Wenn selbst eine flache Liebesgeschichte zu unglaubwürdig wird …

Gegen Jahresende überkommt mich mit relativer Berechenbarkeit die Lust auf eine weihnachtliche Liebesgeschichte. Irgendein Roman, der total vorhersehbar und kitschig ist, muss dann gelesen werden! Allerdings versuche ich dabei kein Buch in die Hände zu bekommen, bei denen dann noch Engel vorkommen oder irgendwelche ominösen Wunder geschehen. Ich suche nur so ein bisschen zuckersüßen Adventskitsch zum Entspannen …

In diesem Jahr flatterte mir ziemlich früh mein „Weihnachtsbuch“ ins Haus, und nachdem es gestern den ersten Schnee bei uns gab, hatte ich gerade Lust, in den Roman reinzuschnuppern. Doch nach den ersten siebzig Seiten von „Ein Weihnachtswunder zum Verlieben“ von Ali Harris bin ich so abgeschreckt, dass ich bezweifle, dass ich mich zum Weiterlesen überwinden kann. Anhand des Klappentextes hatte ich eine niedliche Geschichte rund um ein altes und verstaubtes Londoner Traditionskaufhaus erwartet, bei dem die Belegschaft nur noch die Adventszeit hat, um den Laden so weit in Schwung zu bringen, dass er nicht an amerikanische Investoren verkauft wird.

Bislang deutet sich dieser Teil der Geschichte nur ganz vage an, dafür hat es die Autorin geschafft, eine strunzdumme und unglaubwürdige Protagonistin zu erschaffen, der ich seit mehreren Seiten gern eine kräftige Ohrfeige verpassen würde. Und der Autorin würde ich gern ein paar Worte zum Thema „glaubwürdige Grundsituationen“ erzählen!

Die Geschichte spielt heutzutage in London, die Protagonistin heißt Evie und hat mit 21 Jahren den Abschluss an der Kunsthochschule gemacht. Dann lernte sie ihren ersten Freund kennen und war anscheinend fünf Jahre lang nichts anderes als eine „Freundin“. Kein Wort über irgendwelche Jobs, dafür eine Runde Lamentieren über fehlende Berufserfahrung. So ein Verhalten ist einfach nur nervig, aber okay, das könnte ich noch hinnehmen.

Fünf Jahre später hat sich Evies Freund von ihr getrennt und sie flüchtet sich zu ihrer großen Schwester. Und als die sagt, dass sie nun etwas aus sich machen müsste, geht sie in ihr Lieblingskaufhaus und wird dort ganz zufällig für eine neue Angestellte gehalten und landet im Lager. Abgesehen von dieser entsetzlichen Passivität der Hauptfigur, die hier schon wieder zum Ausdruck kommt, wird die ganze Szene auch nicht sehr glaubwürdig beschrieben. Aber gut, so weit war ich auch noch bereit, mich auf die Geschichte einzulassen.

Und während Evie es in einem Monat schafft, das Lager so umzuräumen und zu organisieren, dass die seit dem zweiten Weltkrieg (wie bitte?!) eingelagerten Sachen ebenso übersichtlich verstaut sind wie die Neuzugänge, bekommt sie es nicht hin, dass ihre Kollegen kapieren, dass sie nicht ihre Vorgängerin Sarah ist! Zu dem Zeitpunkt, an dem der Roman spielt, arbeitet Evie seit zwei Jahren in dem Kaufhaus und wird immer noch von allen Sarah genannt. An der Mitarbeitertafel hängen immer noch das Foto und der Name der Vorgängerin und keinem fällt auf, dass die Frau im Lager vielleicht etwas anders aussieht. Außerdem ist Evie inzwischen – angeblich – mit Carly, einer besonders attraktiven, glamourösen und extrovertierten Verkäuferin, gut befreundet und hat selbst die bislang nicht über die Namensverwechslung aufgeklärt. Wie glaubwürdig ist das denn noch?

Abgesehen davon, dass ich mich frage, wie das auf der bürokratischen Ebene laufen soll! Arbeitet Evie seit zwei Jahren umsonst, während Sarah immer noch Lohn für einen Job bekommt, den sie damals vor lauter Langeweile hingeworfen hat? Ich meine, die Geschichte spielt heutzutage in London und nicht in irgendeinem Setting, bei dem die Angestellten am Ende der Woche ihren Lohn bar auf die Hand bekommen. Es muss so etwas wie Buchhaltung geben und irgendeine Kommunikation zwischen der Buchhaltung und Evies Vorgesetzten. So etwa wie Stundenabrechnungen, Krankenversicherungen, Steuerunterlagen und Ähnliches – wie kommt die Autorin also auf den Gedanken, dass ich als Leserin so etwas einfach hinnehmen kann?

Der Punkt, an dem ich dann das Buch entnervt von mir geworfen habe, kam, als Evie sich ein glitzerndes Top anzog und ihre langen Haare hochsteckte und auf einmal von einem Typen, der gerade eben erst mit der schillernden Carly geflirtet hatte, für diese gehalten wurden. Natürlich hat der Mann nicht erkannt, dass er nun mit einer anderen Frau redet, und natürlich hat er die Verabredung zum Date noch einmal bekräftigt – und ebenso natürlich hat Evie die Verwechslung nicht aufgeklärt, obwohl sie sich kurz zuvor noch über ihre zwei Jahre als „Sarah“ aufgeregt hatte.

Nun bin ich frustriert, dass ich die letzte Stunde mit so einem unglaubwürdigen Mist verbracht habe. Ich bin  sauer, weil die Autorin anscheinend davon ausgeht, dass der Leser so etwas in einem weihnachtlichen Liebesroman einfach hinnimmt. Und ich bin überrascht (und erstaunlich verärgert), dass es bei Amazon doch wirklich eine 5-Sterne-Rezensionen für dieses Machwerk gibt.

24 Kommentare

  1. Ich kenne das Buch zwar nicht, aber ich denke, die Dinge, welche du genannt hast, hätten mich auch tierisch genervt. Solche Dinge, die völlig unglaubwürdig und dämlich sind, mag ich auch nicht, denn dadurch verliert das ganze Buch an Glaubwürdigkeit. Zudem komme ich mir da auch auf den Arm genommen vor, sowohl vom Autor, der sowas fabriziert, als auch vom Verlag der für sowas auch noch (mein) Geld bekommt.

    Ein gutes hat das Buch jedoch, denn es bringt Menschen zum lächeln, weil du mich gerade mit deinem Beitrag zum lächeln gebracht hast.

  2. Hehe, ich musste breit lächeln, als ich diesen Eintrag gelesen habe. Das klingt wirklich nach einem Buch zum Aufregen.
    Aber sieh es so: Auch Aufregen kann Spaß bringen. Das ist keine verschwendete Zeit. Und sonst hättest du deine Leser nicht mit diesem wunderbaren Eintrag erfreuen können. 🙂

    Viele Grüße
    Miyann

  3. @Jai: Schön, dass ich dich mit meinem Beitrag zum Lächeln bringen konnte. 🙂 Ich glaube, ich ärgere mich vor allem deshalb so sehr, weil die Autorin ohne große Probleme die gleiche Grundvoraussetzung hätte schaffen können, ohne solch unglaubwürdige Situationen zu konstruieren. *möp*

    @Miyann: Aber ich wollte mich doch so schön entspannen und nicht aufregen! 😉 Doch du hast auch recht, immerhin ist nach der Stunde Lesezeit ein Blogbeitrag rausgesprungen! Jetzt muss ich nur gucken, ob ich in diesem Jahr noch ein lesbares "Weihnachtsbuch" finde oder mir etwas anderes entspannendes suchen muss. 😉

  4. Das klingt ja nach einem echten Schwachsinn. Da fragt man sich schon, ob die Autorin sich irgendwelche Gedanken über Logik gemacht hat.
    Aber zumindest können wir uns jetzt über deine Rezension amüsieren. 😉

  5. @Neyasha: Als Rezension würde ich das noch nicht bezeichnen, nur so als kurzes Aufregen nach den ersten Seiten des Buches. 😉 Ich fürchte, dass die Autorin das lustig fand, aber sogar Humor braucht für mich eine gewisse Glaubwürdigkeit!

  6. Bücherwurm

    Hey Winterkatze,

    vielen Dank für den Tip, habe das Buch gleich von meinem Wunschzettel gestrichen, dort stand es nämlich an erster Stelle für dieses Jahr zur Weihnachtszeit.
    Hier mal ein paar Bücher, die noch auf meiner Wunschliste stehen, vielleicht ist ja auch für dich was dabei:

    Swan, Karen Ein Geschenk von Tiffany

    Andresky, Sophie Weihnachtsengel küsst
    man nicht

    Higgins Clark, Mary In einer Winternacht

    Wagner, Jan Totenstille Nacht

    Carr, Robin Wintermärchen in Virgin River

    Stöger, Michelle Maria, Mord und Mandelplätzchen

    Bambaren, Sergio Stelle
    Thanner, Alex Weihnachten mit
    Mama

    außerdem kann ich dir das Buch All I want for Christmas von Amy Silver empfehlen, das habe ich letztes Jahr gelesen und fand es einfach nur klasse.
    LG
    Der Bücherwurm

  7. @Buecherwurm: Gern geschehen! 🙂 Uff, da hast du ja eine ganz schön lange Liste – durch die muss ich mich mal durchwühlen.

    Mary Higgins Clark habe ich seit ungefähr zwanzig Jahren nicht mehr gelesen (dafür höre ich gerade ein paar Kurzgeschichten von ihr). Von Robin Carr hatte ich den ersten Virgin-River-Band gelesen, fand ihn nett, aber nicht so gut, dass ich mehr davon lesen müsste. Ich geh dann mal stöbern … 😉

  8. Ui, das hört sich wirklich sagenhaft übel an… Aber wunderbar von Dir geschrieben – ich musste sehr schmunzeln 😉 … Und irgendwie musste ich auch an Dein "Kapitelweise" denken …

  9. @Sayuri: Wenn ich euch nur unterhalten kann … ;D Beim Kapitelweise fand ich es viel weniger schlimm! Die Leute waren zwar auch dumm und haben jeden offensichtlichen Gedanken gemieden, aber immerhin hatte man nicht das Gefühl, dass auch ihr gesamtes Umfeld ohne jegliches Gehirn rumlaufen musste. 😉

  10. Na das war ja mal eine Überdosis WTF. Oder das war ein Paranormal, und du hast es nur nicht gemerkt 😉 Die Protagonistin nimmt automatisch die Gestalt jeder Person an, mit der ihr jeweiliger Gesprächspartner gerade vorher gesprochen hat. Hoffen wir, daß sie niemanden trifft, der gerade eben einen Anschiß von seinem Chef bekommen hat. Oder überfallen und ausgeraubt wurde…

  11. @Susi: Ich wünschte, es wäre ein Paranormal! 😉 Deine Idee klingt – trotz der einen oder anderen Logiklücke – auf jeden Fall plausibler als das, was mir die Autorin in diesen ersten 70 Seiten vorgesetzt hat!

  12. loool. 🙂 Na dann weiss ich ja, welches Buch ich dieses Weihnachten nicht lese! :p

    Bei mir komt ja im Advent irgendwie regelmäßig die gute Frau Ahern auf den Tisch, auch wenn man bei ihr immer mal wieder Pech haben kann. Aber ich liebe einfach die Geshcichte um Alex und Rosi. (Hab grad den Namen vergessen). Und seitdem ich gestern zum ersten mal seit drei Jahren mein Bücherregal wieder eingeräumt habe mit den Büchern die bis dahin bei meiner Oma auf dem Boden standen hab icha uch meine ganzen alten All-Time Favorites wieder in greifbarer Nähe 🙂

  13. @Mila: Es sei denn, du möchtest ein ganz besonderes Experiment starten. Nach den Klassikern eine Runde Schund vielleicht? 😉

    Von der Ahern habe ich zwei Romane gelesen und die haben mir gereicht. Dazu kamen dann noch die ersten zehn Minuten einer Verfilmung eines ihrer Bücher und ich war endgültig abgeschreckt. ;D

    Um das eingeräumte Bücherregal beneide ich zutiefst! Meine gesammelten Schätze werden wohl noch eine Weile länger in Umzugskartons ruhen, dabei gäbe es so viele Romane, die ich gern wieder lesen würde … Dir wünsche ich viel Spaß beim Wiederentdecken der vertrauten Geschichten (und neben dem neuen Job genügend Zeit zum Lesen)! 🙂

  14. Beate Sauer

    Liebe Winterkatze,

    schade, denn wie Du ja auch sagst, die Grundidee der Geschichte hört sich erst mal gut an … Das mit Deiner Lust auf eine Weihnachtsgeschichte kann ich jedenfalls gut verstehen. Ich habe auch gerade das Bedürfnis nach Kerzen und nach Besinnlichem 😉 .

    Liebe Grüße

    Beate

  15. @Beate: Das fand ich auch! Und ich denke immer noch, dass man aus der Grundidee ein entzückendes Buch machen könnte.

    Ich denke, dass wir alle solchen Bedürfnissen hemmungslos nachgeben sollten. Hab einen schönen Tag mit Kerzen und ruhigen und gemütlichen Momenten! 🙂

  16. uiiiii toolllll … eine Chamäleon-Wechselbalg-Frau mit organisatorischen Masterfähigkeiten!

    ps
    Ich habe auch überlegt, ob es ein Buch für "Kapitelweise …" gewesen wäre 🙂

  17. @Natira: Inzwischen kann ich sogar sagen, dass sie zusätzlich noch ein Dekogenie ist und eine weise Frau, die beim Astro-TV ein Vermögen machen würde … *g* Ich hoffe nur, ich bekomme für das Buch noch ein paar Euro. 😉

  18. Ah, eine super-allrounderin, vermutlich ist sie gar nicht von der erde, sondern ein engel und das erfährt man erst am ende des romans …

    (ich drück die daumen!)

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