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Tuula Karjalainen: Tove Jansson – Work and Love

Auf die Biografie „Tove Jansson – Work and Love“ von Tuula Karjalainen bin ich aufmerksam geworden, als jemand auf Twitter ein Foto mit der deutsche Ausgabe („Tove Jansson – Die Biografie“) zeigte. Da die deutsche Veröffentlichung mehr als das doppelte der englischen kostet, habe ich mir dann aber lieber die englische Variante zugelegt – übersetzt sind ja eh beide Titel aus dem finnischen Original. Ich muss dabei noch anfügen, dass ich zwar aus diversen Artikeln und Fernsehberichten über Tove Jansson sowie biografisch angehauchten Romanen von der Autorin ein bisschen über ihr Leben, ihre Beziehung zu Tuulikki Pietilä, ihre Familie und die Arbeit, die vor allem ihr jüngerer Bruder Lars zu den Mumins beigetragen hat, wusste, aber das waren bis zum Lesen dieser Biografie wirklich nur Bruchstücke.

Da Tove Jansson sich als Künstlerin auf sehr vielen Gebieten betätigt hat, hat die Autorin Tuula Karjalainen ihre Biografie thematisch geordnet. So beginnt „Tove Jansson – Work and Love“ mit dem Kennenlernen ihrer Eltern Signe Hammarsten-Jansson (Ham) und Viktor Jansson (Faffan), ihrer beider Arbeit als Künstler (sie war Illustratorin, er Bildhauer) und ihrem Verhältnis zueinander. Die Passagen über Tove Janssons Kindheit werden vor allem davon geprägt, wie sehr die Kunst ihrer Eltern Einfluss auf die Entwicklung des jungen Mädchens hatte und wie der tägliche Umgang mit den verschiedenen künstlerischen Aspekten bei Tove für ein gutes Fundament für ein Kunststudium gesorgt hat. In den folgenden Kapiteln geht es dann um Tove Janssons Beziehungen zu Künstlerkollegen, die zum Teil zu lebenslangen Freundschaften (und mehr) führten, um ihre Arbeit als Malerin, als Grafikerin und Illustratorin, als Kinderbuch-, Roman- und Theaterautorin, als Cartoonistin und all die anderen Dinge, die diese faszinierende Frau in ihrem Leben getan hat.

Ich fand es ungemein spannend, den Lebensweg von Tove Jansson zu verfolgen und mehr über ihre Freundschaften und den Einfluss, den die Männer und Frauen in ihrem Leben auf ihr Werk hatten, zu erfahren, aber auch über die Dinge, die sie immer wieder entmutigt haben und dafür sorgten, dass sie an sich und ihren Fähigkeiten zweifelten. Es war spannend zu sehen, wie viele Elemente aus ihren Romanen mit ihrer Biografie in Verbindung gebracht werden können, und ich fand es toll, wenn in dem Buch mal wieder ein Zitat aus einem Brief oder einem anderen Text von Tove Jansson vorkam, so dass ich ein Gefühl für ihre Persönlichkeit bekam. Außerdem gibt es in dieser Veröffentlichung unglaublich viele Bilder von Gemälden und Zeichnungen, die sie angefertigt hat oder die sie zeigen, so dass man einen wirklich guten Eindruck von der Bandbreite ihres Werks bekommt . Dazu gibt es noch Fotos von Tove (und den Menschen um sie herum), so dass man sie auch einmal aus der Perspektive von Menschen, die sie persönlich kannten, betrachten konnte.

Trotz all dieser wirklich interessanten und faszinierenden Elemente war das Lesen dieser Biografie leider kein ungetrübtes Erlebnis. So schön es war, so viele Bilder präsentiert zu bekommen, so gab es im Text leider keinerlei Hinweise darauf, wo man die darin erwähnten Darstellungen finden konnte. So habe ich mich dabei ertappt, wie ich verzweifelt die beschriebenen Elemente eines Zeitungscovers auf dem direkt neben dem Text abgebildeten Bild gesucht habe, weil mir nicht bewusst war, dass das erwähnte Cover erst einige Seiten später im Buch auftauchen würde. Ständig musste ich schauen, ob ich irgendwo später noch die beschriebenen Zeichnungen und Gemälde finde. Dabei wäre es so einfach gewesen, eben einen kleinen Vermerk in den Text (oder als Fußnote) zu setzen mit einem Hinweis darauf, wo die Abbildung zu finden ist (oder eben auch darauf, dass man dafür eben keine Bildrechte bekommen hat und man sich deshalb mit der Beschreibung begnügen muss).

Außerdem hat die thematische Aufteilung, die Tuula Karjalainen für die Biografie vorgenommen hat, dafür gesorgt, dass ich regelmäßig entweder sehr verwirrt war oder Informationen mehrfach präsentiert bekommen habe. Diese Trennung der verschiedenen künstlerischen Bereiche in Tove Janssons Leben funktionierte für mich überhaupt nicht, da Tuula Karjalainen doch immer wieder Verweise auf andere Tätigkeiten oder auf Personen, die darauf Einfluss hatten, einbauen musste. So liest man in einem relativ frühen Kapitel, dass Tove Jansson sich später in ihrem Leben auf die Malerei konzentrieren konnte, weil sie finanziell abgesichert war und ein eigenes Atelier besaß, nur um einige Zeit später in dem Kapitel über ihre Tätigkeit als Cartoonistin zu erfahren, dass sie den Vertrag nur unterschrieben hatte, weil sie aufgrund ihrer Schulden und ihres einbrechenden Einkommens so verzweifelt war. Natürlich kann man sich im Laufe der Zeit zusammenpuzzeln, dass die Cartoonisten-Karriere vor der Phase war, in der sie sich mit abstrakter(er) Kunst beschäftigt hat. Aber ich will mir so etwas nicht zusammenreimen müssen, wenn ich das genauso gut in chronologischer Reihenfolge lesen und somit viel besser erfassen könnte.

Auch innerhalb eines Kapitels gab es oft Wiederholungen und Widersprüche, die mich irritiert haben. Gerade rund um Toves Beziehungen zu den Männern in ihrem Leben fand ich es sehr schwierig, den Überblick zu behalten, da die Abschnitte (zumindest meinem Gefühl nach) willkürlich zwischen „Tove ist frisch verliebt“, „Tove hat nach dem Ende der Beziehung die Freundschaft mit dieser Person aufrecht erhalten können“, „Tove hängt an dieser Beziehung aus diesen und jenen Gründen“ und „Tove beendet die Beziehung“ sprangen. So dachte ich immer wieder, dass eine Beziehung nun beendet sei, nur um als nächstes eine Passage zu lesen, in der sie mit ihrem Partner einen schönen Moment erlebte oder ihrer besten Freundin in einem Brief den aktuellen Stand ihrer Beziehung schilderte. Das ist nun nicht so dramatisch, macht das Lesen dieser Biografie aber überraschend anstrengend und frustrierend, weil ich immer wieder zurückgeblättert habe, um Daten und Details zu überprüfen.

Vor allem aber sind das Probleme gewesen, die Tuula Karjalainen leicht hätte vermeiden können, wenn sie das vorhandene Material über Tove Janssons Leben chronologisch präsentiert hätte. Das hätte dann auch den Vorteil gehabt, dass die Verbindungen zwischen den verschiedenen künstlerischen Gebieten, auf denen Tove Jansson tätig war, deutlich geworden wären, ohne dass die Autorin einem wieder und wieder bestimmte Elemente beschreibt und Zusammenhänge erklären muss. Ich hätte es wirklich so viel stimmiger gefunden, wenn die Kapitel bestimmte Jahre umfasst und eben all die vielen kleinen und großen paralleln Entwicklungen von Tova Jansson aufgezeigt hätten. So kann ich am Ende „Tove Jansson – Work and Love“ von Tuula Karjalainen – obwohl ich grundsätzlich das Lesen dieser Biografie interessant fand – nicht weiterempfehlen und werde für mich nach weiteren Biografien von Tove Jansson schauen, die hoffentlich etwas besser geschrieben sind.

Tove Jansson: The Summer Book

Anfang März gab es „The Summer Book“ von Tove Jansson sehr günstig als eBook und da ich schon eine Weile neugierig auf Werke der Autorin bin, die sich nicht um die Mumins drehen, habe ich zugeschlagen. In den letzten Tagen habe ich dann nach und nach die Kapitel gelesen, während ich passenderweise in meiner Nachmittagspause in der Sonne lag – was perfekt zu den kleinen Geschehnissen in dem Buch passt. „The Summer Book“ spielt auf einer winzigen Insel im finnischen Golf, auf der die kleine Sophia mit ihrem Vater und ihrer Großmutter die Sommermonate verbringt. Dabei bekommt der Leser von der Autorin keine durchgehende Geschichte erzählt, sondern kleine Begebenheiten und Alltäglichkeiten des Insellebens. Die beschriebenen Ereignisse finden auch nicht alle in dem selben Sommer statt, werden aber vom Frühsommer bis zum Herbst erzählt, so dass man einen guten Einblick in den Verlauf eines Inselsommers bekommt.

„The Summer Book“ wurde von Tove Jansson geschrieben, um den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten. So trägt die Großmutter in dem Roman, wenn ich dem Vorwort von Esther Freud glauben darf, Züge von Tove Janssons Mutter, während die Enkelin Sophia wohl ebenso an Tove Jansson wie auch an ihre Nichte Sophia angelehnt wurde. Auch die beschriebene Insel lässt sich in Tove Janssons Leben wiederfinden, denn auch sie hat viele Jahre den Sommer auf einer winzigen Insel verbracht und dort in einem Häuschen gelebt, das sie gemeinsam mit ihrem Bruder gebaut hatte. Auch ohne diese biografischen Bezüge finde ich „The Summer Book“ überaus lesenswert, wenn man als Leser damit leben kann, dass nichts Großes in dem Buch passiert.

Sophia und ihre Großmutter verbringen viel Zeit miteinander und beschäftigen sich mit den vielen kleinen Dingen, die ihnen die Insel bietet. Mal beschreibt Tove Jansson wie die beiden nach Treibgut suchen, dann wieder denken sie sich Geschichten zu den verschiedenen Dingen aus oder machen einen Ausflug auf eine andere Insel. So erlebt man wie die Insel im Frühling aus dem Winterschlaf erwacht, wie die Vögel balzen, wie die vielen kleinen Pflanzen wachsen und blühen, aber auch wie die drei Bewohner im Laufe des Sommers einander etwas überdrüssig werden, wie die neuen Nachbarn dafür sorgen, dass der seit Jahrzehnten gleiche Blick aufs Meer auf einmal durch ein kastenartiges Haus gestört wird oder wie ein Sommersturm auf die drei unterschiedlichen Menschen wirkt.

Ich mochte dieses ruhige Leben, das von keiner Uhr diktiert wird und in dem jeder zu machen scheint, wonach ihm gerade der Sinn steht. Ich habe mir beim Lesen gewünscht, ich würde mit der Großmutter an einer geschützten Stelle liegen und ein Nickerchen machen, während ihre Enkelin einen Pfad durch einen Wald schlägt, oder ich würde in der Nacht aufwachen und im Nachthemd zum Meer gehen können, um über das Wasser zu schauen. Auch fand ich es sehr schön zu lesen wie Sophia und ihre Großmutter über das Leben und das Sterben redeten. Sie haben sich Geschichten ausgedacht – zum Beispiel wie ein Engel wohl das Geschlecht eines anderen Engels herausfindet, wenn sie doch alle die gleichen Hemden tragen -, aber bei allem Humor wird doch deutlich, dass das Thema besonders für Sophia, deren Mutter früh gestorben ist, nicht einfach ist.

Mir sind diese beiden Personen (der Vater wird eigentlich nicht näher beschrieben und bleibt eher im Hintergrund) sehr ans Herz gewachsen. Sophia ist manchmal dickköpfig und mal ängstlich, sie kann schmollen und trotzen und sie ist voller Fantasie und Energie und genießt die Freiheit, die ihr der Sommer auf der Insel bietet. Ihre Großmutter ist ebenfalls voller Ecken und Kanten, voller Geschichten und Spinnereien, und während sie sich an manchen Tagen unheimlich viel Mühe mit dem Kind gibt, will sie an anderen Tagen nur ihre Ruhe und macht das auch deutlich. Ich mochte wie realistisch diese beiden beschrieben wurden und mir hat es gefallen, wie die beiden aufeinander aufpassen. „The Summer Book“ hat eigentlich nichts mit den Mumins zu tun und doch habe ich die ganz besondere Atmosphäre der Mumin-Bücher, die gleiche Liebe zur Natur und diese Bereitschaft eine Person ihre Ideen und Vorhaben ausleben zu lassen auch in dieser Veröffentlichung von Tove Jansson wiedergefunden.