Schlagwort: Persönliches

Mein Vater

CW: Tod/Trauer/Krebs/Krankheit

 

Ich habe in den letzten zwei Wochen gründlich darüber nachgedacht, ob ich hier einen Beitrag darüber veröffentliche, was ich im Mai gemacht habe. Weniger, weil es mir schwerfällt, darüber zu schreiben, sondern weil ich davon ausgehen kann, dass es einigen meiner Leser*innen schwerfallen wird, darüber zu lesen. Aber mein Blog ist auch eine Art Tagebuch für mich, und mir hilft es immer, wenn ich einmal (öffentlich) meine Gedanken festhalten kann, weshalb ich mich dann doch dazu durchgerungen habe.

Im September 2022 wurde bei meinem über 80jährigen Vater Blasenkrebs diagnostiziert, und obwohl er – dank einiger ernsthafter chronischer Krankheiten – in keinem guten gesundheitlichen Zustand war, hat er die in den folgenden Monaten durchgeführten Operationen gut überstanden. Anfang Mai war er krebsfrei und sollte aus dem Krankenhaus entlassen werden, allerdings war zu diesem Zeitpunkt niemand da, der ihn hätte in Empfang nehmen und sich um ihn hätte kümmern können, weil meine Mutter wegen eines mehrfachen Beckenbruchs ebenfalls für einige Wochen ins Krankenhaus musste. Ich bin also zu meinen Eltern gefahren, um beide nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus zu versorgen, und konnte zu dem Zeitpunkt nicht vorhersagen, wie lange ich gebraucht würde.

Während meine Mutter sichtbare Fortschritte machte, ging es mit meinem Vater nicht aufwärts. Er hatte sehr starke Schmerzen, von denen wir bis heute nicht genau wissen, was sie verursacht hat, und die dazu führten, dass er von seinem Hausarzt wieder ins Krankenhaus eingewiesen wurde – wo er nach wenigen Tagen starb. Die darauf folgende Zeit habe ich mich also weiter um meine Mutter gekümmert und darum, all die Sachen zu organisieren, die nun einmal rund um einen Todesfall anstehen. Zum Glück hatten meine Eltern (nach vielen Jahren des Drängelns) vor einiger Zeit alle ihre Wünsche und wichtigsten Informationen für einen eventuellen Todesfall aufgeschrieben, was wirklich, wirklich hilfreich war.

Es klingt vielleicht seltsam, aber in den Tagen nach dem Tod meines Vaters habe ich nicht getrauert. Eine liebe Freundin meinte, dass das noch kommen wird, wenn ich die vergangenen Monate erst einmal verarbeitet und etwas mehr Ruhe habe – und vielleicht hat sie recht und es kommt für mich noch eine Zeit der Trauer. Aber es gibt zwei Aspekte, die dagegen sprechen: Auf der einen Seite denke ich, dass es so für meinen Vater gut war, und auf der anderen Seite habe ich in den vergangenen Jahren schon einen Teil meiner Trauer erledigt. Mein Vater ist mit dem Alter kein einfacherer Mensch geworden, und in der Regel reagierte er auf alles, was ihm zu viel wurde, auf jede Person, die nicht seiner Meinung war, auf jedes negative Gefühl wie Angst, Frustration oder Überforderung mit Streit. Ich bin traurig, dass mein Vater nicht mehr Teil meines Lebens ist, aber noch trauriger war ich vor vielen Jahren, als klar wurde, dass er niemals all die Pläne in Angriff nehmen würde, die er für seine „Rentenzeit“ hatte.

Ich habe schon vor vielen Jahren angefangen um die Seiten meines Vaters zu trauern, die ihn liebenswert gemacht haben, um den Mann, der ganze Abende zuhörte, wenn ich ihm von den Dingen erzählt habe, die mich gerade interessierten, der mit mir zusammen tagträumte und der mit mir gemeinsam überlegte, wie ich die Pläne realisieren könnte, die mir tagelang durch den Kopf gingen. Ich habe schon vor langer Zeit um den Vater getrauert, der einen Sommer lang mit mir von einem Frisörsalon zum nächsten gefahren ist, weil ich mir in einem Jahrzehnt die Haare grün färben wollte, als das noch keine einfach zu kaufende Farbe war, und um den Vater, der mir als Kind Totenschädel und Säbel mit Edding auf den Arm malte, wenn ich im Urlaub über den Campingplatz stromerte. Ich bin froh, dass ich trotz all der negativen Gefühle, die es auch zwischen uns gab, so viele schöne und liebevolle Erinnerungen an meinen Vater habe, und am Ende kann ich nur sagen, dass es so gut ist, wie es ist.

Offline

Da ich in den kommenden Wochen anderweitig eingespannt sein werde, werde ich einige Zeit offline sein. Ich habe keine Ahnung, wann es bei mir (und hier) wieder normal weitergeht, melde mich dann aber mit einem Blogbeitrag zurück.

Eventuell wird das Ganze dann auch dafür sorgen, dass der Lese-Sonntag im Mai nicht auf meinem Blog stattfinden kann. Das kann ich noch nicht genau sagen, versuche mich dann aber hier zumindest kurz zu melden …

Jahresanfang

Die erste Januarwoche ist schon wieder vorbei, der „Weihnachtsurlaub“ ist zu Ende, und ich versuche ab heute wieder in meinen normalen Rhythmus zu finden, ohne dabei zu sehr an die beiden OP-Termine zu denken, die in diesem Monat noch für zwei Familienmitglieder anstehen. Wenn das alles vorbei und (hoffentlich!) gut gelaufen ist, habe ich vielleicht auch wieder mehr Energie für ein paar Extra-Dinge, die sich in den letzten Monaten aufgehäuft haben. (Ich habe keine Ahnung, wie lange ich schon vorhabe, ein paar Sachen versandfertig zu machen, ohne dass ich das auf die Reihe bekomme …)

Immerhin kann ich vermelden, dass ich in den letzten Tagen wieder gelesen habe. Wobei ich mich dabei ertappt habe, dass ich beim Beenden von „Before the Coffee gets cold“ von Toshikazu Kawaguchi dachte, wie schön es doch ist, dass ich endlich ein Buch gelesen habe – nur um dann festzustellen, dass ich für den Januar schon zwei beendete Romane auf meiner Liste stehen hatte. Und dann musste ich erst einmal darüber nachdenken, wieso die sich für mich nicht als „richtige“ Bücher angefühlt haben, so dass ich vollständig vergessen hatte, dass ich sie überhaupt gelesen habe. Ein Grund war, dass ich „Storm Forged“ von Lindsay Buroker schon im vergangenen Jahr angefangen hatte, aber das war es nicht allein.

Sowohl „Storm Forged“, als auch „Gladiator Bear“ von Murphy Lawless (eines der vielen Pseudonyme von C.E. Murphy) waren nette und unterhaltsame Romane, aber keiner von beiden hatte irgendwelche Elemente, die dafür sorgten, dass ich mich (beim Lesen oder danach) damit hätte beschäftigen müssen. Beide Geschichten haben sich hervorragend im abgelenkten Zustand lesen (oder eben auch nach wenigen Absätzen unterbrechen) lassen, ohne dass ich das Gefühl hatte, ich würde irgendwas verpassen. Beide sind perfekte Bücher für Phasen, in denen ich mich einfach nur etwas unterhalten lassen will, aber die Handlung ist vorhersehbar. Die amüsanten Szenen wiederum sind sehr nett zu lesen und die Figuren sind vertraute Stereotype mit ein paar netten Eigenschaften, die dafür sorgen, dass ich sie gern einige Seiten lang begleite. Alles in allem also keine besonders erinnerungswürdigen Romane, auch wenn sie ihren Zweck definitiv erfüllt haben.

Vielleicht lag es aber auch daran, dass wir zwischen Weihnachten und dem vergangenen Wochenende ziemlich intensiv „Mechs vs. Minions“ gespielt haben, dass ich die beiden Bücher so schnell so gründlich verdrängt hatte. Das Brettspiel haben wir nach einigen Jahren Pause wieder rausgesucht, weil wir beide überraschenderweise Lust darauf hatten. Und so haben wir uns an zwölf von fünfzehn Urlaubstagen am frühen Nachmittag hingesetzt und versucht, mit unseren gezogenen Karten eine „Befehlskette“ zu programmieren, die unseren Mechs im Kampf gegen eine Horde von Minions möglichst viele Alternativen gab. Das war stellenweise überraschend anstrengend und fordernd, aber es hat auch viel Spaß gemacht (vor allem, da wir nach der vierten Mission als Hausregel eingeführt hatten, dass es kein Zeitlimit beim Ziehen der Karten mehr geben wird). Nachdem wir am Samstag die letzte Mission hoffnungslos verloren hatten, hatten wir schon befürchtet, wir müssten das Spiel für diese Woche wegräumen, ohne siegreich zu sein, aber am Sonntag lief es dann so gut, dass wir nicht einmal eine Stunde brauchten, um den Endboss zu besiegen.

Ich hoffe, ihr habt euren Jahresanfang auch recht geruhsam verbringen und die vorherigen Feiertage genießen können! Mal schauen, was uns dieses Jahr so bringt …

Kommt gut ins neue Jahr!

Neben all den guten Wünschen, die wir alle zu Silvester austauschen, in denen wir uns für das kommende Jahr Gesundheit, Glück und all die anderen schönen Dinge wünschen, die das Leben ein bisschen schöner machen, schwingt zum neuen Jahr ja auch häufig die Hoffnung mit, dass alles grundsätzlich ein bisschen besser werden könnte. Zu diesem Silvester gibt es sogar einen konkreten Anlass zu dieser Hoffnung, doch bevor die Corona-Impfungen in Deutschland so weit sind, dass die Pandemie nicht mehr ganz so furchterregend sein wird, werden noch einige Monate vergehen. Also passt in den kommenden Monaten weiterhin gut auf euch und eure Lieben auf, bleibt zu Hause und macht es euch dort so schön wie möglich, auch wenn euch so langsam die Decke auf den Kopf fallen sollte.

Auch wenn das Jahr 2021 noch einmal mit schlimmen Nachrichten und deutlich härterem Lockdown anfängt, so besteht die Hoffnung, dass es zum Ende hin deutlich besser sein wird als jetzt. Also kommt gut ins neue Jahr und haltet euch an der Hoffnung fest, dass es in absehbarer Zeit aufwärts geht. 🙂

Im Moment …

… habe ich überraschend viel um die Ohren, und die To-do-Liste scheint in der Regel länger als der Tag zu sein. Aber nicht alle Punkte auf der To-do-Liste sind stressig oder reine „Pflichtaufgaben“. Manchmal steht da auch „Kuchen zum Frühstück genießen“ drauf, und das mache ich dann auch.

Ein grün gemusterter Teller mit einem sehr flachen Stück Apple Pie und einem Klecks Sahne darauf, daneben eine schwarz-weiß-geringelte Tasse mit Milchkaffee

Die To-do-Liste führe ich eigentlich, damit ich nicht ständig den Kopf voll mit Dingen habe, an die ich noch denken will, aber so richtig klappt das gerade nicht. Weshalb ich in den letzten Wochen nicht so viel Ruhe und Zeit zum Lesen hatte, wie ich gern gehabt hätte, aber grundsätzlich läuft es gerade trotzdem ganz gut mit den Büchern. Am Ende des Tages kann ich doch auf so einige Lesepausen zurückblicken, und das finde ich ziemlich schön.

Ein aufgeschlagenes Buch mit englischem Text auf einer orangefarbenden Decke

Allerdings sorgt meine Grund-Wuseligkeit auch dafür, dass mir immer wieder andere Bücher durch den Kopf gehen, die ich „jetzt sofort“ und wenn nicht schon „genau in diesem Moment“, dann definitiv „spätestens morgen“ anfangen will. So wächst der Stapel neben meinem Sofa immer weiter an, aber irgendwie ist es auch ziemlich schön, dass da so viele Titel auf mich warten, auf die ich mich so freue.

Zwei Stapel mit insgesamt dreizehn Büchern, von denen man nur den Buchschnitt sieht, vor einem Fenster

Es gibt momentan eine Menge Dinge, die ich nicht beeinflussen kann, und es gab ein paar schlechte Nachrichten von verschiedenen Seiten. Aber es gab auch immer wieder kleine Momente in den vergangenen Tagen, in denen sich jemand meldet und sagt „es geht mir besser“ oder „ich habe mich lange nicht gemeldet, aber immer wieder an dich gedacht“. Alles in Allem kann ich sagen, dass es mir persönlich trotz der vollen To-do-Listen und nicht so schönen Nachrichten gerade gut geht. Mir ist klar, dass das mehr ist, als viele andere zur Zeit von sich sagen können, weshalb ich diese Phase im Moment umso bewusster genieße …

Ich hoffe sehr, dass es bei denjenigen von euch, denen es gerade nicht so gut geht, bald besser ausschaut, und wenn es etwas gibt, das ich für euch tun kann, dann sagt bitte Bescheid.

Was schön war (4)

Endlich richtiges Herbstwetter erleben.
Aufwachen und hören, wie der Regen gegen das Fenster klopft.
Zum ersten Mal seit März wieder Socken anziehen,
weil die Zehen kalt werden.

Nach viel zu langer Zeit wieder
mit einer guten Freundin telefoniert
und debei regelmäßige „Telefon-Termine“ verabredet,
damit die Pausen zwischen den Telefonaten in Zukunft
nicht mehr so lang werden.

Das erste Roller-Derby-Spiel seit Saison-Start gesehen –
„unser“ Team spielt zwar in derselben Liga
wie die heutigen Gegner, aber nicht auf demselben Niveau.
Das Zuschauen hat trotzdem Spaß gemacht!

Was schön war (4)

Endlich richtiges Herbstwetter erleben.
Aufwachen und hören, wie der Regen gegen das Fenster klopft.
Zum ersten Mal seit März wieder Socken anziehen,
weil die Zehen kalt werden.

Nach viel zu langer Zeit wieder
mit einer guten Freundin telefoniert
und debei regelmäßige „Telefon-Termine“ verabredet,
damit die Pausen zwischen den Telefonaten in Zukunft
nicht mehr so lang werden.

Das erste Roller-Derby-Spiel seit Saison-Start gesehen –
„unser“ Team spielt zwar in derselben Liga
wie die heutigen Gegner, aber nicht auf demselben Niveau.
Das Zuschauen hat trotzdem Spaß gemacht!

Was schön war (4)

Endlich richtiges Herbstwetter erleben.
Aufwachen und hören, wie der Regen gegen das Fenster klopft.
Zum ersten Mal seit März wieder Socken anziehen,
weil die Zehen kalt werden.

Nach viel zu langer Zeit wieder
mit einer guten Freundin telefoniert
und debei regelmäßige „Telefon-Termine“ verabredet,
damit die Pausen zwischen den Telefonaten in Zukunft
nicht mehr so lang werden.

Das erste Roller-Derby-Spiel seit Saison-Start gesehen –
„unser“ Team spielt zwar in derselben Liga
wie die heutigen Gegner, aber nicht auf demselben Niveau.
Das Zuschauen hat trotzdem Spaß gemacht!

Sommerwetter

Auch wenn es euch vielleicht nicht so vorkommt, so versuche ich mich doch beim Jammern über die Hitze zurückzuhalten. Immerhin ist es seit gestern ein bisschen kühler und heute sollte ich vielleicht sogar tagsüber auch mal die Vorhänge öffnen können, ohne dass die Sonne gleich alles durchheizt. Auch wenn es selbst bei anhaltender Temperaturreduzierung (die leider nicht vorhergesagt wurde) noch eine Weile dauert, bis die Hitze aus den Wänden der Wohnung verschwindet, bin ich über jede kleine Abkühlung des „Sommerwetters“ froh. Und um euch nicht immer nur erzählen, dass es hier verflixt warm ist, gibt es noch ein Bild, das ich Samstagabend von der Küchenfensterbank geschossen habe. 😉

Was schön war (3): Eine Urlaubswoche mit japanischem Filmfestival

Ich hatte ja schon erzählt, dass mein Mann die letzte Mai-/erste Juniwoche Urlaub hat und wir diese Zeit nutzen werden, um möglichst viele Filme bei der Nippon Connection zu sehen. Angefangen hat das Filmfest für uns am Dienstagabend mit dem Eröffnungsfilm „Mori – The Artist’s Habitat“. Ich muss gestehen, dass ich schon das Schlimmste befürchtete, weil sich im vergangenen Jahr die Eröffnungsreden direkt vor dem Film nicht nur endlos hingezogen haben, sondern sich auch extrem wiederholten, da wirklich jeder Redner jeden anwesenden Ehrengast begrüßen, jedem Helfer danken und jede Fördersumme inklusive Quelle aufführen musste. In diesem Jahr war es nicht ganz so schlimm, trotzdem hätte man gut ein Trinkspiel aus den sich wiederholenden Elementen der verschiedenen Reden machen können. 😉 Auch war es ein bisschen schade, dass die wirklich hervorragende Dolmetscherin, die die Redebeiträge der verschiedenen Sprecher im fließenden Wechsel zwischen Japanisch und Deutsch übersetzte, nach dem Film nicht mehr für die Q&A-Runde mit dem Regisseur zur Verfügung stand. Ihre Kollegin war jetzt nicht wirklich schlecht, aber eben nicht genauso gut – so dass man regelmäßig das Gefühl hatte, man würde Details der Antworten verpassen. (Allerdings finde ich es lustig, dass ich inzwischen genügend japanische Wörter erkenne, um festzustellen, dass mir beim Übersetzen etwas vorenthalten wurde.)

Der Film selbst war einfach nur wunderbar! „Mori – The Artist’s Habitat“ dreht sich um einen (fiktiven) Tag im Leben des zu dieser Zeit 94jährigen Malers Morikazu Kumagai (1880 – 1977). Der Maler war nicht nur für seine Kunstwerke berühmt, sondern auch für die Tatsache, dass er die letzten dreißig Jahre seines Lebens nicht mehr sein Grundstück verlassen hat. Seine Zeit verbrachte er wohl vor allem damit, in seinem kleinen Garten die Natur (in erster Linie Insekten und Amphibien, aber auch Vögel und Katzen) zu beobachten – was natürlich auch großen Einfluss auf seine Kunst hatte. Im Film selbst bekommt man von Morikazu Kumagai eigentlicher Kunst relativ wenig mit, wenn man von den regelmäßigen Besuchern absieht, die von dem Maler etwas wollen. Stattdessen wechselt der Film von wunderschönen Naturaufnahmen und sehr ruhigen Momenten, in denen der Maler (gespielt von Tsutomu Yamazaki) sich in seinem Garten aufhält, zu amüsanten – stellenweise schon fast slapstickartigen – Szenen, in denen es um die Familie, die vielen Besucher und das Unverständnis gegenüber der sehr reduzierten Kunst von Morikazu Kumagai geht. Von dem Regisseur (und Drehbuchautor) Shuichi Okita haben wir schon die DVD von „The Woodsman and the Rain“ in unserem Besitz und ich hoffe sehr, dass auch dieser Film demnächst auf DVD zu kaufen sein wird, denn ich bin mir sicher, dass wir auch daran langfristig Freude haben werden.

Der zweite Film, „Destiny – The Tale of Kamakura“, ist eine Manga-Realverfilmung und erzählt eine wirklich wunderschöne und witzige Geschichte voller fantastischer Elemente. Die Handlung dreht sich um den Schriftsteller Masakazu und seine junge Frau Akiko. Direkt nach der Hochzeit zieht Akiko zu Masakazu in den kleinen Ort Kamakura. Die Alterspanne zwischen den beiden ist recht groß, aber es wird von Anfang an deutlich, wie sehr die beiden einander zugetan sind. Erst nach ihrem Umzug findet Akiko heraus, dass Kamakura voller magischer Energie ist – was bedeutet, dass sich allerlei übernatürliche Kreaturen von diesem Ort angezogen fühlen. Während dieses Zusammenleben mit Naturgeistern, Göttern und ähnlichen Wesen für Masakazu eine relativ alltägliche Sache ist, ist Akiko anfangs eher erschrocken über die ungewöhnlichen Nachbarn.

Der Regisseur Takashi Yamazaki gilt als einer der führenden Special-Effects-Experten in Japan, und so ist es kein Wunder, dass dieser Film voller seltsamer Kreaturen und magischer Orte war. Aber für mich waren es vor allem die wunderbaren Charaktere und die vielen kleinen, amüsanten oder berührenden Momente, die den Film zu einem solchen Genuss gemacht haben. Der Großteil der Geschichte spielt in Kamakura und so gibt es viele kleine Szenen, in denen Akiko auf übernatürliche Wesen trifft, wodurch sich ihre anfängliche Angst über Neugier in begeisterte Faszination für all diese magischen Aspekte des Lebens in Kamakura wandelt. Obwohl sich viele dieser magischen Elemente rund um den Tod drehen, ist „Destiny“ kein trauriger Film. So ist es zum Beispiel sehr lustig, als Akiko am Anfang eine Nachbarin von Masakazu kennenlernt und er ihr (mehr oder weniger) behutsam beibringen muss, dass die Dame schon vor einem Jahr verstorben ist. Dieser wunderbare Humor, die ganzen fantastischen Elemente und die wirklich hervorragend ausgewählten Schauspieler haben den Film für mich zu einem Wohlfühlfilm gemacht, der mir – trotz einer Laufzeit von über zwei Stunden – viel Spaß gemacht hat. Das Ende hätte man zwar etwas raffen und mit ein paar weniger Wiederholungen bei den Effekten erzählen können, aber das ist auch der einzige Kritikpunkt, der mir dazu einfällt, – was erschreckenderweise bedeutet, dass es einen weiteren Film gibt, bei dem ich auf eine DVD-Veröffentlichung hoffen muss.

Beim dritten Film, den ich in dieser Woche gesehen habe, besteht immerhin nicht die Gefahr, dass ich ihn auch für unsere private Sammlung haben will. „Oh Lucy!“ hatte ich – obwohl die Hauptdarstellerin Shinobu Terajima in diesem Jahr mit dem Nippon Honor Award des Filmfests ausgezeichnet wird – eigentlich nicht auf meinem Plan, aber unsere ehemalige Nachbarin schlug den Film für einen gemeinsamen Kinobesuch vor. Laut Ankündigung sollte „Oh Lucy!“ eine mit „einem außerordentlichen Gespür für komisches Timing“ erzählte Geschichte mit „bezauberndem Gefühlswirrwarr“ sein. Aber ich fand den Film rund um eine einsame und unglückliche Frau, die sich innerhalb kürzester Zeit in ihren amerikanischen Englischlehrer John verliebt, am Ende eher deprimierend.

Weder die Hauptfigur Setsuko (von besagtem Amerikaner für den Unterricht kurzerhand in „Lucy“ umgetauft), noch ihre Nichte (die mit dem Amerikaner liiert ist und mit ihm in die USA verschwindet) oder Setsukos Schwester scheinen am Ende eine Aussicht auf ein einigermaßen gutes Leben zu haben. Alle sind voneinander enttäuscht, zutiefst verletzt und fast noch einsamer als zuvor – selbst wenn Setsuko am Ende einem Menschen begegnet, der ihre Einsamkeit zu verstehen scheint. Da hilft es mir als Zuschauer auch nicht, dass die Besetzung von Shinobu Terajima bis Josh Hartnett (der den John spielt) wirklich gut ausgewählt war und sehr, sehr gute Leistung zeigte oder dass es anfangs wirklich einige amüsante Szenen gab (bei denen allerdings auch oft genug eine deutliche Spur von Fremdscham mitschwang).
(Nachtrag: Sonntag wurde der Film dann – für mich nicht ganz nachvollziehbar, weil ich die anderen Filme deutlich besser fand – noch mit dem Publikumspreis Nippon Cinema Award ausgezeichnet. Aber Geschmäcker sind nun mal sehr unterschiedlich. *g*)

Film Nummer vier war für uns die Dokumentation „Ramen Heads“, die sich vor allem um die Arbeit von Osamu Tomita, eines der besten Ramen-Köche Japans, dreht, aber auch die Schwerpunkte anderer berühmter japanischer Ramen-Köche aufgreift und mehr über die verschiedenen Varianten von Ramen und die unterschiedlichen Herangehensweisen beim Kochen erzählt. Ich muss gestehen, dass ich durch die verschiedenen Filme, Manga und Romane Ramen mit „Wohlfühlessen“ assoziiere, obwohl ich selbst nie japanische Ramen – egal welcher Variante – essen könnte, weil dieses Gericht definitv nicht für Vegetarier geeignet ist. So gab es auch relativ zu Beginn des Films eine Szene, in der man das Geheimnis der berühmten Brühe von Osamu Tomita erfuhr, für die 27 Stunden lang sehr viele unterschiedliche Fleischsorten (inklusive einem vollständigen Schweinekopf, Schweine- und Hühnerfüßen) mit Gemüse gekocht werden, um später mit verschiedenen Sorten Trockenfisch weitergekocht zu werden. Von diesen für mich wenigen appetitlichen Szenen abgesehen war die Dokumentation wirklich spannend, weil es ja nicht nur verschiedene „Grundsorten“ von Ramen (abhängig von der Basis für die Brühe) gibt, sondern auch innerhalb dieser Ramen-Arten verschiedene Herangehensweisen und Philosophien bei den unterschiedlichen Köchen.

Es war nicht nur spannend, mehr über die verschiedenen Köche zu erfahren, sondern auch über die Entstehung von Ramen an sich (vor allem die Erfolgsgeschichte nach dem 2. Weltkrieg) und die Gedanken, die sich die (moderneren) Köche über ihre Zutaten, den individuellen Touch ihres Restaurants und den Service gemacht haben. Ebenso fand ich es interessant, einen kleinen Einblick darin zu bekommen, wie es wohl für einen Auszubildenden in einem so berühmten Restaurant ist, oder wie das berühmte Schlangestehen von Osamu Tomita für sein Lokal (das gerade mal zehn Sitzplätze hat und bei mir für Beklemmungen sorgen würde) perfektioniert wurde. Da Osamu Tomita vier Jahre in Folge den Preis für den besten Ramen-Kochs Japans gewonnen hat, war diese Perfektionierung auch notwendig – wenn man nicht morgens um 6:30 Uhr seinen Sitzplatz reserviert, wird es schwierig mit dem Essen für diesen Tag. Am Ende des Films habe ich mir fast gewünscht, ich hätte nicht solche Probleme mit Fisch und Fleisch (und Soja) und könnte mir auch mal eine schöne Schale mit Ramen gönnen. 🙂
(Nachtrag: Der Film hat dann auch am Sonntag den Nippon Visions Audience Award gewonnen – beim Thema Essen waren sich die Zuschauer anscheinend schnell einig, dass sie das gut fanden. 😉 )

Am Sonntag haben wir dann noch „Recall“ gesehen, in dem sich die Handlung rund um eine kleine Transportfirma dreht, die in eines Tages in einen Unfall verwickelt wird. Anfangs wirkt es noch so, als ob die Mechaniker der kleinen Firma Akamatsu Schuld daran wären, dass sich ein Reifen von einem fahrenden LKW löste und eine Frau – vor den Augen ihres kleinen Sohnes – erschlug. Aber dann können die Mechaniker nachweisen, dass sie wesentlich gründlicher gearbeitet haben, als es der Gesetzgeber überhaupt von ihnen verlangt hat. Um herauszufinden, was diesen Unfall verursachen hat, und natürlich auch, um seine Transportfirma und somit die Arbeitsplätze seiner 80 Angestellten zu retten, wendet sich der Chef an die Herstellerfirma des LKWs – und obwohl er langjähriger treuer Kunde ist, bekommt er keinerlei Hilfe oder Antworten.

Es ist für den Zuschauer natürlich schnell klar, dass die Herstellerfirma Hope Motors was zu verbergen hat, aber die Frage, ob und wie Akamatsu herausfindet, was die Firma vertuschen will, und ob es ihm gelingt, gegen den mächtigen Konzern (und dessen diverse „Verbündete“) vorzugehen, sorgt für einen sehr fesselnden Film. Die Handlung wird in vielen kurzen und eindringlichen Szenen erzählt und beleuchtet die Motivation der verschiedensten Beteiligten. Dabei war es für mich sehr spannend, dass ich einige Elemente sehr „japanisch“ fand, wie die Ergebenheit gegenüber der Firma, das „Zusammenspiel“ zwischen den diversen Beteiligten oder die Bemühungen, sein Gesicht zu wahren. Auf der anderen Seite kann ich mir vorstellen, dass die Reaktionen bei dem meisten Großkonzernen (auch außerhalb Japans) vergleichbar wären (gerade wenn ich an den einen oder anderen aktuelleren Skandal in der Autodindustrie denke). Ein sehr guter Film mit fantastischen Schauspielern und einer spannenden – wenn auch vielleicht wenig überraschenden – Handlung.

Für sechs Tage Filmfestival scheinen fünf Kinofilme nicht so viel zu sein, aber auf der einen Seite hat uns die Hitze (und der daraus resultierende Schlafmangel) wirklich fertiggemacht und auf der anderen Seite haben wir uns in dieser Urlaubswoche auch relativ viel Restaurantessen gegönnt und die eine oder andere Erledigung auf die Reihe bekommen, so dass wir für unsere Verhältnisse verflixt viel unterwegs waren. Außerdem bedeutet Großstadt nicht unbedingt, dass der Nahverkehr auch optimal läuft, und so konnte es schon mal passieren, dass wir für einen 1 1/2stündigen Film mit An- und Heimfahrt insgesamt fünf Stunden unterwegs waren. Das sorgte bei Christie in den letzten Tagen auch für unangenehm viel Alleinsein und so brauchte sie nach unserer Heimkehr abends immer extra viel Betreuung und Aufmerksamkeit. Da heute der letzte Urlaubstag meines Mannes ist, beginnt für uns morgen wieder der Alltag. Und für das kommende Jahr ist die Urlaubswoche zur Nippon Connection schon wieder fest eingeplant … 🙂