Manchmal frage ich mich, ob mir die Autoren und Serien, die mich seit Jahren begleiten und immer wieder gelesen werden, ebenso gut gefallen würden, wenn ich sie erst heute entdecken würde. Dabei gibt es so einige Romane, die schon längst weitergewandert sind, weil ich merkte, dass ich nach der ersten Entdeckungsfreude keinen langfristigen Spaß daran haben würde. So habe ich zum Beispiel von den „Darkover“-Titel von Marion Zimmer Bradley nur noch ein paar wenige, die ich ab und an aus Sentimentalität wieder aus dem Regal ziehe und wieder genießen kann, während der Rest meiner Sammlung vor zwei Umzügen zum modernen Antiquariat gewandert ist.
Aber gerade im High-Fantasy-Bereich gibt es so einige Schätze aus den 80er Jahren, die ich immer wieder gerne lese und von denen ich mich vermutlich nie trennen werde, wie etwa die „Belgariade“ von David Eddings. Auf der anderen Seite finde ich kaum aktuelle High Fantasy, die mir zusagt, weil ich das Gefühl habe, dass ich das alles schon mal (und zwar besser *g*) von anderen Autoren präsentiert bekommen habe. Ich fühle mich oft der Grundideen und Archetypen übersättigt, bin ungnädig, wenn ich das Gefühl habe, dass ein Autor in seiner Jugend die gleichen Bücher gelesen hat wie ich und nun für sein aktuelles Werk reines Szenenrecycling* betreibt, und nur selten kann mich die Entwicklung einer Geschichte wirklich überraschen. Bei Krimis ist es übrigens ähnlich, so dass ich da vor allem bei den Cozys lesbare „Neuentdeckungen“ (wie Simon Brett, auch wenn mich dessen Bücher jetzt nicht total umhauen) mache, wo es weniger um einen spannende Aufbau und eine innovative Grundidee als um gut beschriebene Charaktere und eine atmosphärische Umgebung geht.
Trotzdem beschleicht mich immer wieder der Verdacht, dass ich all diese vernichtenden Urteile vermutlich auch über meine heißgeliebten alten Schätze fällen würde, würde ich diese erst heute in die Hände bekommen. Auf der anderen Seite gibt es genügend „Klassiker“ in unterschiedlichen Genres, die ich jetzt erst für mich entdecke und die ich trotzdem genieße und bei denen ich nicht das Gefühl habe, dass mir die Geschichte schon x Mal untergekommen ist. Dabei bemerke ich schon, dass ich mich gerade bei den Klassikern oft für den Erzählstil des Autors begeistern kann, während die Handlung zwar gut und unterhaltsam ist, aber von mir manchmal mit etwas distanzierten Augen gesehen wird, weil sie auf politische und gesellschaftliche Aspekte eingeht, die eben schon einige Jahrzehnte her sind. So habe ich trotz meiner schon lange bestehenden Leidenschaft für Raymond Chandler und Dashiell Hammet den Autor Cornell Woolrich erst sehr spät für mich entdeckt. Übrigens kann man mich inzwischen mit feministischen Fantasy- oder Science-Fiction-Romanen jagen, während ich Krimis aus der McCarthy-Ära immer noch sehr spannend finde …
Am Ende dieses leicht wirren Beitrags bleibt wohl das Fazit, dass ich weiterhin vor meinen alten Schätzen stehen werde und feststellen muss, dass mir ein relativ objektives Urteil über diese Romane schon seit langer Zeit nicht mehr möglich ist. Dafür genieße ich dann die vertrauten Charaktere, den geliebten Humor, versuche immer wieder neue Aspekte in den altbekannten Geschichten zu entdecken und verbinde mit jedem jahrelang gehegten Titel vielfältige Erinnerungen. Und allein die Tatsache, dass ich bei manchen Büchern mit jeder Lebensphase andere Facetten bemerke und anerkennen kann, sorgt wohl dafür, dass ich einige dieser alten Schätze weiterhin behalten werde und nicht als Regalverstopfer betrachten kann.
*Zum Szenenrecycling: Wenn der Autor es offiziell als Hommage an ein anderes Werk bezeichnet, dann kann ich mit solchen Zitaten, wie sie zum Beispiel Bernd Perplies in seiner „Tarean“-Reihe verwendet, um auf Tolkiens „Herrn der Ringe“ zu verweisen, gut leben. Negativ hingegen ist mir in der Beziehung Marcus Reichard mit „Das Siegel der Finsternis“ aufgefallen. So nett und flüssig die Geschichte zu lesen ist, so sehr störte mich ein Kampf, der wie eine 1:1-Kopie von Gandalfs Auseinandersetzung mit dem Balrog in den Minen von Moria wirkt, während andere Szenen mich zum Beispiel weniger greifbar, aber trotzdem deutlich an die nicht ganz so bekannte Reihe „Die Diener von Ark“ von Jonathan Wylie (Mark und Julia Smith) erinnern.
Ich les ja eigentlich fast nie Bücher mehrmals, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es in meinem Regal einige hochgeschätzte alte Bücher gibt, die mir heute gar nicht mehr oder zumindest nicht mehr so gut gefallen würden – weil ich mich zwischenzeitlich verändert habe und/oder der Zeitgeist. Manche Sachen kann man einfach heute nicht mehr lesen – und falls doch, hat man entweder ausreichend nostalgische Gefühle oder man hat es mit einem anerkannten Klassiker zu tun, der einfach zeitlos ist.
Für mich ist es aber trotzdem okay, solche "ollen Kamellen" im Regal stehen zu haben – als schöne Erinnerungsstücke! 😉
Mir geht es manchmal genauso wie dir und ich frage mich häufig, ob Bücher, die ich vor einigen Jahren toll fand heute ebenfalls noch so begeistert aufnehmen würde. Aber ich muss zugeben, dass ich niemals eines meiner hochgeschätzten Bücher weggeben würde. Ob aus Nostalgie oder anderen sentimalen Gründen, spielt keine Rolle. 😉
@Irina: Abgesehen davon, dass ich gern Bücher noch einmal lesen, hätte ich viele Jahre lang nichts zu lesen gehabt, wenn ich nicht auf die vorhandenen – und schon gelesenen – Titel im Regal zurückgegriffen hätte. 😉 Ich muss aber auch zugeben, dass mir bei manchen Romanen die damit verbundenen Erinnerungen wichtiger sind als die Möglichkeit sie noch einmal lesen zu können. 😀
@animasoul: Irgendwie wird man im Laufe der Jahre halt doch kritischer. 😉 Und meine geschätzten Bücher gebe ich auch nicht aus der Hand, aber manchmal werden hochgeschätzte Bücher im Laufe der Zeit dann doch zu Titeln, bie denen ich mich frage, was ich daran mal gefunden habe. Zum Glück bleiben genügend Bücher übrig, mit denen ich jahrzehntelange schöne Erinnerungen verbinde! 🙂
Eigentlich ist es doch nicht schlimm, wenn mir ein Buch, wenn heute entdeckt, nicht mehr so gefallen würde wie es mir beim ersten Mal gefallen hat 🙂 Zu der Zeit habe ich eben das Leseerlebnis genossen und darauf kommt es ja auch an. Wenn ich das Buch dann heute zur Hand nehme, verbinde ich es zumindest mit positiven Erinnerungen – daß ich etwas schrecklich finde, was mir mal total gefiel, passiert ganz selten.
Manche Autoren haben auch ihre Zeit – wenn man die zu spät liest, wenn man zu alt dafür ist o.ä., findet man keinen Zugang mehr dazu.
@Kiya: "Zu der Zeit habe ich eben das Leseerlebnis genossen und darauf kommt es ja auch an."
Das ist sehr wichtig und eine unschätzbare Erinnerung! Aber da ich neue Bücher unbewusst auch immer mit ähnlichen (alten) Titeln vergleich, finde ich die Frage spannend, wie objektiv ich wohl bei einer solchen Gegenüberstellung sein kann.
Und ja, dass manche Autoren ihre Zeit haben, ist ein gutes Argument und gilt für einige, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. 😀
Ich habe mir ja "Die Marsfrau" extra gekauft, ein SciFi-Buch, dass ich als Jugendliche begeistert gelesen habe – und war völlig angenervt! Ich habe nicht einmal die Hälfte beim Wiederlesen geschafft.
Zu anderen älteren Büchern, wie schon bei Irina erwähnt, komme ich gern zurück, wie z.B. die Zauberland-Wolkow-Reihe Bd. 1 bis 4.
Auch ansonsten lese ich etliche Bücher mit schöner Regelmäßigkeit wieder, besonders die Austen-Romane – Im Grunde überrascht es mich selbst, dass mir diese Romane immer und immer wieder etwas geben. Manchmal einen neuen Blick auf eine Figur, manchmal ein ähnliches Gefühl wie "nach Hause kommen".
Das sind wertvolle Regalverstopfer 🙂
@Natira: Um solche Titel auszusortieren, nehme ich normalerweise meine alten Schätze schon regelmäßig in die Hand und lese sie noch einmal. 🙂 Aber ist es nicht faszinierend, dass einen etwas, das einen mal so begeistert hat, Jahre später so enttäuschen kann?
Bei den Austen-Romanen finde ich es überhaupt nicht überraschend, dass die Bücher dir immer wieder neu etwas geben. Allein durch die verschiedenen Figuren kann man doch immer wieder einen neuen Standpunkt für sich entdecken. Und "nach Hause kommen" finde ich bei diesen vertrauten Büchern ganz wichtig – mit ein Grund für genussvolle Re-reads!
Das ist es – als Leserin habe ich mich verändert, nehme mehr im Hintergrund wahr – oder eben nicht 😉 – und habe einen anderen Blick auf Dinge. Und bei ein paar Büchern reicht es nicht, erklärend zu sagen: Es ist ein Kinder-/Jugendbuch, manches muss vereinfacht werden. Auch wenn Bücher den Geist ihrer Entstehungszeit wiederspiegeln können (und das war bei DDR-Kinder- und Jugendliteratur durchaus der Fall), ist auch das nicht immer ausreichend genug das melancholisch-schöne Erinnerungsgefühl an die damit verbundene Kinderzeit. Manchmal sind Kinder-/Jugendbücher der eigenen Kinder-/Jugendzeit auch einfach nur schlecht 😉
Natira, da hast du recht, man verändert sich ständig als Leser. Und bei manchen Büchern macht das überhaupt nichts aus, weil sie für einen zu jeder Zeit funkionieren – aus anderen hingegen wächst man einfach heraus. Oder man ist inzwischen in der Lage kritisch genug zu sein, um festzustellen, dass sie schlecht sind. *g*