Agatha Christie: The Secret of Chimneys

Nachdem meine eigenen Christie-Bücher weiterhin in Umzugskartons schlummern, stille ich meine Lust auf die Autorin eben mit englischen Titeln aus der Bibliothek. Nur blöd, dass ich mit diesem Band nicht noch einen Monat warten wollte, sonst hätte ich mein Buch für die English-Challenge auch schon bei der Hand gehabt. „Die Memoiren des Grafen“ gehört zu den Geschichten von Agatha Christie, die ich immer mal wieder in die Hand nehme, weil ich sie so unterhaltsam finde. Auch wenn die Handlung von so vielen Zufällen geprägt ist, dass ich das einem anderen Krimiautor nicht verzeihen würde, mag ich die Geschichte und die Charaktere so sehr, dass ich die Schwachpunkte hier locker verzeihen kann.

„The Secret of Chimneys“ beginnt in Afrika, wo Anthony Cade auf seinen alten Freund Jimmy McGrath trifft. Während Anthony sein Leben als Reiseführer fristet, ist Jimmy gerade auf dem Weg ins Landesinnere, da er dort auf die Suche nach Gold gehen wird. Diese Goldsuche ist ihm so wichtig, dass er seinen Freund bittet, doch eine Aufgabe für ihn zu übernehmen. Denn der verstorbene Graf Stylptitch, herzoslowakischer Adliger und berühmter Diplomat, hatte Jimmy seine Memoiren zukommen lassen – und wenn dieser sie bis zu einem bestimmten Tag persönlich bei einem Londoner Verlagshaus abgibt, dann bekommt er dafür 1000 Pfund. Gegen ein Viertel der versprochenen Summer macht sich Anthony auf den Weg, im Gepäck nicht nur die Autobiografie des Diplomaten, sondern auch Liebesbriefe einer verheirateten Frau, die ihm ebenfalls von Jimmy anvertraut wurden.

In London hingegen warten mehrere Gruppierungen darauf, dass Jimmy McGrath mit den Memoiren des Grafen eintrifft. Sowohl die herzoslowakische Regierung als auch ihre politischen Gegner sowie die britische Regierung (die mit Herzoslowakien gerade sehr empfindliche Verhandlungen führt) und ebenso eine französische Verbrecherbande wollen in den Besitz dieser Seiten kommen. Während Anthony mit den diversen Angeboten und Diebstahlsversuchen fertig werden muss, versucht er nebenbei, Virginia Revel ausfindig zu machen – die Dame, mit deren Namen die verhängnisvollen Liebesbriefe unterschrieben wurden, die ihm von Jimmy ausgehändigt wurden.

Virginia hingegen bereitet sich auf ein Wochenende auf Chimneys vor, zu dem sie von Lord Caterham und seiner Tochter Eileen (genannt Bundle) geladen wurde. Sie soll ein bisschen Leben in die Wochenendgesellschaft bringen, die vor allem aus herzoslowakischen Adligen, britischen Diplomaten und Finanzmännern bestehen wird. Denn Chimneys wird schon seit Jahrzehnten als inoffizieller Treffpunkt für die Mächtigen und Reihen in Großbritannien genutzt – sehr zum Leidwesen von Lord Caterham, der im Gegensatz zu seinem verstorbenen Bruder so gar nichts mit Politik am Hut hat. Als dann noch ein Mord auf Chimneys geschieht, gerät auch Anthony in Verdacht …

Ich fürchte, ich kenne das Buch einfach zu gut, um eine objektive Meinung dazu zu schreiben. Ich mag Anthony, ich mag Virginia und ich mag den widerwilligen Gastgeber Lord Caterham und seine Tochter (die man übrigens in „The Seven Dials Mystery“ – die einzige Geschichte, bei der ich ständig den deutschen Namen vergesse – wiedersieht). Jedes Mal wieder verfolge ich mit Vergnügen, wie Anthony versucht, seinen Namen reinzuwaschen, Virginia zu helfen und mehr über die verschiedenen Rätsel herauszufinden. Da ist es mir dann auch egal, dass ich recht schnell weiß, wer von den verschiedenen Figuren nicht der ist, der er zu sein vorgibt – und warum sich der Diener des Ermordeten so ungewöhnlich verhält. Ach, verflixt, lest die Geschichte doch einfach selbst – gern auch auf Englisch, denn das klappt prima – und bildet euch eine eigene Meinung! 😉

Neben der Lust auf eine Agatha-Christie-Geschichte trieb mich auch die Neugier auf eventuelle Unterschiede zur Übersetzung an – und ehrlich gesagt, mir sind kaum Sachen ins Auge gesprungen! Wie bei „The Man in the Brown Suit“ hatte ich nicht das Gefühl, dass ich irgendeine Szene nicht kenne, allerdings sind mir diverse Redewendungen aufgefallen, die – meinem Empfinden nach – nicht ins Deutsche übersetzt wurden. Das ändert nicht viel an der Qualität der Geschichte, lässt aber die Charaktere hier und da lässiger wirken als in „Die Memoiren des Grafen“. Ich denke, ich werde mir noch mal ein paar weitere englische Ausgaben besorgen, wenn ich endlich meine Bücher auspacken kann – und dann vergleiche ich detaillierter.

12 Kommentare

  1. Ist ja echt seltsam, dass wir beide die Aussagen über (massive) Kürzungen im Kopf haben, aber dir nichts auffällt. Ob das wohl gar nicht stimmt oder wieder maßlos übertrieben wird?

    Magst du eigentlich die Christie-Bücher abseits der Serien lieber oder ist es Zufall, dass du zwei Bände abseits von Miss Marple und Poirot gelesen hast?

  2. Vielleicht fanden die massiven Kürzungen vor allem bei den Serien statt und deshalb mir bei den beiden Büchern nichts aufgefallen.

    Was die Serien angeht: Ich mag die wohl – vor allem die Geschichten rund um Miss Marple! Aber Agatha Christies Einzelbände finde ich zum Teil reizvoller, weil sie da mehr ausprobiert hat.

  3. Dann hoff ich, dass du dir bald die Serien vornimmst, um die Sache mit den Kürzungen zu verifizieren! 😀

    Ich muss gestehen, dass ich zwar vor 15–20 Jahren zahllose Christie-Krimis verschlungen habe, aber so wirklich ne Erinnerung hab ich an die wenigsten der Bücher. Ich kann mich definitiv nicht erinnern, dass mir mehr Experimentierfreude bei den Einzeltiteln aufgefallen wäre – ich bin mir aber auch nicht sicher, ob ich sowas damals schon bemerkt hätte!

  4. Eigentlich wollte ich ja endlich mal wieder meine Nase in einen Dresden-Files-Roman stecken oder gar endlich in "Soulless". Das Buch wollte ich so unbedingt habe und bin doch so lange vor den erste Seiten zurückgeschreckt. 😉

    Ich muss zugeben, dass ich bei den einigen Christie-Titeln auch eine kurze Inhaltsangabe benötige, um mich zu erinneren. Ansonsten habe ich die aber alle so oft gelesen, dass für mich da schon einige Unterschiede bestehen. 😀

  5. Ich habe gerade "Schneewittchen-Party" in der Übersetzung von Hiltgund Grabler da. Der Stil kam mir ein bißchen spröde vor, deshalb habe ich mal in die englische Fassung ("Halloween Party") reingeschaut.
    Schon auf den ersten zwei Seiten fehlen ganze Absätze in der Übersetzung, es stimmt also wohl mit den Kürzungen. Ich finde das reichlich blöd und werde nun auf jeden Fall das Original lesen. 🙂

  6. @Kiya: Erst einmal herzlich Willkommen auf meinem Blog! Schön, dass du den Weg hierhergefunden hast – und gleich einmal eine Frage klären kannst, die uns schon eine Weile beschäftigt! 🙂

    Ich muss zugeben, dass die "Schneewittchen-Party" zu den wenigen Agatha-Christie-Romanen gehört, die mir nicht ganz so gut gefalen – da wäre mir ein Unterschied zum Original vermutlich gar nicht aufgefallen. Aber vielleicht lieferst du mir gerade die Erklärung dafür, vielleicht fehlt der Geschichte in der deutschen Fassung einfach zuviel …

    Ich habe mir auf jeden Fall vorgenommen, noch einmal einen Christie-Roman parallel auf deutsch und englisch zu lesen – und weiter zu vergleichen. 😉

  7. Freut mich, wenn ich zur Klärung beitragen konnte 🙂

    "Schneewittchen-Party" habe ich aufgrund des Titels ausgewählt, den ich irgendwie nett fand. Kann natürlich sein, daß das nicht so ein Glücksgriff war. In der Übersetzung scheint aber viel zu fehlen, was den Esprit der Geschichte ausmacht.

    Kannst du mir einen anderen Titel empfehlen? Ich kenne bisher nur die Klassiker "Tod auf dem Nil" und "Mord im Orient Express".

  8. @Kiya: Vielleicht gefällt dir die Schneewittchen-Party ja besser als mir. 🙂

    Also hast du bislang vor allem Hercule Poirot kennengelernt. Dann würde ich dir als nächstes Miss Marples ersten Mordfall nahelegen ("Mord im Pfarrhaus") – und "Die Schattenhand" lese ich auch immer wieder gern (da hat Miss Marple eine kleinere Nebenrolle). 🙂

  9. Danke, dann werde ich Miss Marple mal eine Chance geben!

    Bis zum Urteil über die "Schneewittchen-Party" wird es noch etwas dauern, da die deutsche Ausgabe jetzt ungelesen in die Bibliothek zurückwandert und ich die englische erst besorgen muß 😉

  10. Fein, das solltest du auf jeden Fall tun! 🙂

    Und ich bin gespannt, was du letztendlich zur "Schneewittchen-Party" sagen wirst. Vielleicht würde ich das Buch heute auch anders lesen, bei meinen Reread-Runden spare ich das gern aus, weil der negative Eindruck einfach haften geblieben ist. 😀

  11. Ich meine mich dunkel zu erinnern, dass ich die Schneewittchen-Party damals ziemlich gut fand. Ich muss glatt mal schauen, ob das Buch hier steht oder zu Hause bei meinen Eltern …

    Kiya, falls du doch wieder zurück zu Poirot willst: Eines meiner liebsten Bücher war "Das fehlende Glied in der Kette".

  12. @Irina: Ich muss gestehen, dass ich das Buch schon so lange nicht mehr gelesen habe, dass ich auch nicht genau sagen könnte, warum mir gerade diese Geschichte nicht so gut gefiel … 😉

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