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Doris Dörrie: Kirschblüten – Hanami (Buch und Film)

Ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen den deutschen Film – es gibt aber leider nur wenige, die mir wirklich gefallen. So reizte mich zwar das Thema bei Doris Dörries Film „Kirschblüten – Hanami“, aber so ganz konnte ich mich nicht dazu aufraffen, ins Kino zu gehen, was auch ein wenig an den Schauspielern lag, die ich nicht in jeder Rolle leiden kann, wenn ich das mal so freundlich ausdrücken darf. Irgendwann bekam ich dann das Buch zum Film in die Hand und hier hat mich die Geschichte so sehr berührt, dass ich doch noch die DVD angucken musste.

In „Kirschblüten – Hanami“ (Hanami ist übrigens der japanische Ausdruck für das Betrachten von Blüten und wird in der Regel auf die Kirschblüte bezogen, da für die Japaner das Aufblühen der Kirschbäume ein besonderes Ereignis ist und man gleichzeitig mit diesem Anblick den Beginn des Frühlings feiert) erzählt Doris Dörrie von dem Ehepaar Trudi und Rudi. Beide sind schon lange miteinander verheiratet, und bei aller Zärtlichkeit füreinander hat der graue Alltag sie schon längst eingeholt. Trudi hatte vor der Heirat japanischen Butoh-Tanz studiert, ist immer noch vom Anblick des Fuji und von der japanischen Kultur fasziniert und träumt davon, einmal die Kirschblüte in Japan erleben zu dürfen. Rudi kann das nicht nachvollziehen, er fühlt sich in seinem Alltag wohl, ist ein Gewohnheitstier und kennt keine unerfüllten Träume.

Doch dann bekommt Trudi die Mitteilung, dass Rudi schwer erkrankt ist. Ihr bleibt es überlassen, ob er von seiner Krankheit erfahren oder ob er so ungetrübt wie möglich seine letzten Monate erleben soll. Trudi beschließt, ihrem Mann nichts zu sagen und versucht stattdessen, ihm die verbleibende Zeit so schön wie möglich zu machen. Doch ein Besuch bei den Kindern (Sohn und Tochter) in Berlin zeigt nur, wie sehr sich die einzelnen Familienmitglieder voneinander entfremdet haben – und während Trudi herauszufinden versucht, was Rudi glücklich machen würde, ist er nur irritiert von ihrem Verhalten und ihren Fragen. Erst als Trudi überraschend stirbt, geht ihm auf, wie viele Träume sie für ihn und die gemeinsamen Kinder aufgegeben hat. Um sich ihr noch einmal nahe fühlen zu können, reist Rudi zu seinem zweiten Sohn, der in Japan lebt, und versucht dort all die Dinge zu sehen und zu erleben, die seine Frau sich so sehr gewünscht hat.

Das Buch zum Film wurde in drei Teile aufgeteilt: Über 100 Fotos mit Bildunterschriften, das komplette Drehbuch und ein Abschnitt über Doris Dörrie, der beschreibt, wie es zu dem Dreh von „Kirschblüten – Hanami“ kam, was der Regisseurin so alles in Japan schon passiert ist und wie ihre Faszination an dem Land ausgelöst wurde. Da ich den Film ja noch nicht kannte, habe ich mir gründlich die Fotos angeguckt und die Geschichte erst einmal wie bei einem Bilderbuch erlebt, was sehr berührend war. Ohne die Handlung im Hinterkopf zu haben, musste ich die Fotos besonders aufmerksam betrachten und war beeindruckt von den kleinen Dingen, die man wohl beim Betrachten des Films nicht so bewusst wahrnimmt.

Das Drehbuch hat mir dann deutlich mehr Hintergründe zu den einzelnen Figuren verschafft und ihr Verhältnis zueinander beleuchtet. Zu sehen, wie sehr sich die Kinder von ihren Eltern entfremdet haben und dass es eine Außenstehende benötigt, damit die verschiedenen Familienmitglieder wieder aufmerksamer miteinander umgehen, ist sehr traurig und doch so alltäglich. Auch Trudis und Rudis hilflose Versuche, für den anderen da zu sein – oder zumindest dann im Nachhinein noch die Dinge zu tun, die den anderen erfreut hätten -, waren sehr berührend zu lesen. Oder um es mal ganz deutlich zu sagen: Am Ende des Drehbuchs liefen mir die Tränen übers Gesicht, weil es so schön und traurig war.

Ganz so tief wie das Buch hat mich der Film allerdings nicht bewegt. Er gefiel mir und habe ihn bestimmt nicht zum letzen Mal gesehen, aber meine Fantasie hatte der Geschichte beim Lesen doch noch mehr Intensität verliehen, als es Doris Dörries Bilder gekonnt haben. Dabei haben Elmar Wepper und Hannelore Elsner hier in meinen Augen ihre überzeugendste Leistung als Schauspieler abgeliefert, und zum ersten Mal habe ich die beiden uneingeschränkt gemocht. Besonders Elmar Weppers Zusammenspiel mit Aya Irizuki (die die Japanerin Yu spielt) ist wirklich ganz bezaubernd!

Dafür habe ich mir während des Films mehr Gedanken um diese (und so auch ein wenig über meine) Familie gemacht. Selbst während wunderschöne Bilder aus Japan zu sehen waren, hat das einen Teil meiner Aufmerksamkeit gefangen gehalten. Das liegt wohl daran, dass ich das Buch miterlebt habe, während ich beim Film – trotz des Einsatzes einer Videokamera, die ich immer gewöhnungsbedürftig finde, die aber eine gewisse Nähe erzeugen soll – doch nur Zuschauer war und so mehr Raum für mich und weniger für die Geschichte hatte.

Auch muss ich zugeben, dass ich wohl ohne Kenntnis der Handlung bei einer Fernsehausstrahlung in der ersten Hälfte der Geschichte einen anderen Sender gesucht hätte. Aber mit dem Wissen, wie sehr sich Rudi noch entwickelt (und weil ich eben nach dem Lesen den Film sehen wollte), fand ich selbst diese eher zähen Passagen sehr rührend. Sowohl im Buch als auch im Film fand ich einen Moment in dieser Familie wunderbar mitzuerleben, bei dem man erkennt, dass diese unterschiedlichen Personen doch eine gemeinsame Vergangenheit verbindet.