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Tove Jansson: The Summer Book

Anfang März gab es „The Summer Book“ von Tove Jansson sehr günstig als eBook und da ich schon eine Weile neugierig auf Werke der Autorin bin, die sich nicht um die Mumins drehen, habe ich zugeschlagen. In den letzten Tagen habe ich dann nach und nach die Kapitel gelesen, während ich passenderweise in meiner Nachmittagspause in der Sonne lag – was perfekt zu den kleinen Geschehnissen in dem Buch passt. „The Summer Book“ spielt auf einer winzigen Insel im finnischen Golf, auf der die kleine Sophia mit ihrem Vater und ihrer Großmutter die Sommermonate verbringt. Dabei bekommt der Leser von der Autorin keine durchgehende Geschichte erzählt, sondern kleine Begebenheiten und Alltäglichkeiten des Insellebens. Die beschriebenen Ereignisse finden auch nicht alle in dem selben Sommer statt, werden aber vom Frühsommer bis zum Herbst erzählt, so dass man einen guten Einblick in den Verlauf eines Inselsommers bekommt.

„The Summer Book“ wurde von Tove Jansson geschrieben, um den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten. So trägt die Großmutter in dem Roman, wenn ich dem Vorwort von Esther Freud glauben darf, Züge von Tove Janssons Mutter, während die Enkelin Sophia wohl ebenso an Tove Jansson wie auch an ihre Nichte Sophia angelehnt wurde. Auch die beschriebene Insel lässt sich in Tove Janssons Leben wiederfinden, denn auch sie hat viele Jahre den Sommer auf einer winzigen Insel verbracht und dort in einem Häuschen gelebt, das sie gemeinsam mit ihrem Bruder gebaut hatte. Auch ohne diese biografischen Bezüge finde ich „The Summer Book“ überaus lesenswert, wenn man als Leser damit leben kann, dass nichts Großes in dem Buch passiert.

Sophia und ihre Großmutter verbringen viel Zeit miteinander und beschäftigen sich mit den vielen kleinen Dingen, die ihnen die Insel bietet. Mal beschreibt Tove Jansson wie die beiden nach Treibgut suchen, dann wieder denken sie sich Geschichten zu den verschiedenen Dingen aus oder machen einen Ausflug auf eine andere Insel. So erlebt man wie die Insel im Frühling aus dem Winterschlaf erwacht, wie die Vögel balzen, wie die vielen kleinen Pflanzen wachsen und blühen, aber auch wie die drei Bewohner im Laufe des Sommers einander etwas überdrüssig werden, wie die neuen Nachbarn dafür sorgen, dass der seit Jahrzehnten gleiche Blick aufs Meer auf einmal durch ein kastenartiges Haus gestört wird oder wie ein Sommersturm auf die drei unterschiedlichen Menschen wirkt.

Ich mochte dieses ruhige Leben, das von keiner Uhr diktiert wird und in dem jeder zu machen scheint, wonach ihm gerade der Sinn steht. Ich habe mir beim Lesen gewünscht, ich würde mit der Großmutter an einer geschützten Stelle liegen und ein Nickerchen machen, während ihre Enkelin einen Pfad durch einen Wald schlägt, oder ich würde in der Nacht aufwachen und im Nachthemd zum Meer gehen können, um über das Wasser zu schauen. Auch fand ich es sehr schön zu lesen wie Sophia und ihre Großmutter über das Leben und das Sterben redeten. Sie haben sich Geschichten ausgedacht – zum Beispiel wie ein Engel wohl das Geschlecht eines anderen Engels herausfindet, wenn sie doch alle die gleichen Hemden tragen -, aber bei allem Humor wird doch deutlich, dass das Thema besonders für Sophia, deren Mutter früh gestorben ist, nicht einfach ist.

Mir sind diese beiden Personen (der Vater wird eigentlich nicht näher beschrieben und bleibt eher im Hintergrund) sehr ans Herz gewachsen. Sophia ist manchmal dickköpfig und mal ängstlich, sie kann schmollen und trotzen und sie ist voller Fantasie und Energie und genießt die Freiheit, die ihr der Sommer auf der Insel bietet. Ihre Großmutter ist ebenfalls voller Ecken und Kanten, voller Geschichten und Spinnereien, und während sie sich an manchen Tagen unheimlich viel Mühe mit dem Kind gibt, will sie an anderen Tagen nur ihre Ruhe und macht das auch deutlich. Ich mochte wie realistisch diese beiden beschrieben wurden und mir hat es gefallen, wie die beiden aufeinander aufpassen. „The Summer Book“ hat eigentlich nichts mit den Mumins zu tun und doch habe ich die ganz besondere Atmosphäre der Mumin-Bücher, die gleiche Liebe zur Natur und diese Bereitschaft eine Person ihre Ideen und Vorhaben ausleben zu lassen auch in dieser Veröffentlichung von Tove Jansson wiedergefunden.

Eeva-Kaarina Aronen: Der Sommer vor meinem Fenster

Vielleicht hatte mich der Klappentext in die Irre geführt, der von einem Sommer erzählt, in dem eine Rundfunkjournalistin dramatische Ereignisse in ihrer Nachbarschaft beobachtet, aber „Der Sommer vor meinem Fenster“ gehörte zu den Romanen, durch die ich mich regelrecht durchquälen musste. Sprachlich schreibt Eeva-Kaarina Aronen sehr schön, ihre Ausdrucksweise kann man anfangs durchaus genießen, doch irgendwann kommt das Gefühl auf, dass die Autorin so gar nicht zu sagen hat. Oder sich zu sehr bemüht das Gesagte malerisch zu verpacken und dem Leser so die Lust am Text nimmt.

Kapitelweise stellt sie die verschiedenen Nachbarn ihrer Hauptfigur Hagar vor, die von der ihnen nachspionierenden Journalistin auch noch lauter Spitznamen verpasst bekommen haben. Bis ich die verschiedenen Beziehungen und Hintergründe verstanden hatte, hatte ich schon gar keine Lust mehr mich mit diesen Personen zu beschäftigen. Und während ich darauf wartete, dass endlich etwas großes passiert, schiebt Eeva-Kaarina Aronen einen Exkurs über die russisch-finnische Vergangenheit ein.

Dieser Part ist überaus faszinierend, mir waren vorher viele Verbindungen nicht bekannt und ich habe interessiert die Entstehung des russischen Kommunismus und seine Folgen für Finnland verfolgt – nur um dann wieder mit Hagar zusammen auf das Straßenfest der kleinen finnischen Gemeinde hinzuarbeiten. Endlich wird aus den vielen vielen Andeutungen, die seit Anfang des Buches gemacht wurden, ein konkretes Ereignis. Aber inzwischen hat die Autorin mich schon längst verloren. Hagar ist mir unsympathisch und die Vorgänge in ihrer Siedlung sind mir egal und die soooo lange aufgebaute Spannung endete für mich mit einem enttäuschenden kleinen „Puff“. Wenn ich wirklich einmal mehr über finnische und russische Geschichte lernen will, dann suche ich mir ein gutes Sachbuch. Von dieser Autorin hingegen werde ich wohl so schnell kein Buch mehr lesen, denn ich fühlte mich einfach nicht gut genug unterhalten, um die Durststrecken zwischen den interessanteren Teilen mühelos durchzuhalten …