Zu meiner großen Überraschung ist es schon über ein Jahr her, dass ich „A Useful Woman“ von Darcie Wilde gelesen habe. Ich war mir sicher, dass ich das erst vor wenigen Wochen gelesen hatte, auch weil ich noch sehr lebhafte Erinnerungen an den Roman habe. Doch so gut mir der Auftaktband der Rosalind-Thorne-Mysterys gefallen hat, nach dem Lesen von „A Purely Private Matter“ kann ich sagen, dass der zweite Teil der Reihe definitiv noch besser ist. Dieses Mal wird Rosalind von ihrer Freundin Alice Littlefield gebeten, sich um die Probleme ihrer Bekannten Margaretta Seymore zu kümmern. Mrs. Seymore ist eine schöne und charismatische Frau, die für ihre romantischen Gedichte bekannt geworden ist. Doch ihre Stellung in der Gesellschaft (und die Zukunft ihres ungeborenen Kindes) wird dadurch gefährdet, dass ihr Mann (Captain William Seymore) den berühmten Schauspieler Fletcher Cavendish auf Schadensersatz verklagen will, da dieser – laut der Vorwürfe des Captains – ein Verhältnis mit Margaretta haben soll. Bevor Rosalind noch viel mehr über die Hintergründe dieser unschönen Geschichte erfahren kann, wird Mr. Cavendish in der Garderobe seines Theaters ermordet.
Das Grundthema ist auch in diesem Roman wieder die unsichere Stellung von Frauen der Gesellschaft in der Georgianischen Zeit, denn nicht nur Margaretta Seymores Position, sondern auch Rosalinds Stellung – die für ihre Arbeit immens wichtig ist – wird immer wieder durch die Ereignisse rund um den Mord gefährdet. So muss Rosalind bei ihren Ermittlungen rund um den Tod von Fletcher Cavendish immer wieder gut abwägen, wie weit sie gehen kann und ob sie es riskieren darf, eine höherstehende Person – wie zum Beispiel Margarettas Schwager Lord Bertram – zu verärgern. Darcie Wilde zeichnet in „A Purely Private Matter“ das Bild einer Familie, die durch interne Machtspiele und Eifersüchteleien zerrüttet ist und in der jeder seine eigenen Intrigen zu spinnen scheint. Dazu kommt, dass Rosalind sich von Anfang an der Tatsache bewusst ist, dass ihre Klientin ihr nicht die ganze Wahrheit (oder vielleicht sogar direkte Lügen) erzählt hat. Mir hat es sehr viel Spaß bereitet, all die verschiedenen Familienmitglieder der Seymores kennenzulernen und herauszufinden, wer vielleicht ein Motiv hätte, Margaretta zu kompromittieren oder ihren Mann gegen sie aufzuhetzen.
So gut mir „A Useful Woman“ schon gefallen hat, so muss ich zugeben, dass in diesem ersten Band um Rosalind die Handlung recht gemächlich erzählt wurde, weil auch erst einmal die Vorgeschichte der Protagonistin eingeflochten werden musste. In „A Purely Private Matter“ wird die Handlung dem Lesern deutlich dichter präsentiert, und auch den Kriminalfall fand ich besser konstruiert. Immer wieder gibt es neue Figuren, die weitere Informationen zu dem Fall beitragen, und nie kann sich Rosalind darauf verlassen, dass Margarette ihr (oder den offiziellen Ermittlern) dieses Mal die Wahrheit sagen wird. Dafür bekommt sie aus der einen oder anderen unerwarteten Quelle Hilfe bei ihren Nachforschungen (und ich hoffe sehr, dass diese Nebenfiguren auch in dem nächsten Roman wieder einen Auftritt haben werden, da sie einfach wunderbar waren)! Das alles sorgt für eine zügig zu lesende und wirklich unterhaltsame Geschichte mit der einen oder anderen überraschenden Wendung. Mir gefällt es, wie Darcie Wilde ihre Charaktere gestaltet und mir so das Gefühl gibt, dass das realistische Personen mit Stärken und Schwächen sind, und wie vielfältig sie die Gesellschaft in London im Jahr 1818 darstellt. In ihren Bücher kommen ebenso selbstverständlich Personen vor, die im Rang aufgestiegen sind, wie Figuren, die von einem Tag auf dem anderen tief gefallen sind, und auch wenn nicht jeder von ihnen sympathisch dargestellt wird, so bekommt man doch ein Gefühl für ihr Leben und für ihre Motive.
Was mir noch angenehm aufgefallen ist: Rosalind fällt hier und da aus der Rolle. Sie ist von Anfang an wütend, weil sie das Gefühl hat, sie wurde von Margaretta benutzt. Und während sie im ersten Band froh war, dass ihr die gesellschaftlichen Regeln Halt und Sicherheit bieten, so ist sie inzwischen so weit, dass sie es stellenweise fast genießt, wenn sie aus diesen Regeln ausbrechen kann. Ich finde es spanned, wie sie sich als Figur entwickelt, und hoffe, dass die Autorin das auch im kommenden Band so weiterführen wird. Worauf ich persönlich hätte verzichten können, ist die – zum Glück nicht so dominierende – „Dreiecksgeschichte“ zwischen Rosalind, ihrer ersten großen Liebe, dem Duke of Casselmain, und dem Bow Street Runner Adam Harkness. Für beide Männer empfindet Rosalind etwas (und diese für sie), aber mit keinem von beiden kann sie sich eine Zukunft vorstellen. Mir wäre es lieber, wenn sich einfach alle Beteiligten auf eine respektvolle Freundschaft einigen würden. Aber da das nicht wahrscheinlich ist, werde ich weiterhin damit leben müssen, dass es hier und da kleine Szenen gibt, in denen all die (un)ausgesprochenen Gefühle zu unbehaglichen Situationen führen. Da dieses „romantische Element“ in der Geschichte aber keine so große Rolle spielt und ich alles andere an diesem Roman wirklich sehr mochte, freue ich mich jetzt schon darauf, dass ich in ein paar Monaten die Taschenbuchausgabe des dritten Teils der Reihe, „And Dangerous to Know“, in den Händen halten kann.