Nachdem mir „Greenglass House“ von Kate Milford im vergangenen Jahr so gut gefallen hatte, hatte ich mich sehr über die Veröffentlichung einer Fortsetzung gefreut. Trotzdem habe ich mir den Roman aber dann nicht direkt nach dem Kauf vorgenommen, sondern für die Feiertage aufgehoben, da auch die Handlung von „Ghosts of Greenglass House“ direkt vor Weihnachten spielt. Zu Beginn der Geschichte ist der inzwischen dreizehnjährige Milo nicht gerade glücklich. Er weiß nicht, wie er mit einem Lehrer umgehen soll, der ihn immer wieder auf seine chinesische Herkunft anspricht, er befürchtet, dass der einzige Gast im Greenglass House nicht rechtzeitig abreist, damit Milo ein privates Weihnachten mit seinen Eltern verbringen kann, und vor allem erinnern ihn die nahen Feiertage daran, dass er seine Freundin Meddy seit den Vorfällen im vergangenen Jahr nicht mehr gesehen hat.
Noch bevor Milo so richtig in seinen Problemen versinken kann, klingelt es an der Tür des Greenglass House und ein Haufen neuer Gäste zieht in die Pension ein. Ein paar Personen kennt man als Leser schon von den Ereignissen aus „Greenglass House“, einige andere Charaktere sind vollkommen neu. Aber wie schon im ersten Band scheint fast jeder einzelne sich verdächtig zu verhalten und Geheimnisse zu hüten, die schwerwiegende Folgen für das Gasthaus und seine Gäste mit sich bringen können. In vielen Elementen ähneln sich „Greenglass House“ und „Ghosts of Greenglass House“ sehr, und das finde ich gar nicht schlecht, weil es mir beim Lesen genau die Dinge wiederbrachte, die ich am ersten Band so genossen hatte. Auf der anderen Seite bringt die Tatsache, dass man als Leser inzwischen Meddys Hintergründe kennt und mehr über die Geschichte des Greenglass House und die Stadt Nagspeake weiß, viele neue Möglichkeiten mit sich, die Kate Milford auch gelungen für diese Fortsetzung ausnutzt.
Wie schon beim ersten Band hatte ich trotz der wunderbaren Atmosphäre und den Ereignissen rund um die „Waits“ (eine Gruppe von Sängern, die in – zum Teil unheimlichen – Kostümen in den Tagen vor Weihnachten von Haus zu Haus ziehen), die im Greenglass House landen, relativ wenig Probleme, den Roman in der ersten Hälfte aus der Hand zu legen. Es gibt so viele kleine Szenen, die im Leser nachklingen können, und so viele neue Figuren, auf die man sich erst einmal einlassen muss, dass ich persönlich die Geschichte anfangs lieber in kleinen Häppchen genieße. Erst nachdem mich das Rätsel um die gestohlenen Schätze, die legendäre Violet Cross und die Besonderheiten der „Liberty of the Gammerbund“ richtig gepackt hatte, konnte ich „Ghosts of Greenglass House“ nicht mehr zur Seite legen und habe lieber bis in die Nacht hinein gelesen, um das Buch zu beenden, als vernünftigerweise schlafen zu gehen. Auf der anderen Seite wollte ich eigentlich gar nicht, dass der Roman endet, denn ich mag das Greenglass House und seine Bewohner so gern, dass ich noch mehr Zeit damit verbringen wollte.
Dadurch, dass man als Leser inzwischen weiß, was Meddys Geheimnis ist, und dadurch, dass Milo mit einigen der Gäste befreundet ist, die auch im vergangenen Jahr schon die Vorweihnachtszeit im Greenglass House verbracht haben, gibt es eine Offenheit zwischen diesen Charakteren, die mir sehr viel Spaß gemacht hat. So fühlt es sich nicht mehr so an, als seien Milo und Meddy die einzigen, denen etwas unheimlich vorkommt und die versuchen müssen, die Hintergründe der verschiedenen seltsamen Ereignisse aufzuklären. Stattdessen arbeitet Milo mit den verschiedenen Personen zusammen, und jede von ihnen hat ihr ganz besonderes Talent, das sie zur Lösung des Rätsels beitragen kann und mit dem sie diejenigen schützen will, die sie in Gefahr sieht. Da es mir persönlich immer so viel Freude bereitet, all diese kleinen Enthüllungen in der Geschichte mitzuerleben, mag ich hier gar nicht mehr oder detaillierter darüber schreiben, aber auch dieses Mal hat Kate Milford wieder einen gute Balance gefunden zwischen „ich kann (fast) niemandem trauen“-Szenen und „heimeligen Momenten mit Familie und Freunden und heißer Schokolade vor dem geschmückten Weihnachtsbaum“. Ich freu mich jetzt schon auf den Tag, an dem „Bluecrown“ – die Vorgeschichte des Greenglass House – als Taschenbuch erscheint und ich noch mehr Zeit in der Stadt Nagspeake mit all ihren Besonderheiten und ungewöhnlichen Bewohnern verbringen kann.