Warum ich Debütromane so mag

Mir ist schon vor einiger Zeit aufgefallen, dass ich immer relativ schnell bereit bin, interessant wirkende Debütromane auf meine Wunschliste zu setzen. Das liegt natürlich auch daran, dass Debütromane den Vorteil haben, dass ich bei Gefallen nicht vor einer endlosen Backlist stehe, die ich mir gern auch noch anschaffen möchte. Aber häufig sind die Debütromane (oder erste Veröffentlichungen) auch die Titel meiner Lieblingsautoren, die mir langfristig am besten gefallen. Natürlich bietet ein guter Debütroman immer auch die Möglichkeit, dass man da einen Autor für sich entdeckt hat, der viele Jahre an seinem Erstlingswerk gearbeitet hat und unter Zeitdruck oder nach einem ersten Erfolg nicht in der Lage ist, noch einmal ein so gutes Buch zu schreiben. Aber selbst bei den Autoren, die mit jeder Veröffentlichung besser werden und deren Werke ich über Jahre hinweg in all ihren Entwicklungsstadien sehr genieße, muss ich mir realtiv oft eingestehen, dass es die frühen und unvollkommeneren Geschichten dieser Autoren sind, die mir besonders am Herzen liegen.

Vom Kopf her ist mir das manchmal unangenehm, denn ich sehe ja den Qualitätsunterschied zwischen den früheren und den späteren Werken. Ich sehe die Verbesserung in der Erzählweise, die zunehmende Komplexität der Charaktere, den stimmigeren Weltenbau und ganz allgemein die höhere Professionalität. Auf der anderen Seite bin ich eine sehr emotionale Leserin, und oft fällt mir auf, dass eine höhere Professionalität bei einem Autor auch bedeuten kann, dass er meine Gefühle nicht mehr so anspricht wie mit seinen früheren Werken. Ich brauche das nicht unbedingt, um von einer Geschichte begeistert zu sein, aber ich genieße es sehr, wenn ich beim Lesen auch emotional involviert bin. Trotz dieser Erkenntnisse (und des leichten Unbehagens darüber, dass ich Qualität vielleicht nicht ganz so zu würdigen weiß, wie sie es verdient hätte 😉 ) habe ich nie eine treffende Beschreibung für dieses ganz bestimmte Element gefunden, dass mir häufig in späteren Werken eines Autors fehlt.

Und dann bin ich kürzlich über einen Twitter-Thread von Kelly McCullough gestolpert, der darüber schrieb, dass er die Zeit vermisst, als er noch ein relativ unerfahrener Autor war. Die Phase, als er schon wusste, was (für ihn) funktioniert, um eine Geschichte zu erzählen, aber noch nicht so viel übers Schreiben gelernt hatte, dass er eine anhaltende Kontrolle über sein Tun hat. Sein Fazit war:

„I think that what I’m doing is much better now, and I know it’s more sophisticated and that I’m accomplishing more with fewer words, but there is a raw freshness to those early stories that is all but impossible to replicate from a place of experience.“ (Kelly McCullough in einem Tweet vom 20. November 2018)

Ich glaube wirklich, dass es diese „raw freshness“ ist, die mich bei Debütromanen so anmacht, und die sich nur wenige Autoren auch langfristig erhalten, indem sie immer wieder experimentieren und sich auf eine Weise herausfordern, die dafür sorgt, dass sie nie so ganz in Professionalität und Routine versumpfen. Während einige andere Autoren anscheinend so glücklich sind mit dem Weg, den sie für sich gefunden haben, dass sie mich als Leserin irgendwann verlieren, weil ich das Gefühl habe, dass sie immer wieder die gleiche Geschichte mit den gleichen Elementen erzählen – nur eben ohne diesen Funken, der in ihren ersten Veröffentlichungen zu finden war.

5 Kommentare

    • Bewusst habe ich da eigentlich auch nie drauf geachtet, aber es ist mir in letzter Zeit verstärkt aufgefallen, wenn ich Titel auf die Merkliste gesetzt oder „Wiedersehen“ mit meinen alten Büchern gefeiert habe.

  1. Interessant 🙂 Aus einem immerhin ähnlichen Grund lese ich immer mal wieder gerne Bücher von kleineren Verlagen oder auch Selfpublishern. Meist lesen sich die Geschichten auch dort nicht so geglättet und routiniert, auch das Lektorat scheint nicht so stark einzugreifen, aber oft (natürlich nicht immer) stecken schöne und noch etwas unverbrauchte Ideen darin. Teilweise mag ich gerade das Imperfekte daran. Ich lese ja viele Bücher und dann stört es mich schon, wenn sich verschiedene Bücher ganz ähnlich lesen, weil sie eben so auf den Massengeschmack getrimmt wurden.

    • Mir kommen so selten Bücher von kleinen Verlagen unter die Nase (Selfpublisher sehe ich hingegen dank Kickstarter und Patreon genügend, um zugunsten meines Geldbeutels dicke Grenzen zu setzen, welche Künstler und Projekte ich noch unterstütze) und ich muss zugeben, dass ich auch selten aktiv danach suche. Aber ich freue mich immer, wenn mir etwas unter die Nase gehalten und empfohlen wird, das bei einem kleinen Verlag erschienen ist. Wobei ich zugeben muss, dass es mir dann schon wichtig ist, dass zumindest die Form stimmt und ich nicht über zu viele Rechtschreib-, Grammatik- oder „da hat jemand ein Wort geändert, aber nicht im gesamten Text“-Fehler stolpere. 😉

  2. Es gibt inzwischen so viele kleinere Phantastik-Verlage in Deutschland 🙂 Es macht Spaß, dort hin und wieder etwas zu entdecken, auch wenn mir meist nicht das ganze Programm gefällt. Auf meinem Winterstapel liegt zum Beispiel ein richtig schön aufgemachtes Buch der Edition Phantasia. Ich glaube, die Zeiten schlecht gemachter Bücher in diesem Bereich sind eher vorbei, auch wenn es sicher Ausnahmen gibt. Viele Käufer achten ja auch auf die Optik.
    Es kommt allerdings ab und an mal vor, dass ich über einen merkwürdigen Ausdruck stolpere.

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