Was schön war (2)

Auch in diesem Jahr haben wir uns Urlaub genommen, um das japanische Filmfest, das jährlich in unserer Stadt stattfindet, genießen zu können. Da wir uns bei dem Gedanken unwohl fühlten, dass wir stundenlang in schlecht gelüfteten und voll besetzten Kinosälen sitzen würden, haben wir uns wieder auf das Online-Angebot beschränkt. Was bedeutete, dass wir nicht alle Filme des Festivals zur Auswahl hatten, aber insgesamt haben wir zwischen dem 31. Mai und 06. Juni eine bunte Mischung japanischer Filme genießen können.

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Am ersten Abend haben wir „They Say Nothing Stays the Same“ geschaut, weil ich hoffte, dass uns das Regiedebüt von Joe Odagiri nicht nur schöne Landschaftsaufnahmen, sondern auch eine nette Geschichte rund um einen alten Fährmann präsentieren würde. Die Handlung spielt Ende des 19. Jahrhunderts und dreht sich darum, dass der Bau einer Brücke den Fährmann Toichi (Akira Emoto) in absehbarer Zeit arbeitslos machen wird. Der Kern der Handlung ist natürlich, dass es keinen Stillstand gibt und sich alles ständig ändert, und eine gewisse Melancholik ist bei dem Thema natürlich zu erwarten, vor allem, wenn die Handlung aus Sicht einer Person erzählt wird, die durch den Wandel ihren Lebensunterhalt verliert. Dummerweise erzählt Joe Odagiri seine Geschichte voller Plattheiten und Wiederholungen, und seine einzige Aussage scheint „früher war alles besser“ zu sein. Außerdem greift er in seinem Film nicht nur auf Handlungselemente zurück, die unnötig brutal sind, sondern er scheint seine Zuschauer auch für begriffsstutzig zu halten, so dass er seine Botschaften immer wieder wiederholt und am Ende sogar mehrfach von den diversen Figuren aussprechen lässt. Ich muss gestehen, dass ich bis zur Hälfte des Films noch die Hoffnung auf überraschende Elemente und Wendungen hatte, die das Ganze vielleicht hätten retten können, außerdem waren die Naturaufnahmen wirklich wunderschön und haben mich bis dahin über die nervigeren Elementen hinweggetröstet. Aber insgesamt wuchs meine Frustration mit dem Film im Laufe des Abends immer mehr und mein Mann meinte am Ende, dass er es wirklich bedauert, dass er für so etwas mehr als zwei Stunden seiner Urlaubszeit aufgewandt hat.

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Am zweiten Tag haben wir den Film „Ninja Girl“ geschaut – für uns beim Anschauen des Programms der vielversprechendste Film, aber leider war diese Satire dann doch ein Enttäuschung. Die Grundidee klang nett (junge, schüchterne Beamtin bekommt von ihrem Großvater auf dem Sterbebett erzählt, dass sie von einer Ninja-Familie abstammt, und den Auftrag erteilt, seinen Kampf gegen die rassistische Stadtverwaltung weiterzuführen) und ich denke immer noch, dass sich daraus ein sehr cooler Film hätte machen lassen können. Aber am Ende war ich richtig frustriert beim Angucken, weil es so unendlich viele unlogische Handlungselemente in dem Film gab (sowohl was die Motive der Figuren anging, als auch bei so einfachen Dingen wie zeitliche Abfolge der Ereignisse) und wir so oft das Gefühl hatten, dass Yu Irie (der für Drehbuch und Regie verantwortlich war) sich einfach nur gefragt hat, welche Szenen er gern in seinem „Ninja-Film“ sehen würde, ohne sich darüber Gedanken gemacht zu haben, wie diese Szenen in die Gesamthandlung passen würden.

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Nach einem Tag Pause, damit wir uns etwas von den Enttäuschungen erholen konnten, haben wir uns an „The Sunday Runoff“ gewagt und damit zum Glück genau die Art von Film präsentiert bekommen, die wir davon erwartet hatten. Die Handlung dreht sich um Tsutomu Tanimura (Masataka Kubota), der als Privatsekretär für den Politiker Shohei Kawashima im Unterhaus des japanischen Parlaments arbeitet. Als sein Chef einen Schlaganfall erleidet, wird dessen älteste Tochter Yumi (Rie Miyazawa) als Nachfolgerin ausgewählt – vor allem, weil die Parteikollegen davon ausgehen, dass die Frau leicht manipulierbar sein wird. Doch Yumi Kawashima ist alles andere als eine gefügige Marionette, und sowohl ihre verwöhntes Wesen als auch ihre unberechenbare Art machen Tsutomu das Leben ziemlich schwer. „The Sunday Runoff“ ist eine sehr solide gemachte Komödie über die Korruption in der (japanischen) Politik, über die Machenschaften der etablierten Politiker und die Geschäftsmänner und Lobbyisten, die hinter diesen Personen stehen, und wir haben uns beim Anschauen sehr gut unterhalten gefühlt. Ich weiß nicht, wie viel ich langfristig von dem Film noch in Erinnerung behalten werde, aber die fast zwei Stunden, die wir mit den Charakteren verbracht haben, haben viel Spaß gemacht (und in mir immer wieder Erinnerungen an die Dokumentation „i – Documentary Of The Journalist“ geweckt, in der viele alte japanische Politiker gezeigt werden, die sich ihrer Macht und Position nur allzu gewiss sind).

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Der letzte Film des japanischen Filmfestivals in diesem Jahr war für uns „Salaryman“ von der costa-ricanischen Künstlerin und Fotografin Allegra Pacheco, die damit ihr Debüt als Dokumentarfilmerin vorlegte. Ich muss gestehen, dass mich ein paar der Bilder im Trailer etwas misstrauisch gemacht hatten, weil ich fürchtete, dass diese Dokumentation sich mehr um die Regisseurin als ihr Thema drehen würde (und ja, es gab auch wirklich mehr Szenen und Informationen über Allegra Pacheco, als meiner Meinung nach notwendig gewesen wären), aber auf der anderen Seite haben mich die Aussagen der „Salarymen“ über ihre Arbeit und ihre Stellung in ihren Firmen sehr neugierig gemacht. All die Interviews mit den – in der Regel männlichen – Büroangestellten, die sich Tag für Tag als gesichtslose Masse in schwarzen Anzügen durch japanische Großstädte bewegen und auf Kosten ihrer Gesundheit und ihres Familienlebens die Wirtschaft am Laufen halten, und die dann nach der Arbeit im Kollegenkreis saufen bis zum umfallen, fand ich sehr spannend. So viele hoffnungslose und (alkohol-)kranke Männer, so viele ältere Männer, die sich eingeredet haben, dass sie sich ja immerhin am Wochenende um ihre Familien gekümmert haben, so viele Männer, die glauben, dass ihre Firma zusammenbricht, wenn sie nicht 70 bis 100 Stunden pro Woche arbeiten, während sie sich gleichzeitig durchaus darüber im Klaren sind, dass sie für ihre Arbeitgeber jederzeit ersetzbar sind.

Auf der anderen Seite diejenigen, die versuchen einen Weg zu finden, um trotz ihrer Arbeit ihre Lebensfreude (einer von diesen Salaryman verwendete sogar den Begriff „Menschlichkeit“) nicht zu verlieren und dabei zum Beispiel so etwas wie „extreme commuting“ betreiben. Was in diesem Fall bedeutete, dass eine Gruppe von Kollegen einen internen Wettbewerb darüber laufen hat, wer die spannendsten und ungewöhnlichsten Aktivitäten (wie z.B. Kanu- oder Riesenrad fahren, Surfen, Sehenswürdigkeiten abklappern, Onsen besuchen u.ä.) zwischen Aufwachen und Arbeitsbeginn auf die Reihe bekommt. Dazu mochte ich noch erwähnen, dass die Regisseurin auch über die weiblichen Büroangstellten sprach und einige von ihnen zu Wort kommen ließ. Kaum eine der interviewten Frauen war wirklich eine „Salarywoman“, aber ihr Arbeitstag ist nicht weniger lang und hart als die der Salaryman und auch unter ihnen ist „Tod durch Überarbeitung“ oder „Selbstmord aufgrund von Überarbeitung“ ein großes Risiko. Am Ende war ich zwar von der Art und Weise, in der Allegra Pacheco diese Dokumentation aufbereitet hat, nicht ganz glücklich, fand aber all die Interviews spannend zu verfolgen.

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Da wir in den vergangenen Tagen immer wieder an frühere Filme, die wir beim Filmfestival gesehen haben, denken mussten, werden wir wohl in der kommenden Wochen unsere Urlaubstage weiterhin mit dem einen oder anderem japanischen Werk verbringen. Zumindest hat mein Mann schon die BluRays von „The Woodsman and the Rain“, „Uzumasa Limelight“, „Beyond the Infinite Two Minutes“ und „Shin Godzilla“ rausgekramt … Ich weiß nicht, ob es ein Glück (für unseren Geldbeutel und Regalplatz) oder Pech ist, dass so wenige Filme, die uns beim japanischen Filmfestival gefallen haben, später auf BluRay oder DVD erhältlichlich sind, aber die, die wir in unseren Besitz haben, genießen wir doch immer wieder.

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