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Elizabeth Hawes: Zur Hölle mit der Mode

Vor über achtzig Jahren erschien mit „Fashion is Spinach“ ein Titel, in dem die Designerin Elizabeth Hawes auf die Zeit zurückblickt, die sie in Paris und den USA mit dem Studium und dem Entwerfen von Mode verbracht hat. Mit „Zur Hölle mit der Mode“ ist im August 2019 die von Constanze Derham übersetzte deutsche Version des Buches herausgekommen (und die durfte dann erst einmal ein Jahr auf meinem SuB liegen, bevor ich sie endlich las 😉 ). Ich habe ja schon mehrfach auf diesem Blog erzählt, dass ich an aktueller Mode so gar nicht interessiert bin, dass ich es aber immer wieder spannend finde, mich mit Mode-Geschichte zu beschäftigen. Gerade in den Jahrzehnten vor den beiden Weltkriegen ist so viel im Bereich Mode passiert, was ich wirklich faszinierend finde, und in „Zur Hölle mit der Mode“ bekommt man einiges mit, was in den 1920er-Jahren hinter den Kulissen der Pariser Designhäuser passierte und in den 30er-Jahren rund um die Mode in den USA.

Mit Anfang zwanzig ging Elizabeth Hawes direkt nach ihrem Collegeabschluss nach Paris, in der Hoffnung, einen Weg zu finden, um als Modedesignerin arbeiten zu können. Ihr war natürlich klar, dass niemand eine unbekannte Amerikanerin engagieren würde, so dass sie jeden Job annahm, der es ihr erlaubte, die Pariser Modewelt zu studieren. Vom Juli 1925 bis August 1928 lebte sie in Frankreichs Hauptstadt und arbeitete unter anderem als Mode-Journalistin, als Mode-Zeichnerin (was bedeutete, dass sie bei den Modeschauen die Entwürfe der großen Designer „kopierte“) und letztendlich auch als Designerin, nur um zu dem Schluss zu kommen, dass es sie langfristig nicht reizte, „französische Mode“ für die High Society zu entwerfen. Stattdessen versuchte Elizabeth Hawes in den folgenden neun Jahren in New York als Designerin mit einer eigenen Kollektion und hochwertigen Maßanfertigungen Fuß zu fassen. Doch um diesen Traum zu finanzieren, musste sie immer wieder Abstecher in die Welt der Massenproduktion und Kaufhäuser machen, was bedeutete, dass sie auch diese Seite der Modeherstellung überraschend gut kennenlernte.

All diese Erfahrungen, die Elizabeth Hawes in dieser Zeit gesammelt hat, führen dazu, dass „Zur Hölle mit der Mode“ zu einer faszinierenden und unterhaltsamen Abrechnung mit der Welt der Mode und den unterschiedlichsten Produzenten und Anbietern wird. Die Autorin schreibt über den Unterschied von Stil und Mode, über die Arbeitsbedingungen, über die Erwartungen der Käuferinnen und die Geschäftsgebaren der verschiedenen Betriebe, die an der Herstellung von Kleidung beteiligt sind. Dabei hat Elizabeth Hawes viele amüsante Anekdoten zu erzählen, aber auch so einige Daten und Fakten zu präsentieren, die einem beim Lesen zu denken geben. Sie rechnet auf, welche Materialien zum Beispiel für ein hochwertiges Kleid benötigt werden, welche Arbeitszeit in die Herstellung fließt, welche zusätzlichen Elemente verwendet werden und zeigt so auf, wie der Preis für ein qualitatives Kleidungsstück entsteht.

Immer wieder geht Elizabeth Hawes darauf ein, welche Tricks Produzenten anwenden, um Material zu spare, und wie sie auf minderwertige Stoffe zurückgreifen, um ihre Kleidungsstücke möglichst billig herstellen zu können – und welche Folgen das für die Käuferinnen dieser Produkte hat. Sie scheut auch nicht davon zurück zu beschreiben, unter welche Bedingungen die Näher.innen arbeiten und welchen Lohn sie für ihre hochwertige Arbeit bekommen. Dabei ist es erschreckend, wie vertraut diese Beschreibungen klingen, auch wenn heutzutage die Näher.innen nicht mehr im Umland von Paris, sondern in Bangladesch oder ähnlichen Ländern leben. Für mich war „Zur Hölle mit der Mode“ wirklich eine spannende Lektüre, denn selbst Elemente, die ich schon kannte, bekamen durch die persönliche Perspektive der Autorin noch einmal eine andere Note.

Auch muss ich zugeben, dass ich es sehr angenehm fand, mal beim Lesen ein Buch in der Hand zu halten, das sich so wertig anfühlt. Normalerweise lese ich ja doch vor allem (Mass-)Paperbacks und im Vergleich dazu fühlen sich Buchleinen, ein gerundeter Rücken und qualitativeres Papier doch gleich ganz anders an. Überhaupt ist diese Ausgabe wirklich liebevoll hergestellt und bietet nicht nur Grafiken aus Modeveröffentlichungen, die zwischen 1882 und 1922 erschienen sind, sondern auch einen Überblick, der die von Elizabeth Hawes erwähnten Namen und Geschäfte einordnet, und ein Nachwort der Übersetzerin Constanze Derham. Ebenfalls muss ich betonen, dass man beim Lesen wirklich merkt, dass sich Constanze Derham sehr gut mit Mode (und den verwendeten Materialien) auskennt und dementsprechend auch das dazugehörige Vokabular beherrscht.

Umso bedauerlicher fand ich es, dass wohl einige Kapitel in der zweiten Hälfte des Buches beim Korrekturlesen im Bereich Kommasetzung ein bisschen zu kurz gekommen sind. Bei ein paar wenigen Kommafehlern hätte ich nichts gesagt, aber hier gab es ein paar Kapitel, die für mich deswegen nicht flüssig zu lesen waren – und ich bin jemand, dem das nur auffällt, wenn wirklich grundlegende Kommaregeln missachtet werden. Von diesem kleinen Makel abgesehen hat mir „Zur Hölle mit der Mode“ rundum wirklich sehr gut gefallen und mir Lust gemacht, mich wieder mehr mit dem Thema Mode(geschichte) zu beschäftigen. Nur gut, dass ich noch „Berlin Hausvogteiplatz – Über 100 Jahre am Laufsteg der Mode“ von Brunhilde Dähn und „Creating the Illusion“ auf dem Sachbuch-SuB liegen habe.