Eigentlich hatte ich ja die Sachbuch-Challenge für dieses Jahr geplant, um mal meinen Sachbuch-SuB in Angriff zu nehmen, aber bevor ich das tun kann, musste ich erst einmal die aus der Bibliothek ausgeliehenen Bücher vor Ablauf der Ausleihzeit lesen. „exit RACISM“ von Tupoka Ogette hatte ich irgendwann im vergangenen Herbst vorgemerkt, und da so viele Menschen den Titel lesen wollten, hat es bis Ende Dezember gedauert, bis ich das Buch in die Finger bekam. Irgendwie finde ich es schön, dass sich so viele Personen mit diesem Thema auseinandersetzen. Denn auch wenn die meisten Menschen, die ich kenne, nicht bewusst rassistisch sind, sind wir doch alle mit einem allgemeinen Alltagsrassismus aufgewachsen, der es notwendig macht, dass wir immer wieder über unser Verhalten und unsere Vorurteile nachdenken.
Tupoka Ogette hat sich beim Schreiben von „exit RACISM“ an den von ihr durchgeführten Anti-Rassismus-Seminaren orientiert, was das Buch zu einer sehr guten Lektüre für Personen macht, die gerade anfangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Dabei startet sie mit einer Erklärung zum „Happyland“ – ein Begriff, den ein Seminarteilnehmer von ihr geprägt hat, als er sein Leben vor dem Anti-Rassismus-Seminar (als er sich dank seiner Ignoranz noch in einem „Happyland“ wähnte) mit seinem Leben danach verglich. Trotz seiner Kürze (das Buch umfasst gerade mal 130 Seiten) geht die Autorin mit „exit RACISM“ auf viele verschiedene Themen rund um Rassismus in Deutschland ein. Sie macht nicht nur deutlich, wo und wie Schwarze Personen und People of Color in Deutschland tagtäglich mit Rassismus konfrontiert werden, sondern auch, welche Folgen das für das Leben der von diesem Alltagsrassismus betroffenen Personen hat.
Dabei ist der Ton, den Tupoka Ogette verwendet, freundlich und sogar regelrecht verständnisvoll, sie wirft den Leser.innen den vorhandenen Rassimus nicht vor, sondern fordert dazu auf, das eigene Denken und Verhalten anhand der verschiedenen Fakten und geschilderten Situationen zu überdenken. Immer wieder gibt es Stellen in dem Buch, an denen Raum für diese Reflexionen geboten wird, an denen Fragen gestellt werden, die einen dazu bringen sollen, dass man seine eigenen Gefühle und Gedanken zu den eben gelesenen Passagen überdenkt. Dem vorangestellt wurden die fünf Phasen, die normalerweise ihre Seminarteilnehmer durchlaufen, wenn sie mit dem Thema Rassismus konfrontiert werden. Diese Phasen sind Happyland, Abwehr, Scham, Schuld und Anerkennung, so dass man jederzeit überprüfen kann, in welcher Phase man sich während des Lesens befindet.
Ergänzt werden viele der Kapitel durch QR-Codes, die einen mit der dementsprechenden App zu Videos bringen sollen, die Interviews oder Dokumente zeigen, die das jeweilige Thema vertiefen. Da ich leider kein Gerät besitze, mit dem ich die Codes hätte auslesen können, waren diese für mich nicht nutzbar. Ich habe allerdings ein paar der Videos durch die Nutzung der Suchmaschine finden können – habe mir aber nicht bei allen die Mühe gemacht, weil ich normalerweise den Laptop bewusst außer Reichweite halte, wenn ich lese, damit ich mich auf meine Lektüre konzentrieren kann. Die QR-Codes aber sind auf jeden Fall eine gute Möglichkeit für Menschen, die gern mehr als nur eine Zusammenfassung oder ein Zitat aus einer Dokumentation oder einem Interview sehen möchten, um einen intensiveren Eindruck zu bekommen. Insgesamt bietet „exit RACISM“ dem Leser ein gutes Fundament, um sich über die Geschichte des Rassismus in Deutschland und über die Auswirkungen von Rassismus (nicht nur für die Betroffenen) zu informieren, um über sein eigenes Verhalten nachzudenken und aktiv gegen den (häufig unbewussten) Alltagsrassismus in seinem eigenen Leben und seinem Umfeld angehen zu können.