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Nnedi Okorafor: Akata Witch

Auf „Akata Witch“ von Nnedi Okorafor bin ich im letzten Jahr über Jim Hines Rezension (wer den Link öffnet, kann gleich noch diese Rezension lesen, die aus Igbo-Sicht über das Buch schreibt) aufmerksam geworden. Da ich den Schauplatz (Nigeria) ebenso interessant fand, wie die Protagonistin Sunny, habe ich den Roman auf meinen Wunschzettel gesetzt, zum Geburtstag geschenkt bekommen – und dann aufgehoben, bis ich in der richtigen Stimmung für die Geschichte war. 😉 In den letzten Tagen war es endlich soweit, nachdem ich nicht nur mehrere Titel, die sich in irgendeiner Form mit Afrika beschäftigten, gelesen habe, sondern auch eine Woche Urlaub hatte.

Sunny ist ein zwölfjähriges Mädchen, gehört zu den Igbo und lebt seit drei Jahren in Nigeria, nachdem sie die ersten neun Jahre ihres Lebens in den USA verbracht hat. Außerdem ist Sunny ein Albino und erträgt aufgrund ihrer empfindlichen Haut die Sonne nicht. Was mir an Sunny von Anfang an gefiel, war, dass sie es zwar nicht einfach hat – sie hat von klein auf damit leben müssen, dass sie „anders“ ist und das Gefühl hat sich durch die Rückkehr ihrer Eltern nach Nigeria nur noch verstärkt -, dass sie aber nicht darüber jammert. Sie ist schon mal wütend oder resigniert, sie weiß aber auch, dass sie eben das Beste aus ihrer Situation machen muss. Noch komplizierter wird ihr Leben, als sie herausfindet, dass sie zu den „Leopard People“ gehört, zu den Menschen, die Magie wirken können.

Die Handlung in „Akata Witch“ (Akata ist übrigens ein verächtliches nigerianisches Wort für Menschen, die zwar afrikanischstämmig sind, aber in Amerika geboren und aufgewachsen sind) ist relativ klassisch für ein fantastisches Jugendbuch: Ein Kind findet heraus, dass es besondere Fähigkeiten hat, dass neben der „normalen“ Gesellschaft noch eine magische Parallelgesellschaft existiert (und bitte verkneift euch an dieser Stelle den Harry-Potter-Ruf) und dass es etwas Böses gibt, das bekämpft werden muss. Nnedi Okarafor macht aus diesem Grundrezept aber eine für mich besondere Geschichte, nicht nur dadurch, dass die Handlung spürbar in Nigeria spielt und es immer wieder Verweise auf die Igbo- und andere (west-)afrikanische Kulturen gibt, sondern auch durch die Darstellung ihrer Figuren.

Sunny, ihre Freunde und die Mentoren, die die Jugendlichen im Laufe der Zeit gewinnen, sind wunderbar überzeugende Charaktere. Jeder einzelne fühlt sich unverwechselbar an und jeder hat seine kleinen Macken und Vorzüge. Und bei allen Reibereien steht für die vier Jugendlichen doch fest, dass sie Freunde sind und zusammenarbeiten müssen. Die Handlung schreitet relativ langsam voran, was ich persönlich sehr angenehm fand, denn so hatten die verschiedenen Figuren die Möglichkeit zu lernen und sich zu entwickeln. Dazu hat die Autorin immer wieder kleine – mehr oder weniger – alltägliche Momente einbaut, die zeigen wie das „normale“ und das magische Leben von Sunny nebeneinander existiert und welche Schwierigkeiten sich daraus ergeben.

Ich weiß gar nicht, wie ich all die kleinen Dinge beschreiben soll, die ich an diesem Roman so sehr gemocht habe. Es gelingt Nnedi Okorfor ganz viele Themen anzusprechen, die nicht nur für die jugendlichen Leser, sondern allgemein relevant sind, ohne dass sie dabei je das Gefühl vermitteln wurde, sie würde den Zeigefinger heben und jetzt etwas Wichtiges sagen. Sunny vergleicht immer mal wieder ihr Leben mit dem ihrer Brüder oder denkt darüber nach wie schwierig es für Mädchen ist in eine Fußballmannschaft aufgenommen zu werden, weil das eben reine Jungen-Mannschaften sind. Aber es gibt auch Szenen, in denen z.B. die Vorurteile der einzelnen Volksgruppen innerhalb Nigerias angedeutet werden oder in denen es um Rassismus in den USA geht. All das wird ganz natürlich in die Geschichte eingeflochten, weil es eben zum Leben der Protagonisten gehört.

„Akata Witch“ war für mich ein unterhaltsamer, spannender und auch lehrreicher Urban-Fantasy-Roman und hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich gleich nach dem Lesen die weiteren Romane der Autorin auf meine Merkliste gesetzt habe. Ich mochte auch all die Elemente, die zu der – zum Teil wirklich schrecklichen und tödlichen – magischen Welt, die die Autorin geschaffen hat, gehörten. Zusätzlich fand ich es toll, dass Sunny und ihre Freunde zwar in gewisser Weise „auserwählt“, aber in ihrer Gesellschaft definitiv nicht unersetzlich sind. Ich wünschte, ich könnte mehr über die Magie oder die besonderen Wesen oder all die anderen Sachen schreiben, aber da es für mich so schön war all diese Dinge beim Lesen zu entdecken, halte ich mich da lieber zurück. Ach ja, die Geschichte ist meiner Einschätzung nach für Leser ab zehn Jahren geschrieben worden, ist aber – wie man an meiner Begeisterung sehen kann – auch für erwachsene Leser gut geeignet.