Banana Yoshimoto: Moshi Moshi

Nach dem Lesen von „Moshi Moshi“ von Banana Yoshimoto habe ich mich gefragt, ob es eigentlich auch Bücher der Autorin gibt, die sich nicht mit dem Thema Trauer beschäftigen. Ich muss gestehen, dass ich bislang nur welche erwischt habe, in denen es um dieses Thema ging. So muss Yoshie (Yotchan), die Protagonistin in „Moshi Moshi“ mit dem Tod ihres Vater fertig werden, der – laut Angaben der Polizei – gemeinsam mit seiner Geliebten in einem Wald Selbstmord begangen hat. Weder Yoshie noch ihre Mutter wussten, dass der Vater überhaupt eine Geliebte hatte – auch wenn sie im Scherz darüber sprachen, dass er eine haben müsste, da er in letzter Zeit häufig nach seinen Konzerten über Nacht fernblieb – und beide sind der Meinung, dass Selbstmord auch nicht zu einem Menschen wie ihm passen würde. So müssen beide Frauen nicht nur mit dem Verlust des Verstorbenen fertig werden, sondern auch damit, dass es Seiten an diesem Mann gab, die sie nicht kannten.

Während Yotchans Mutter bei ihr Schutz sucht und sich in ihrer Trauer treiben lässt, flüchtet die junge Frau in ihre Arbeit. Sie ist in einem kleinen Restaurant in Shimokitazawa angestellt, das sich auf wohltuendes Essen (wie Yotchan es beschreiben würde) spezialisiert hat. Für Yotchan und ihre Mutter war das Restaurant während der ersten Trauerphase, als beide kaum etwas zu sich nehmen konnten, ihre Rettung, nun möchte Yoshie dafür sorgen, dass auch andere Kunden dort ein solch erholsames Essen genießen können. Sie beobachtet ihre Kunden beim Essen und versucht ihre Bedürfnisse zu erahnen, bevor diese sie aussprechen können. Und während ihrer Pausen oder nach Feierabend streift sie durch Shimokitazawa und genießt den – für Tokyo unglaublich entspannten – Rhythmus des Viertels. Sowohl für sie als auch für ihre Mutter fühlt sich der Wechsel von ihrer alten Wohnung in Meguro nach Shimokitazawa wie Urlaub an. Sie leben, als ob es keine Verpflichtungen gäbe (natürlich abgesehen von Yoshies Arbeit) und versuchen jeden Tag so zu genießen wie er kommt.

Doch natürlich reicht das nicht aus, um mit dem Tod des Vaters fertig zu werden und so gibt es immer wieder Momente, in denen Yotchan sich mit damit auseinandersetzen muss. Manchmal geschieht dies, weil Freunde oder Bekannte ihres Vaters auf sie zukommen, manchmal sucht sie selber aktiv nach Informationen. Doch immer geht es nur in kleinen Schritten vorwärts, weil es für die junge Frau zu belastend ist, dass ihr Vater auf diese Weise aus ihrem Leben gegangen ist. So ist es auch kein Wunder, dass sie immer wieder von ihm (und seiner Geliebten) träumt, während sie auf der anderen Seite in ihrem Alltag häufig Probleme hat eine Entscheidung zu treffen, die über ihre Arbeitsplatz hinausgeht.

Auch wenn sich das jetzt vielleicht deprimierend anhört, so ist „Moshi Moshi“ doch ein sehr ermutigendes Buch, das dem Leser immer wieder sagt, dass alles seine Zeit braucht, dass man nicht hetzen muss und dass man seinen eigenen Rhythmus finden muss – egal, ob es um die Verarbeitung von Trauer, das Essen oder das Leben im allgemeinen geht. Außerdem ist die Geschichte eine wunderbare Liebeserklärung an das Künstler- und Szeneviertel Shimokitazawa mit seiner gewachsenen Struktur, seinem entspannten Lebensgefühl und all den liebenswerten und individuellen Bewohnern. Ich mochte es sehr, wie die Autorin die Eigenheiten dieses Viertels beschrieb, wie sie die Mutter abends von ihrem Tag und all den Menschen, denen sie begegnet ist, erzählen lässt und wie Yotchan über die Passanten redet, die sie auf der Straße beobachtet.

Und natürlich ist „Moshi Moshi“ auch eine Geschichte vom Erwachsenwerden, denn mit dem Tod des Vaters wird Yoshie bewusst, dass sie sich nicht ewig auf ihre Eltern stützen kann, dass jetzt schon eine wichtige Konstante aus ihrem Leben verschwunden ist und dass eines Tages auch der Moment kommen wird, in dem ihre Mutter nicht mehr für sie da sein kann. Umso wichtiger ist es, dass Yotchan lernt, ihren eigenen Weg zu gehen, herauszufinden, was ihr Leben lebenswert macht, und sich nicht immer wieder mit dem zu begnügen, was gerade gut ist, sondern sich auch mal konkrete Ziele zu setzen und herauszufinden, wie sie diese Ziele erreichen kann. Dabei erzählt Banana Yoshimoto von all diesen Veränderungen in Yoshies Leben in gewohnt unaufgeregter Weise.

Doch so sehr die Handlung vor sich hinzuplätschern scheint, so sehr packen mich auch immer wieder die Gedanken und Gefühle der Protagonisten dieser Autorin. Bei einem Yoshimoto-Roman bleibt die Geschichte eine Weile bei mir und lässt mich über die Figuren, die Ereignisse und auch mein eigenes Leben nachdenken, während es mich auf der anderen Seite immer wieder zum Buch treibt, um nur noch ein paar Seiten zu lesen, um nur eben herauszufinden, welche Auswirkungen dieser eine neue Denkansatz, diese eine Begegnung oder diese ganz bestimmte Erkenntnis auf die Figuren haben mag. Spannend finde ich es auch, dass ich mich langfristig immer kaum an die Handlung erinnern kann (und grundsätzlich recherchieren muss, wie die gelesenen Bücher überhaupt hießen und um welche Charaktere sie sich überhaupt drehten), aber dafür Bilder im Kopf habe, die ich mit den jeweiligen Titeln verbinde – selbst wenn sie so gar nicht im Roman vorkamen.

3 Kommentare

  1. Ich habe bisher 7 Bücher von ihr gelesen und alle hatten Tod und Trauer als Thema. Keine Ahnung, ob es auch mal ohne geht, aber ich glaube fast nicht. 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert