Hiromi Kawakami und Jiro Taniguchi: Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß (Manga)

Auch wenn es ein bisschen gedauert hat, kommt hier doch endlich meine Meinung zu der Manga-Umsetzung von “Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß” von der Autorin Hiromi Kawakami. Gleich vorweg: Den gleichnamigen Roman habe ich parallel zum Manga gelesen und obwohl es kleine Unterschiede gibt, hat sich der Mangaka Jiro Taniguchi so nah an die Geschichte und den Erzähltext gehalten, dass man schon beide Varianten nebeneinander legen muss, um die Veränderungen bewusst zu erfassen.

In dem Manga-Zweiteiler “Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß” erzählt Jiro Taniguchi in sehr detailreichen und atmosphärischen Bildern die Geschichte von Tsukiko Omachi und ihrem früheren Lehrer Harutsuna Matsumoto. Viele Jahre nach Tsukikos Schulzeit sehen sich die beiden zufällig regelmäßig in einer kleinen Bar. Obwohl sie sich wiedererkennen, suchen die beiden keinen Kontakt zueinander oder überhaupt Gesellschaft. Allerdings fällt ihnen im Laufe der Zeit auf, dass sie den selben – eher altmodischen – Geschmack haben, wenn es ums Essen geht.

Für den Leser wird schnell klar, das Tsukiko und ihr Sensei (wie sie den Lehrer immer noch nennt) recht einsame Menschen sind, die sich davor scheuen den Abend allein daheim zu verbringen. Und vor allem bei Tsukiko sorgt ihre Unbeholfenheit dafür, dass sie sich in der Gesellschaft anderer Menschen nicht wohl fühlt. Im Laufe der Zeit geraten die Frau und ihr ehemaliger Lehrer immer wieder ins Gespräch, trinken gemeinsam an der Theke des Lokals Sake und enden auch mal beim Sensei daheim, um nach Kneipenschluß noch etwas mehr zu trinken.

Von Anfang an fand ich diese beiden einsamen Menschen einfach nur rührend und die Geschichte wunderbar melancholisch. Der Sensei ist mit seinen fast siebzig Jahren ein altmodischer Mann mit festen Vorstellungen und einem nicht selten väterlich-bevormundenden Verhalten gegenüber Tsukiko. Sie hingegen fühlt sich mit anderen Menschen normalerweise sehr unwohl, hat oft das Gefühl, dass sie nicht angemessen reagiert oder die Motive ihres Gegenübers nicht richtig einschätzen kann und bleibt deshalb lieber für sich. Aber in der Gesellschaft des Senseis fühlt sich Tsukiko wohl, bei ihm findet sie eine Wärme und Sicherheit, die die Mitdreißigerin sonst in ihrem Leben vermisst hat. Und auch wenn seine belehrende Art sie immer mal wieder kratzbürstig sein lässt, so schätzt sie doch seine Lebenserfahrung und sein Wissen.

Im ersten Band habe ich mich manchmal gefragt, warum die Handlung als “Liebesgeschichte” bezeichnet wird, denn obwohl Tsukiko und der Sensei immer weiter aufeinander zugehen, immer mehr miteinander unternehmen, scheint sich erst einmal nur eine ungewöhnliche Freundschaft zu entwickeln. Beide bereichern das Leben des anderen, während sie zusammen Ausflüge unternehmen, sich über Essen unterhalten oder sich über Sport streiten (und deshalb auch mal vollständig den Kontakt abbrechen). Erst im zweiten Band wird deutlich wie intensiv die Gefühle der beiden inzwischen füreinander sind. Doch versuchen beide die aufkeimende Liebe zu leugnen. So trifft sich Tsukiko zum Beispiel mit einem alten Schulkameraden, der für sie schwärmt. Doch obwohl dieser an einer Beziehung interessiert wäre, fühlt sich die Frau mit ihm einfach nicht so wohl wie mit ihrem Sensei.

Obwohl der Roman “Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß” nur ein schmaler Band ist, hatte ich beim Lesen das angenehme Gefühl, dass sich Hiromi Kawakami mit der Handlung Zeit gelassen hat. Viele kleine Szenen und Gedanken sorgen dafür, dass die Charaktere dem Leser mit all ihren Eigenheiten immer vertrauter werden, und gerade durch die zum Teil recht alltäglichen und – auf den ersten Blick – belanglosen Momente hat mich diese Geschichte wirklich berührt. Doch noch schöner als das Buch fand ich den Manga, da Jiro Taniguchi so wundervoll ausdrucksvolle Zeichnungen geschaffen hat.

Seine Charaktere – unabhängig davon, ob es sich dabei um Haupt- oder Nebenfiguren handelt – sind sehr liebevoll und mit sehr ausdrucksvollen Mimik und Gestik dagestellt. So detailreiche Hintergründe wie hier habe ich bislang selten in einem Manga gesehen und auch die Betonung bestimmter Elemente in einzelnen Panels finde ich ganz wunderbar gelungen. Insgesamt finde ich die Geschichte mitsamt dieser schönen melancholischen Atmosphäre dank der stimmungsvollen Bilder noch beeindruckender als beim Lesen des Romans und so sind inzwischen auch noch andere Manga dieses Zeichners auf meinen Wunschzettel gewandert.

9 Kommentare

  1. Ich bin auch ganz verliebt in diese Manga – so eine feine, leise und sensibel erzählte Geschichte und so schöne Zeichnungen. Auch gut für Leute geeignet, die sonst keine Manga lesen, da sein Stil sehr realistisch ist … 🙂

  2. Sayuri, soll ich mich nun entschuldigen oder dir einfach wünschen, dass die Manga schnell vom Wunschzettel in deinen Haushalt wandern? 😀 Vielleicht als Nach-Prüfungs-Belohnung? 🙂

  3. es klingt wirklich traumhaft. ich bin in diesem fall dreist und warte darauf, dass ich hineinschnuppern kann – bei dir oder vielleicht bei sayuri 😉

  4. Was heißt hier denn dreist? Das ist doch nur vernünftig – und wenn du dann in den Manga hineingeschnuppert hast, dann hoffe ich darauf, dass auf deinem Blog demnächst mal ein paar Manga-Nachlesen auftauchen. 😀

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