„Schattenfreundin“ von Christine Drews habe ich vor einer Weile gelesen, weil ich immer ganz gerne einen Versuch mit Debütromanen von deutschen Autoren wagen – vor allem wenn die Geschichten in Gegenden spielen, die ich ein wenig kenne. Wenn ich die Verlagsangaben richtig interpretiert habe, dann soll dieser Kriminalroman der Auftakt einer Reihe rund um die Polizisten Charlotte Scheidmann und Peter Käfer werden, umso mehr hatte es mich erstaunt, dass die beiden Ermittler erst einmal gar keine Rolle in der Handlung gespielt haben.
Stattdessen lernt man Katrin Ortrup kennen, die gerade erst wieder mit Mann und Kind nach Münster gezogen ist, wo auch ihre Mutter lebt. Schnell bekommt der Leser mit, dass Katrins Ehe mit Thomas nicht gerade die beste ist. Während er sich auf die Karriere konzentriert, darf sie sich um ihren eigenen Job als Physiotherapeutin, das Renovieren und Einrichten des neuen Hauses und natürlich um ihren Sohn Leo kümmern. (Ich fand es übrigens beim Lesen etwas überzogen, dass Thomas von Anfang an so unsympathisch dargestellt wurde und somit schon als potentieller „Tatgrund“ präsentiert wurde, bevor noch irgendetwas passiert war.)
Da Katrin so unzufrieden mit ihre Leben ist, freut sie sich umso mehr, als sie über Leos Kindergarten Tanja Weiler trifft. Die hat einen ebenfalls dreijährigen Sohn, der häufig mit Leo spielt. So bietet es sich natürlich an, dass die beiden Frauen etwas Zeit miteinander verbringen, während die beiden Kinder miteinander beschäftigt sind. Und als Katrin wegen eines Notfalls einen Babysitter für Leo benötigt, steht Tanja selbstverständlich zur Verfügung – und nutzt die Gelegenheit, um den kleinen Jungen zu entführen.
Da man aufgrund des Klappentextes von Anfang an weiß, dass dies passieren wird, fand ich den Beginn der Geschichte wirklich spannend. Obwohl die sich anbahnende Freundschaft zwischen den beiden Frauen ganz realistisch beschrieben wurde, war mir – als misstrauischer Leser mit Vorwissen – die ganze Zeit bewusst, dass Katrin eigentlich so gut wie gar nichts über Tanja weiß. Gleichzeitig habe ich natürlich jeden einzelnen Satz dieser neuen „Freundin“ unter die Lupe genommen und überlegt, ob die zukünftige Täterin nicht vielleicht doch mit irgendeinem Wort oder Nebensatz etwas über ihr Motiv verrät.
Als die Entführung dann wirklich passiert war und Charlotte Scheidmann (ihr Kollege bleibt so profillos, dass er für mich in dem Buch keine Rolle spielte) die Ermittlungen aufnimmt, gibt es so gut wie keine Anhaltspunkte für die Suche nach Leo. Das führt dazu, dass die Handlung etwas zäh voranschreitet, während man sich als Leser nun mit Charlotte, ihren Kindheitserinnerungen und ihrer Beziehungsunfähigkeit beschäftigen darf. Das verleiht der Polizistin zwar etwas mehr Charakter, lässt die Spannung aber noch weiter abflauen.
Letztendlich war es mir fast egal, was mit Leo passierte. Ich habe weder um den Jungen, noch um seine Familie gebangt, emotional hat mich die ganze Geschichte wirklich gleichgültig gelassen. Auf der anderen Seite fand ich es schon unterhaltsam, dass ich mir Gedanken um die Hintergründe der Tat machen und jede noch so nebensächliche Aussage auf Hinweise überprüfen konnte. Die Frage nach der Motivation der Täterin war es dann auch, die mich das Buch bis zum Ende hat lesen lassen – was mir zur Belohnung sogar noch einen etwas rasanteren Schluss eingebracht hat. 😉
Aufgefallen ist mir auch noch, dass Christine Drews sich sehr auf die Frauenfiguren in ihrem Roman konzentriert. Katrin und Charlotte bekommen einen etwas ausgearbeiteten und interessanteren Hintergrund, während die weibliche Nebencharaktere zwar recht klischeehaft beschrieben sind, aber man auch gerade deshalb sofort ein recht konkretes Bild von ihnen vor Augen hat. Bei den Männern hingegen fehlt mir jegliche Kontur. Peter Käfer ist total farblos und nebensächlich und Thomas Ortrup wird kurz als egoistischer Mistkerl präsentiert und verschwindet dann im Hintergrund. Das Schlimmste ist aber für mich, dass die beiden männlichen Figuren, die letztendlich eine entscheidenden Rolle in der Geschichte einnehmen, eigentlich gar keinen Raum in der Handlung bekommen.
Trotz all meiner Kritikpunkte fand ich den Roman jetzt nicht schlecht, er hat mich nur nicht richtig fesseln können oder gar einen langanhaltenden Eindruck hinterlassen (oh je, das klingt auch vernichtender als es gemeint ist). Ich würde auf jeden Fall irgendwann noch einmal einen Roman der Autorin antesten, um zu gucken, ob sie das mit der Spannung mit etwas Übung noch besser hinbekommt.