Auf „Mit anderen Worten: ich“ von Tamara Ireland Stone bin ich durch Anjas Rezension anlässlich der Nominierung des Buches für den Deutschen Jugendliteraturpreis aufmerksam geworden. Genauer gesagt hat mich ihre Aussage zu den Gedichten im Buch („Und auch wenn ich eigentlich kein großer Lyrikfan bin, haben die vorgetragenen Gedichte mein Herz berührt oder mich zum Lachen/Weinen gebracht.“) dazu gebracht, dass ich den Roman in der Bibliothek habe vormerken lassen. (An dieser Stelle noch einmal ein Hoch auf die Stadtbibliothek, die mich entgegen all meiner Vorhaben immer wieder davon abhält, meinen SuB zu lesen, und mich stattdessen mit ihrem weit gefächerten Angebot zum Ausleihen der unterschiedlichsten Titel verführt!)
„Mit anderen Worten: ich“ wird aus der Perspektive der sechzehnjährigen Samantha (Sam) erzählt, deren Leben davon bestimmt wird, dass sie ihrer Umgebung ihre Zwangsstörung verheimlicht. Sam ist schon seit Jahren in Therapie und auch ihre Mutter wurde speziell geschult, um mit den Problemen ihrer Tochter umgehen zu können. Neben ihrem ganz persönlichem Verhältnis zur Zahl 3 (sie drückt dreimal auf einen Aufzugknopf, kann nur dann ihr Auto parken, wenn der Tacho am Ende auf einer drei steht und ähnliches) sind extreme Gedankenspiralen Sams Problem. So verfolgt man auch schon zu Beginn der Geschichte, wie eine unangenehme Situation mit ihren Freundinnen und der Anblick einer Schere dazu führen, dass sich Sam in die Vorstellung reinsteigert, was sie alles mit dieser Schere anrichten könnte. Ihre eigenen Gedanken und die Tatsache, dass sie diese nicht ohne Hilfe loslassen kann, machen ihr unglaubliche Angst. Da hilft es auch nicht, dass ihre Mutter und ihre Therapeutin ihr immer wieder versichern, dass ihre Gedanken nicht schlimm sind, dass ihre Gedanken sie nicht zu einer schlimmen Person machen und dass sie sich sicher sind, dass sie diese Gedanke nicht in die Tat umsetzen würde.
So besteht Sams Leben lange Zeit daraus, mit ihren psychischen Problemen fertigzuwerden und dafür zu sorgen, dass ihr Umfeld (also alle Personen außerhalb ihrer Familie) nichts von ihren Zwangsstörungen mitbekommt. Erst als Sam Caroline kennenlernt und über diese in den geheimen Dichterclub an der Schule gerät, scheinen die Zwangsstörungen und die Heimlichtuerei drumherum nicht mehr das beherrschende Thema in Sams Leben zu sein. In dem versteckten Raum unter dem Schultheater findet sie andere Menschen ihres Alters, die ebenfalls Probleme haben und die durch ihre Gedichte über ihre größten Ängste, aber auch über die schönen Dinge in ihrem Leben reden können. Die Tatsache, dass Sam in den anderen Mitgliedern des Dichterclubs Freunde findet, die nicht über sie und ihre Probleme urteilen, gibt ihr die Chance, einen neuen Weg für sich zu finden – so wie die Gedichte, die sie in den kommenden Wochen schreibt, ihr ein neues Ventil für ihre Gedanken bieten.
Ich mochte die Perspektive von Sam sehr und dass sie – trotz ihrer psychischen Probleme – von der Autorin als normales und (relativ) beliebtes Mädchen und nicht als „Freak“ dargestellt wurde. Auch gefielen mir die Szenen zwischen Sam und ihrer Therapeutin, weil diese von einem wunderbaren Vertrauensverhältnis zeugten und von der Entwicklung, die das Mädchen über die Monate durchmacht. Ich fand es sogar gut, dass diese Veränderungen sich auch in ihrem Freundeskreis widerspiegeln und dass Tamara Ireland Stone die Geschichte so geschrieben hat, dass Sam immer noch die Chance hatte, sich an die schönen Momente ihrer Freundschaft der „Verrückten Acht“ zu erinnern, statt einfach von einem Tag auf den anderen diesen langjährigen Freundinnen den Rücken zu kehren. Ein Bruch mit diesen unangenehmen Freundinnen hätte Sam bestimmt gutgetan, aber es hätte die Mädchen, die sie schon seit Kindergartenzeiten kennt, nicht verändert und sie vermutlich mehr belastet, als die Suche nach einem gesünderen Umgang mit diesem Freundeskreis es tat.
Oh, und dann gibt es noch eine kleine Liebesgeschichte in „Mit anderen Worten: ich“, die ich – obwohl ich doch sonst so gern die Liebesgeschichten in Jugendbüchern kritisiere – ganz wunderbar finde, weil die beiden sich langsam anfreunden und lernen müssen, mit den Problemen und der Vergangenheit des anderen umzugehen. Das war wirklich hübsch und realistisch dargestellt und sehr süß zu verfolgen. Am Ende der Handlung gibt es eine überraschende Wendung, die anscheinend den einen oder anderen Leser nicht so ganz überzeugen konnte. Für mich war diese Entwicklung okay, ich hätte sie nicht gebraucht, aber als Mittel für die letzte Wendung der Geschichte hat sie funktioniert. Und auch wenn man den Roman ein zweites Mal liest und dabei diesen Punkt im Hinterkopf behält, passt alles zueinander und verstärkt sogar noch das Gefühl des Lesers für die Herausforderungen, die Samanthas Zwangsstörungen ihr jeden Tag bereiten. Am Ende kann ich sonst nur noch sagen, dass ich Anjas Aussage zu den Gedichten unterschreiben kann – sie waren teils berührend, teils amüsant und perfekt für diese Geschichte.
Oh, das klingt sehr gut.
Das Buch wird gleich mal auf meine Wunschliste wandern. Danke für's Vorstellen 🙂
Huhu Tine, schön mal wieder was von dir zu hören! 🙂 Dann hoffe ich, dass dir das Buch so gut gefällt wie mir, wenn es irgendwann bei dir einziehen sollte. 🙂
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