen wurden. Ansonsten ist die Druckqualität gut und abgesehen von einer Stelle (wo sie im Falz liegt) kann man die vorhandenen Fußnoten auch problemlos lesen.