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Christopher Golden und Rachel Autumn Deering (Hrsg.): Hex Life – Wicked New Tales of Witchery (Anthologie)

Ich schwanke bei Anthologien immer, ob ich lieber welche lesen, in denen vertraute und bewährte Autor.innen versammelt sind, oder welche, in denen ich neue entdecken kann. „Hex Life“ lockte mich mit einer guten Mischung aus vertrauten und für mich neuen Autor.innen und einem Thema, das mich reizte. Und damit ich mich auch noch in einigen Jahren daran erinnern kann, was ich von dem Ganzen gehalten habe, gibt es hier wieder einen Sammelbeitrag zu den verschiedenen Kurzgeschichten.

1. Kat Howard: An Invitation to a Burning
Ich mochte die Grundidee sehr, dass jeder Ort Hexen benötigt – selbst wenn sie dort nicht gut behandelt werden -, damit all die kleine Alltagsmagie (wie das Aufgehen von Hefeteig) funktioniert. Und ich mochte die Entwicklung der Protagonistin Sage von einer bedrohten Frau zu einer Person mit eigener Macht sehr. Das war ein schöner Einstieg in die Anthologie und wenn diese Geschichte bezeichnend für den Ton in dieser Sammlung ist, wird es sehr spannend, all die anderen Autor.innen und ihre Ideen zum Thema zu entdecken.

2. Angela Slatter: Widow’s Walk
Ich muss gestehen, dass mich Angela Slatter schon mit dem Anfang ihrer Geschichte gut unterhalten hat, wo die Autorin beschreibt, wie vier sehr unterschiedliche Witwen, die natürlich im Ort als Hexen verschrien sind, gemeinsam in einem großen Haus leben. Noch mehr gefiel mir die Beschreibung davon, wie diese vier Witwen sich um andere Frauen kümmern (auch wenn die eine oder andere Lösung vielleicht etwas radikal ist) – das war wirklich hübsch zu lesen und bot so einige Momente zum Schmunzeln.

3. Kelley Armstrong: Black Magic Momma (An Otherworld Story)
Diese Geschichte hat mich nicht ganz so begeistert wie die beiden anderen, aber ich glaube, das lag daran, dass die Handlung einfach „klassische Urban Fantasy“ war. Und obwohl ich das normalerweise mag, habe ich die ungewöhnlicheren Erzählweisen von Kat Howard und Angela Slatter doch mehr gemocht. Für sich genommen ist „Black Magic Momma“ ein unterhaltsamer Einblick in das Leben der alleinerziehenden Eve und in die Gefahren, denen sich eine Hexe ausgesetzt sieht, die mit schwarzmagischen Elementen handelt.

4. Sarah Langan: The Night Nurse
Das war eine wirklich merkwürdige Geschichte. Die Handlung wird erzählt aus der Perspektive von Esme, die zu Beginn mit ihrem dritten Kind schwanger ist. Sie lernt in einem Museumsshop eine Frau namens Wendy kennen, die ihr anbietet, ihr in den kommenden Wochen als Night Nurse zur Seite zu stehen. Doch Wendy ist eine Hexe, und so gut sich all die Dinge anfühlen, die Esme auf Wendys Rat hin tut, so seltsam und unheimlich ist die Atmosphäre in der Geschichte – bis Esme am Ende Wendys Preis für ihre Arbeit zahlen soll. Sagte ich schon, dass ich die Geschichte merkwürdig fand? Das ist gerade wirklich das einzige Wort, das mir dazu einfällt …

5. Mary SanGiovanni: The Memories of Trees
Nachdem ich die vorhergehende Geschichte so seltsam fand, gefiel mir „The Memories of Trees“ wieder deutlich besser. Die Handlung spielt in einer dystopischen Welt, in der die Menschen – nach einem Zusammenbruch der technischen Gesellschaft – einen neuen Gott anbeten. Und weil die Menschheit nicht so recht lernfähig ist, wird dieser neue Glaube natürlich auch genutzt, um Menschen zu vernichten, die anders sind, die andere Vorstellungen vom Leben haben oder die gar Geschichten aus der Zeit vor dem Zusammenbruch der Gesellschaft erzählen. Doch als die Ältesten Martha und ihre Pflegetochter Ellena der Hexerei beschuldigen und hinrichten wollen, wecken sie damit uralte Kräfte. Ich bin immer wieder überrascht davon, wie sehr ich selbst heftig geschriebene „Rachemomente“ in Büchern genießen kann, wenn mir die Autor.innen das Gefühl geben, dass diese Heftigkeit gerechtfertigt ist oder durch die Natur der ausführenden Person begründet werden. Hier war es so, dass ich das Ende definitiv angemessen fand.

6. Rachel Caine: Home (A Morganville Vampires Story)
Es ist lange her, dass ich die ersten Morganville-Vampirgeschichten gelesen habe, und ich muss zugeben, dass meine Erinnerungen daran nur noch sehr vage sind. Trotzdem habe ich diese Kurzgeschichte sehr genossen, weil es Rachel Caine gelingt, nicht nur die Figuren (selbst ohne Hintergrundwissen) interessant und glaubwürdig zu gestalten, sondern auch ihre Befürchtungen so darzustellen, dass man ihre Reaktionen und Handlungen nachvollziehen und ihre Ängste teilen kann. In der Geschichte, die aus der Sicht von Shane erzählt wird, eröffnet eine Hexe einen Coffeeshop in Morganville, was aus gleich mehreren Gründen die Vampire in Panik versetzt. Trotz all der düsteren und traurigen Untertöne gab es eine Menge amüsanter Momente – ich finde es immer wieder schön, wenn eine Autorin ein Händchen dafür hat, diese gegensätzlichen Emotionen beim Lesen in mir hervorzurufen. Ich denke, ich sollte die Morganville-Romane jetzt doch mal ernsthafter auf die „irgendwann kaufen und lesen“-Liste setzen. 😉

7. Jennifer McMahon: The Deer Wife
Eine nette Geschichte über Jules, die sich in die Hexe des Waldes verliebt. Dass diese Hexe nicht nur rätselhaft, liebevoll und voller Wissen, wenn es um Magie und den Wald geht, ist, sondern auch ihre dunklen Seiten hat, ignoriert Jules lieber. Ich mochte die schönen Aspekte der Beziehung zwischen Jules und der Hexe, hatte aber ein bisschen Probleme damit, dass die Protagonistin so eine Vermeidungshaltung an den Tag legt, wenn es um die düsteren Folgen ihrer Beziehung geht. Alles in allem war die Geschichte nett, aber sie hat nicht gerade viele Spuren bei mir hinterlassen, die auch nach dem Lesen noch nachklangen.

8. Kristin Dearborn: The Dancer
Diese Geschichte wird aus Sicht von Paul Baker erzählt, der von der Familie Weaver gerufen wurde, weil es seit einiger Zeit rund um ihre siebzehnjährige Tochter Ani Poltergeist-Aktivitäten gibt. Für Baker steht schnell fest, dass die Umgebung für Ani nicht die richtige ist, doch da ihre Eltern nicht gerade verständnisvolle Menschen sind, kommt es einige Zeit später zu einer Eskalation. Ich mochte an der Geschichte, wie Kristin Dearborn mit der Frage spielt, wer dort „gut“ und wer „böse“ ist, und ich mochte Paul Bakers Perspektive. So habe ich mich gut unterhalten gefühlt, auch wenn die Handlung insgesamt etwas vorhersehbar war.

9. Hillary Monahan: Bless Your Heart
Hillary Monahan hat mit „Bless Your Heart“ eine schön böse Geschichte geschrieben, in der man als Leser mitverfolgt, wie die Protagonistin Audrey nach viel zu vielen Jahren, in denen ihr Sohn Tucker gemobbt wurde, dafür sorgt, dass ihm in Zukunft nie wieder etwas passiert. Es gibt gerade zum Ende der Geschichte ein paar unappetitliche Elemente, aber das passt zu Audreys Sumpfhexen-Magie, und ich mochte, wie sich die Handlung von einer – wenn auch sehr wütenden – häuslichen Backszene zu diesem eher ekelerregenden Rachemoment entwickelte.

10. Ania Ahlborn: The Debt
„The Debt“ ist eine wirklich böse, feine Geschichte mit einem klassischen Märchenanfang, bei dem ein Vater nach dem Tod seiner Frau seine Tochter im Wald aussetzt. Doch hier wird Karolin nicht einfach nur ihrem Schicksal überlassen und stolpert zufällig über ein Hexenhäuschen, sondern das Mädchen ist dazu da, eine alte Schuld abzutragen. Auch wenn die Handlung etwas vorhersehbar ist, fand ich die Geschichte sehr schön rabenschwarz und gut geschrieben.

11. Sherrilyn und Madoug Kenyon: Toil and Trouble (A Dark-Hunter Hellchaser Story)
Ich muss gestehen, ich weiß nicht so recht, was ich von dieser Kurzgeschichte halten soll. Ich mochte den Anfang, wo es um drei Hexen ging, die ihr Leben lang anderen Personen die Zukunft vorhergesagt haben, und wo in jedem Satz die Frustration zu spüren war, dass diese Personen immer die gleichen Fragen stellten und nie auf die Ratschläge der Hexen hörten. Der Rest der Geschichte drehte sich um ihre Auszubildende, die die Hexen hasst und kein Verständnis für ihre Lebens- und Denkweise hat. Vielleicht hätte ich mehr mit der Geschichte anfangen können, wenn ich mehr über die Autoren oder ihre anderen Veröffentlichungen wüsste – ich muss aber gestehen, dass mich dieser kleine Ausflug in ihre fantastische Welt nicht davon überzeugt hat, dass ich davon mehr lesen wollen würde.

12. Tananarive Due: Last Stop on Route Nine
Eine Geschichte mit sehr viel Südstaaten-Feeling über Charlotte und ihren Neffen Kai, die nach der Beerdigung von Charlottes Großmutter vom Weg abkommen. Das Ganze war etwas seltsam, aber auch schön unheimlich und definitiv ein Argument dafür, seinen Instinkten zu vertrauen und die Gefühle einer Person nicht abzutun, nur weil sie jung und verstört ist.

13. Rachel Autumn Deering: Where Relics Go to Dream and Die
Die Geschichte war überraschend eindringlich, nicht schön, nicht romantisch, aber gerade deshalb etwas, das vermutlich noch eine ganze Weile in mir nachklingt. Ich kann nicht mal sagen, ob ich das Ganze mochte, aber ich finde Rachel Autumn Deerings Erzählweise interessant, ich mochte, wie sie einer recht friedlichen Sterbeszene und einem erfüllten Traum so eine böse Wendung gab.

14. Amber Benson: This Skin
Eine zwar nicht ungewöhnliche, aber sehr gut geschriebene Geschichte über ein Mädchen, das früher mal an Hexerei interessiert war. Ich weiß gar nicht, wie ich darüber schreiben soll, ohne zu viel zu verraten. Aber es geht um einen Mord und eine Zehnjährige, die der Meinung ist, sie hätte einen würdigen Gegner in dem Polizisten gefunden, der ihre Zeugenaussage aufnimmt, nachdem sie den Fund von fünf Leichen gemeldet hat. Keine schöne Geschichte, aber ich mochte die Erzählweise von Amber Benson und die kleinen Wendungen in der Handlung.

15. Chesya Burke: Haint Me Too
Eine sehr gute Geschichte, die aus der Perspektive der elfjährigen Shea erzählt wird, deren Eltern für eine Plantage im Süden der USA arbeiten und die auch vierzig Jahre nach der Befreiung der Sklaven immer wieder gegen Weiße ankämpfen müssen, die alles dafür tun, um die „früheren Verhältnisse“ wiederherzustellen. Ich mag, wie Shea sich im Laufe der Handlung verändert, auch wenn ich mir wünschte, sie hätte nicht zu solchen Mitteln greifen müssen, um sich und ihre Familie in Sicherheit zu bringen.

16. Helen Marshall: The Nekrolog
Diese Geschichte wird aus zwei (eigentlich sogar drei) Perspektiven erzählt, und während die eine sich recht „normal“ anfühlt mit all den Gedanken über die Verwandtschaft der Erzählerin und über ihre Schul- und Studienzeit, so berichtet die zweite Perspektive von einem erschreckenden und verstörenden Leben in einem Regime, dem Menschenleben recht gleichgültig sind. Ich mag die Gegensätzlichkeit dieser beiden Erzählstränge und dass sie sich gerade deshalb so gut ergänzen – es ist schwer, mehr über die Geschichte zu sagen, aber ich glaube, dass ich sie noch eine ganze Weile mit mir herumtragen werde.

17. Alma Katsu: Gold Among the Black
„Gold Among the Black“ spielt in einer mittelalterlichen Welt und dreht sich um die dreizehnjährige Waise Greta, die nur ihren Hund Jesper hat. Es gibt ein paar Elemente, die ich an dieser Geschichte mag – ein bisschen erinnert sie mich an „Die gewöhnliche Prinzessin“ von M. M. Kaye, nur dass diese ein Wohlfühlbuch ist, während Alma Katsu sich auf die gefährlicheren und düsteren Seiten eines Lebens als Dienstmädchen in einem Schloss konzentriert. Am Ende fand ich Gretas Geschichte aber etwas unbefriedigend, weil ich mich über den Grund, aus dem sie ihre Entscheidung fällte, ärgerte und das Gefühl hatte, dass man aus der Grundidee so viel mehr hätte machen können.

18. Theodora Goss: How to Become a Witch-Queen
Was für ein wundervoller Abschluss für diese Anthologie! Theodora Goss erzählt in „How to Become a Witch-Queen“ von Schneewittchen, die nach dem Tod ihres Mannes einen Weg für ihr weiteres Leben finden muss. Sie hat keine Lust, länger ihr Leben nach den Wünschen anderer auszurichten, und so muss sie all ihren Einfallsreichtum und ihre Ressourcen aufwenden, um sich eine selbstbestimmte Existenz aufzubauen. Falls sich nun jemand fragen sollte, was das mit einer Anthologie rund um Hexen zu tun hat: „It’s much easier to be a queen when you’re also a witch!“ Nachdem ich dieses Geschichte gelesene habe, muss ich mir doch mal „The Strange Case of the Alchemist’s Daughter“ von der Autorin anschauen, obwohl ich den Klappentext – trotz diverser Lobpreisungen aus vertrauenswürdigen Quellen 😉 – bislang nicht besonders reizvoll fand.

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Abschließen kann ich sagen, dass diese Anthologie wirklich eine spannende und bunte Mischung zu bieten hatte, und ich mochte es sehr, dass ich nie vorhersagen konnte, in welche Richtung sich die nächste Geschichte bewegen und ob sie mir gefallen würde. Allerdings hatte (neben „How to Become a Witch-Queen“) nur eine Geschichte für mich so etwas wie einen „Wohlfühlfaktor, und weil ich so gern an „The Widow’s Walk“ zurückdenke, habe ich mir prompt den Verity-Fassbender-Reihen-Auftakt von Angela Slatter als eBook gegönnt und bin gespannt, ob ich die Autorin in Romanlänge auch lesen mag.