Über „Passenger to Frankfurt“ bin ich in einer der Agatha-Christie-Biografien gestolpert, die ich letztes Jahr gelesen habe. Da stand, dass dies der einzige Roman sei, der nicht ins Deutsche übersetzt worden sei – und natürlich war ich neugierig, was das für eine Geschichte ist. (Inzwischen habe ich übrigens rausgefunden, dass das Buch 2008 ins Deutsche übersetzt wurde, allerdings scheint die Ausgabe nicht mehr erhältlich zu sein.) Auf jeden Fall ist „Passenger to Frankfurt“ kein gewöhnlicher Christie-Roman, obwohl das nicht das einzige Buch ist, in dem sich die Handlung um Spionage dreht. Aber in diesem Buch bezieht sich die Autorin ungewöhnlich oft auf die „jüngste“ Vergangenheit (der Roman erschien 1970) und es fallen einige kritische Bemerkungen zu Politik und Diplomatie.
Hauptfigur dieser Geschichte ist Sir Stafford Nye, ein junger Diplomat, der die großen Hoffnungen, die einst in ihn gesetzt wurden, nicht erfüllt hat. Denn für seinen Beruf verfügt er über einen überaus unpassenden Humor, der ihn zu einem unberechenbaren Gesprächspartner macht, was einem Karriereaufstieg deutlich im Wege steht. Und sein Humor und sein Sinn für absurde Situationen sind es auch, die ihn auf einem Heimflug in Schwierigkeiten bringen. Denn als er in Frankfurt darauf wartet, dass der Nebel in London sich soweit verzieht, dass der Flug weitergehen kann, wird Stafford von einer jungen Frau angesprochen. Diese Dame wurde durch die Zwischenlandung in Frankfurt in große Schwierigkeiten gebracht und benötigt nun Hilfe, um sicher weiter nach England reisen zu können. Von seiner Abenteuerlust angestachelt, lässt sich Sir Stafford Nye dazu überreden ihr seinen ungewöhnlichen Mantel und seinen Pass zu überlassen, damit sie in seine Rolle schlüpfen und so sicher heimkehren kann.
Nach dieser ungewöhnlichen Ausgangssituation zieht sich die Geschichte erst einmal ganz schön hin. Sir Stafford Nye wird bei seiner Heimkehr misstrauisch vom Geheimdienst beäugt, weil er sich in Frankfurt angeblich hat betäuben und ausrauben lassen und weil sein Pass ohne ihn heimgeflogen ist. Die Behörden sind sich nicht sicher, ob der Diplomat nicht vielleicht in unsaubere Geschäfte verwickelt ist – auch wenn der eine oder andere Beamte den Verdacht hegt, dass Stafford harmlos ist und nur sein allseits bekannter Humor ihn in diese Situation gebracht hat. Stafford hingegen versucht mehr über die geheimnisvolle Frau herauszufinden, fragt sich, ob sie heil nach England gekommen ist – und muss feststellen, dass jemand seine Schritte genau im Auge behält. Letztendlich entwickelt sich die Handlung zu einer eher unglaubwürdigen Geschichte rund um eine geheimnisvolle Organisation, die versucht die Weltherrschaft an sich zu reißen. Mehr will ich dazu gar nicht verraten, für den Fall, dass einer von euch das Buch noch lesen will.
Obwohl immer wieder Szenen und Figuren auftauchen, die ich als sehr typisch für Agatha Christie empfinde – vor allem Staffords Großtante Matilda erinnerte mich an so einige meiner „viktorianischen“ Lieblingsladys in den anderen Krimis-, konnte mich „Passenger to Frankfurt“ nicht so recht überzeugen. Die Handlung zieht sich hin und bei einigen Passagen habe ich mich gefragt, zu welchem Zweck sie überhaupt in das Buch eingebaut wurden. Während anfangs Sir Stafford Nye als Hauptfigur fungierte, wird die Spionagegeschichte letztendlich doch von einem Haufen Politikern und Geheimdienstmitarbeitern beendet – und auch wenn ich mich immer wieder über ein Wiedersehen mit Mr. Robinson (der Mann, der einfach alles über Geld weiß) freue, so sind diese Szenen doch eher langweilig zu lesen. Doch vor allem habe ich mich über die Unglaubwürdigkeit der Geschichte geärgert. Eigentlich gibt es einige interessante Ansätze, wie die geheimnisvolle Begegnung am Flughafen, die faszinierende Spionin und die unheimliche Organisation, aber letztendlich kann Agatha Christie keinen Handlungsstrang überzeugend zuende führen.
Ich bedauere nicht, dass ich „Passenger to Frankfurt“ gelesen habe, denn so habe ich auch diese Seite von Agatha Christies Werk kennengelernt, aber noch einmal werde ich die Geschichte bestimmt nicht lesen. Nur gut, dass ich das Buch aus der Bibliothek ausleihen konnte. Oh, und „Passenger to Frankfurt“ ist mein Februar-Buch für die „I’m in English“-Challenge gewesen.
Hm, das hört sich an, wie eine gute Idee, schlecht umgesetzt. Als ich die von Dir beschriebene Anfangszene las, war ich ganz angetan – schade, dass es dann so schnell bergab ging…
Aber ich seh es genauso: von den Lieblingsautoren muss man auch nicht so gute Bücher ertragen können – damit man das Gesamtwerk am End wirklich beurteilen kann.
Die Anfangsszene hat mir auch noch viel Spaß gemacht. Sie war so absurd und so typisch Christie. 😀 Aber diese ganzen politischen Intrigen und Verschwörungsideen waren wohl dann doch etwas zu viel für Agatha Christie – vielleicht lag es auch am Alter. Mit ihren 80 Jahren war sie vielleicht doch schon zu weit weg vom damaligen "Lebensgefühl", um so eine aktuelle Geschichte glaubwürdig zu schreiben.
Trotzdem war es spannend dieses Buch zu entdecken – auch wenn sich der Schluss doch etwas arg hinzog beim Lesen. 😉
Ich hoffe, mein Exemplar kommt endlich an…will mitreden können :o)))
@JED: Das hoffe ich auch. Ich bin sehr gespannt darauf, was du von dem Buch hälst!