„In eisigem Wasser“ von Quentin Bates ist eine dieser SuB-Leichen, die es wirklich nicht verdient haben so lange im Regal zu verstauben. Die Geschichte beginnt mit einer Szene am Hafen von Hvalvík, bei der man verfolgt wie ein Betrunkener von einem anderen Mann ins Wasser gestoßen wird. Kurz darauf beginnt die eigentliche Handlung mit einem Anruf bei der Polizistin Gunnhildur (genannt Gunna), der sie darüber informiert, dass die Leiche eines Ertrunkenen gefunden wurde.
Als Gunna im Hafen ankommt, kommen ihr gleich mehrere Aspekte seltsam vor: Niemand kennt den Toten vom Sehen, er hat keinerlei Papiere bei sich, mit denen man ihn identifizieren könnte, und dann steht noch die Frage im Raum, wie er überhaupt nach Hvalvík – einem Ort ca. 100 km nördlich von Reykjavík – gekommen ist, da er zu viel Alkohol im Blut gehabt hat, als das er noch hätte fahren können. Auch irritiert es Gunna im Laufe der Ermittlungen, dass niemand daran interessiert zu sein scheint, den mysteriösen Tod des jungen Mannes aufzuklären.
Obwohl Gunna und ihre Arbeit den Hauptstrang der Geschichte bilden, bekommt man die Handlung aus verschiedenen Perspektiven erzählt, die es einem ermöglichen aus all den vielen Szenen ein stimmiges Gesamtbild zusammenzusetzen. Im Rahmen der Ermittlungen rund um den Toten im Hafen von Hvalvík macht – die angenehm bodenständig charakterisierte – Gunna einige gravierende Entdeckungen, die dafür sorgen, dass sie immer wieder bei hohen Politikern oder einflussreichen Geschäftleuten aneckt. Während ich es sonst nicht so mag, wenn in einem Krimi Korruption, Bestechung und ähnliche Machenschaften so eine wichtige Rolle spielen, fand ich diesen Part in „In eisigem Wasser“ gut gemacht. Denn Gunnas Vorgesetzte sehen sich zwar dem Druck von oben ausgesetzt und es wäre ihnen regelmäßig lieber, wenn die Polizistin weniger engagiert ermitteln würde, aber ihnen ist auch bewusst, dass ein Mordfall und andere damit verbundenen Verbrechen aufgeklärt werden müssen und unterstützen deshalb Gunna (wenn auch mal mehr und mal weniger enthusiastisch).
Ich mochte auch die Atmosphäre in dem Roman und die Art und Weise wie der Autor die isländische Gesellschaft darstellt. Das Land steht kurz vor der großen Finanzkrise und so langsam wird der Bevölkerung bewusst, dass da etwas in Politik und Wirtschaft gewaltig schief läuft. Geld ist in gewisser Weise für alle ein Thema und je mehr über den Zustand des Landes bekannt wird, desto mehr Furcht verspüren die Menschen. Auf der anderen Seite ist da auch dieser stoische Umgang mit der anstehenden Katastrophe und diese rationale Art weiterzudenken. Spannend fand ich auch kleine Bemerkungen und Informationen zu den Lebensläufen der verschiedenen Personen, wie zum Beispiel Gunnas Werdegang (mit 12 Jahren angefangen in einer Fischfabrik zu arbeiten, später zur Polizei gewechselt) oder über das Studium einer Fotografin (sie wollte im Ausland studieren, also musste sie sich ein Studienfach suchen, das in Island nicht angeboten wurde), die mir eine Menge über das Land verraten haben.
„In eisigem Wasser“ ist ein angenehm unaufgeregter Kriminalroman. Es kommt zwar zu so einigen Todesfällen, aber nichts davon ist reißerisch dargestellt. In erster Linie stehen Gunnas Ermittlungen im Vordergrund und die gestalten sich stellenweise nun einmal mühsam, aber nie uninteressant. Auch mochte ich die Beziehungen der verschiedenen Charaktere zueinander (wenn ich jetzt mal davon absehe, dass die „Schönen und Reichen“ doch etwas klischeehaft dargestellt werden), da gibt es Freundschaft, Kollegialität und Menschen, die einander zwar nicht wirklich leiden können, die aber trotzdem professionell miteinander arbeiten. Das mochte ich wirklich, das war erholsam – und deshalb habe ich mir gleich im Anschluss den zweiten Band rund um Gunnhildur geschnappt.