Ich bin selber ganz erstaunt, dass ich schon wieder einen Spionageroman von Agatha Christie erwischt habe, das war keine bewusste Wahl. Meine Auswahl beschränkte sich im Moment halt auf die Titel, die in der Bibliothek sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch zur Verfügung standen, weil ich mal einen detaillierten Vergleich zwischen den Büchern machen wollte. So habe ich einerseits meine Neugierde bezüglich der Veränderungen bei den deutschen Übersetzungen endlich mal gestillt und auf der anderen Seite auch in diesem Monat pünktlich mein Buch für die English-Challenge geschafft.
„They came to Baghdad“ spielt um 1950 und der Leser wird zusammen mit der jungen Victoria Jones in eine klassische Spionagegeschichte rund um eine wichtige Veranstaltung in Bagdad geworfen. Anfangs weiß man nicht viel mehr, als dass sich zwei Herren (Captain Crosbie und Dakin) über die Festsetzung eines Termins unterhalten. Wenn man diese beiden glauben darf, dann könnte dieses Treffen (zu dem wohl auch der amerikanische Präsident erscheinen wird) über Krieg und Frieden entscheiden.
Dementsprechend gibt es nicht nur Parteien, die alles dafür tun wollen, damit diese Veranstaltung reibungslos über die Bühne geht, sondern mindestens eine Gegenpartei, die auch nicht davor zurückschreckt jeden Dahergelaufenen zu ermorden, nur weil er Carmichael, einem von Dakins wichtigsten Mitarbeitern, ähnelt. Dieser ist nämlich im Besitz von Informationen, die für das Treffen entscheidend sein könnten, wenn es dem Mann gelingt rechtzeitig und lebendig in Bagdad einzutreffen.
Während Victoria einzig und allein nach Bagdad reist, weil sie sich innerhalb eines kurzen Treffens in einen Mann verliebt hat, der sich prompt am nächsten Tag von London in den Orient aufmacht, stolpert sie kurz nach ihrer Ankunft in Bagdad über einen Toten. So wird die junge Frau in die Ereignisse rund um das politisch so wichtige Treffen hineingezogen und erlebt einige Abenteuer in dem fremden Land. Obwohl ich die Geschichte recht unterhaltsam finde und mich in dieser englischen Version vor allem Agatha Christies Beschreibungen von Bagdad und den dort lebenden Menschen unterhalten haben, muss ich zugeben, dass es nicht einer der besten Romane der Autorin ist.
Ich habe das Gefühl, dass die Qualität der Handlung immer dann leidet, wenn Agatha Christie ihre Gedanken zum – für sie damals – aktuellen Weltgeschehen mitteilen wollte. So macht dieser Part (der in der deutschen Ausgabe fast komplett weggekürzt wurde!) für mich den größten Reiz an der Geschichte aus, während die Spionagegeschichte ebenso wie die (Liebes-)Geschichte von Victoria vorhersehbar und nicht mehr als „ganz nett“ ist. Einige Elemente haben mich sogar sehr an „Passenger to Frankfurt“ erinnert, vielleicht hatte sie die Grundidee zwanzig Jahre später für ihre „Frankfurt-Geschichte“ noch einmal aufgenommen, auch wenn sie in „They Came to Baghdad“ den Kalten Krieg und nicht Überreste der Nazi-Zeit thematisiert hat und mir die Abenteuer in Bagdad deutlich besser gefallen haben.
Ich muss zugeben, dass ich dieses Buch parallel auf Deutsch und Englisch gelesen habe, weil ich nach dem ersten Kapitel so fassungslos darüber war, wie sehr die deutsche Übersetzung den Text verfälscht. Während die englische Ausgabe lauter atmosphärische Beschreibungen enthält und viele einzelne Wörter, Zitate oder Verse davon zeugen, wie gut sich Agatha Christie im Orient ausgekannt hat, fehlen nicht nur diese Elemente, sondern auch einige – in meinen Augen relevante – Informationen in der deutschen Fassung.
Wer allerdings nicht beide Bücher nebeneinanderliegen hat, wird vermutlich nicht so schnell auf den Gedanken kommen, dass da so gravierende Einschnitte vorgenommen wurden. Ich zumindest habe mich bislang auch mit den deutschen Ausgaben gut unterhalten gefühlt. Jetzt aber, da ich weiß wie gut die Originalversion verständlich ist und welche gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Versionen bestehen, werde ich wohl meine (so gut wie vollständige *sniff*) Christie-Sammlung auf Dauer durch die englischen Ausgaben ersetzen.
Mich würde interessieren, ob sich diese Übersetzungs"freiheiten" auch durch die anderen Romane gezogen haben.
Ich hätte hier ja noch "Nikotin" und "Black Coffee", bin aber gerade nicht so motiviert schon wieder zwei Bücher parallel zu lesen. 😉
Ich weiß, was Du meinst, hänge ich derzeit doch auch mit "The Waste Lands" und "Tot" irgendwo in der Luft …
Aber wer weiß, vielleicht fällt Dir beim Originallesen ja etwas auf – was Dich doch zur Übersetzung greifen und dann auch hier berichten lässt 😉
Ich muss gestehen, ich überlege gerade, ob ich die Bücher einfach morgen wieder in die Bibliothek schleppe. Die Leseunlust wird nicht weniger und da muss ich die hier ja nicht sammeln, bis die erste Mahnung kommt. 😉
stimmt – zumal sie in der Bibliothek hoffentlich nicht untergehen.
Wer weiß, vielleicht laufen mir da ja reizvollere Bücher in zwei Sprachen über den Weg. Obwohl irgendwie gerade alles nicht so reizvoll ist … Dabei schreibe ich gerade ganz gern über Bücher. *g*
*schmunzelt*
Dann mache das doch 🙂
Mach ich doch! Ich habe heute schon wieder einen Text online gestellt und dann sind da noch die drei angefangenen für den Blog und die "Arbeitstexte" und … die Ärztin wird mich hauen, weil ich so viel am PC hänge. *kicher*