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Lola Lafon: Die kleine Kommunistin, die niemals lächelte

Ich weiß nicht mehr, wo ich über „Die kleine Kommunistin, die niemals lächelte“ von Lola Lafon gestolpert bin, aber auf das Buch bin ich schon lange neugierig gewesen. Inzwischen habe ich den Roman gelesen und bin davon enttäuscht. Die Anfangsszene, in der beschrieben wird, wie 1976 bei den Olympischen Spielen in Montreal die Anzeige nicht in der Lage war, die 10.0 Punkte für die rumänische Turnerin Nadia Comăneci anzuzeigen – denn niemand hatte erwartet, dass so eine Wertung überhaupt jemals vergeben werden würde -, ist sehr eindringlich. Und auch die folgenden Kapitel, in denen beschrieben wird, wie Nadias Trainer Béla eine Schule gründete, begabte Turnerinnen suchte und mit ihrer Ausbildung begann, fand ich noch interessant. Doch je weiter die Geschichte – und es ist eine Geschichte und keine Biografie! – voranschritt, desto irritierter wurde ich beim Lesen, bis ich mich am Ende regelrecht über die Autorin ärgerte.

Ich wusste – und das wird zu Beginn des Romans auch noch einmal von Lola Lafon betont -, dass „Die kleine Kommunistin“ kein realistischer Bericht ist. Es ist eine romanhafte Auseinandersetzung mit einem Teil der rumänischen Geschichte, bei der eine fiktive Variante der Nadia Comăneci als Aufhänger fungiert. Die Autorin hält sich an bekannte Tatsachen und Daten wie die belegbaren Turniersiege der Sportlerin oder große politische Ereignisse, aber alles andere entspringt ihrer Fantasie – was man sich besonders bei dem fiktiven Mail- und Telefonaustausch zwischen der Autorin und Nadia immer wieder bewusst machen muss.

Diese Art, die Handlung zu erzählen, führt dazu, dass ich an vielen Stellen das Gefühl hatte, ich hätte ein Sachbuch in der Hand, bei dem ich mich auf keine einzige Aussage verlassen konnte. Das fand ich wirklich unangenehm. Auch gelingt es der Autorin nicht, sich selbst (als ein Teil des Gedankenaustauschs mit der fiktiven Nadia) oder gar der Sportlerin ein greifbares Profil zu verleihen. Beide Figuren schmollen und trotzen, jede wirft der anderen Manipulation vor, während die eine (die Autorin) das kommunistische Regime und die andere (Nadia) die Heuchelei der demokratischen Welt kritisiert.

Das Interessanteste an diesem Buch war für mich, dass Lola Lafon (u. a.) in Rumänien aufgewachsen ist. Allerdings sorgt diese Information auch für den Eindruck, dass die Autorin mit diesem Roman ihre Enttäuschung und ihre zwiespältigen Gefühle sowohl gegenüber Rumänien als auch gegenüber der berühmten Nadia Comăneci verarbeiten möchte. Immer wieder betont sie, welche Hoffnungen und Wünsche Nadias Erfolg in Montreal in den kleinen Mädchen ihrer Generation weckte, wie all die Mädchen freiwillig hungerten und trainierten, wie sie „Nadia spielten“ und davon träumten, auch einmal so anmutig über den Schwebebalken zu fliegen.

Dann gibt es all die Szenen am Ende des Buches, wo sie beschreibt, wie sie zur Recherche nach Rumänien reist und auf der Suche ist nach den tragischen Geschichten der Opfer der Ceaușescu-Zeit, nach den Frauen, die zum Kinderkriegen gezwungen wurden, nach denjenigen, die unter der gegenseitigen Bespitzelung litten. Doch vor allem fand sie Erinnerungen an glückliche Zeiten, bekam Aussagen präsentiert, deren Fazit nur mit „wir waren arm, aber glücklich“ zusammenzufassen ist und die von der Freiheit innerhalb der Grenzen des Regimes erzählten. Und bei all dem kann ich mir als Leser nie sicher sein, was davon der Fantasie der Autorin, was ihrer eigenen Erinnerung oder vielleicht den (wenigen) aufgeführten Recherchequellen entspringt.

Diese Unsicherheit darüber, was Fiktion und was Fakten sind, macht mich unzufrieden. Hätte ich ein Sachbuch gelesen, hätte ich mich intensiv damit auseinandersetzen können. Aber um so ein Buch zu verfassen, hätte sich Lola Lafon entscheiden müssen, ob sie über Nadia Comăneci oder die rumänische Geschichte schreiben möchte. Und sie hätte intensiver recherchieren und vielleicht sogar tatsächlich das Gespräch mit der Sportlerin (die seit 1989 in den USA lebt) suchen müssen. Ich wäre auch zufrieden gewesen, wenn die Autorin sich konsequent an die Aufgabe gesetzt hätte, einen reinen Roman über Nadia zu schreiben – ich bin mir sicher, das Leben der rumänischen Vorzeigesportlerin hätte vollkommen ausgereicht, um eine mitreißende und spannende Geschichte zu erzählen. Aber dieses Buch ist weder das eine noch das andere – und somit für mich eine wirklich frustrierende Lektüre gewesen.