Diana Wynne Jones: Enchanted Glass

Mein erstes Diana-Wynne-Jones-Buch habe ich schon in der Grundschule gelesen und heiß und innig geliebt. Allerdings habe ich damals vor allem auf Bibliotheksbücher zurückgegriffen und nur wenige Titel für meinen eigenen Bestand nachgekauft. Nachdem ich inzwischen wieder mehr auf Englisch lese, habe ich das Bedürfnis, mir nach und nach all die Romane der Autorin zu besorgen, die ich noch nicht kenne. So brachte mir der Buchhandlungsfahrradkurier Ende der Woche „Enchanted Glass“ – ein Roman rund um einen Universitätsdozenten, der von seinem Großvater ein magisches Haus und eine ebensolche Berufung erbt.

Eigentlich hatte Jocelyn Brandon geplant, vor seinem Tod seinen Enkel, den Wissenschaftler Andrew Hope in all die wichtigen Geheimnisse einzuweihen, die er benötigt, um Melstone House zu übernehmen. Doch dann läuft dem alten Zauberer die Zeit davon und Andrew zieht vollkommen unvorbereitet nach Melstone. Natürlich weiß er, dass sein Großvater über Magie verfügte und dass Melstone House etwas ganz besonderes ist. Doch Andrew hat keine Ahnung davon, was das Besondere an dem Haus ist und dass er mit dem Haus auch die Aufgaben seines Großvaters (das so genannte „field-of-care“) geerbt hat – und worin diese Aufgaben überhaupt bestehen. So scheinen seine einzigen Herausforderungen anfangs darin zu bestehen, sich mit der Haushälterin Mrs. Stock und dem Gärtner Mr. Stock (weder verwandt noch verschwägert mit Mrs. Stock) zu arrangieren.

Komplizierter wird es für Andrew an dem Tag, als der zwölfjährige Aiden Cain vor seiner Türschwelle steht und um Hilfe bittet. Aidens Großmutter war kurz zuvor gestorben und hatte ihm vor ihrem Tod gesagt, dass er, wenn er jemals Hilfe benötigen würde, sich an Joycelyn Brandon in Melstone House wenden solle. Da Aiden nach dem Tod seiner Großmutter nicht nur ganz allein auf der Welt ist, sondern auch bei seinen Pflegeeltern von mysteriösen Kreaturen gejagt wurde, die ihm eindeutig nichts Gutes wollen, ist er von seiner Pflegestelle fortgelaufen, um in Melstone House einen sicheren Unterschlupf zu finden.

Ich muss gestehen, ich fände es großartig, wenn ich einen Unterschlupf wie Melstone House kennen würde. Diana Wynne Jones gelingt es wieder einmal ganz wunderbar, einen Ort zu schaffen, der gemütlich, magisch, skurril und rundum bezaubernd ist. Ein bisschen erinnert Melstone House an Chrestomancis Heim in „Wir sind aufs Hexen ganz versessen“ – inklusive der spezialisierten Angestellten. Natürlich gibt es auch den obligatorischen Gegenspieler an den Grenzen von Melstone House, aber wenn ich ehrlich bin. so benötigt es diese Figuren doch genau deshalb, damit sich der Schauplatz der Geschichte umso behaglicher anfühlt. Ich mochte das Gebäude ebenso wie das Dorf Melstone, zu dem es gehört, aber natürlich würde keines von beidem sich so heimelig anfühlen, wenn es da nicht die ganzen liebenswerten und skurrilen Charaktere gäbe.

Dabei sind nicht alle Figuren so gestaltet, dass ich mit ihnen ein Haus teilen möchte. Gerade Mr. und Mrs. Stock haben so einige Eigenarten, die mich persönlich an den Rand des Wahnsinns bringen würden. Da Andrew aber recht gelassen und geduldig mit ihren Marotten umgeht, waren diese Passagen für mich als Leser amüsant und unterhaltsam. Außerdem gibt es noch einige weitere Charaktere, die Andrew langfristig bei seiner neuen Aufgabe helfen – und denen er mit ihren Problemen hilft -, so dass die Geschichte dank der vielen kleinen wunderbaren Szenen trotz einer eher gemächlichen Erzählweise nie langweilig wird.

Ich habe ein paar Rezensionen gefunden, die kritisieren, dass in „Enchanted Glass“ nichts passiert. Und ja, es ist keine actiongeladene Geschichte. Aber ich finde es umso anerkennenswerter, dass Diana Wynne Jones es immer wieder schafft so viele interessante, amüsante und berührende Details in eine großteils relativ alltägliche Handlung zu packen. Ich mochte es zu lesen, wie Andrew und Aiden langsam in Melstone House ankommen, wie sie immer mehr über die Hintergründe des Hauses, Andrews Aufgabe und ihren Gegenspieler herausfinden, und ich fand es toll, wie all die vielen Nebenfiguren im Laufe der Zeit immer mehr Profil bekamen, ohne dass die Autorin besonders viele Seiten dafür aufwenden musste. Die allerletzte Wendung der Geschichte hätte ich nicht unbedingt haben müssen, aber schlimm finde ich sie auch nicht. Insgesamt habe ich das Lesen von „Enchanted Glass“ sehr genossen. Für mich sind Diana-Wynne-Jones-Bücher ebenso erholsam wie die Momente, in denen ich mich mit einer Decke, einer heißen Schokolade und einer Katze einrollen und die Außenwelt für eine Weile vergessen kann.

10 Kommentare

  1. da ich auch gerne englische bücher lese, klingt die autorin und dieses buch entspannend gut – gemerkt 🙂
    lg anja

  2. Guten Morgen,
    ich kenne die Schriftstellerin gar nicht. Aber das ist nicht weiter schlimm, deine Rezension hast du sehr gut geschrieben.

    Lieben Gruß Eva

  3. Nicole/Frau Frieda

    Ooohhh… liebe Winterkatze! Das klingt ja ganz nach einem Buch für mich ;)) Magisch, skurril und bezaubernd – na, wenn das keine Empfehlung ist! Herzlichen Dank dafür.. ich habe Moment nämlich nur noch was von Iny Lorenz (Geschenk/Schwiegermama) liegen, obwohl mir Mittelalterromane sehr am Herzen liegen, will es nicht so wirklich schnackseln ;)) Ganz liebe Grüße in den Montagmorgen, Nicole

  4. Die Bücher von Diana Wynne Jones klingen aber auch alle gut (und bisher hat mich auch noch keines wirklich enttäuscht) – zum Glück wartet "Enchanted Glass" auch schon bei mir im Regal 🙂 Momentan lese ich aber noch "The Pinhoe Egg", den letzten Chrestomanci-Teil.

  5. @Anja: Ich kann Diana Wynne Jones wirklich nur empfehlen. Sie hat auch Bücher für ältere Leser geschrieben, aber in den Bereich bin ich noch nicht so weit vorgedrungen. Ihre Kinderbücher reichen mir bislang noch aus – schließlich gibt es da schon so viele Welten zu entdecken. 🙂

    @Eva: Auf Deutsch sind auch nicht so viele Titel von ihr erschienen und da vor allem die für Grundschüler. Wenn man also nicht gerade in dem Alter oder für die eigenen Kinder darüber stolpert, dann geht einem die Autorin auch schnell durch.

  6. @Nicole: Vielleicht kennst du ja den Zeichentrickfilm "Howl's Moving Castle" ("Das wandelnde Schloss")? Der Film basiert auf einem Roman der Autorin (und ist auch ganz wunderbar märchenhaft, skurril und fantastisch) und man kann die Originalgeschichte trotz der Ghibli-typischen Elemente noch sehr gut darin wiedererkennen. Den Roman kann ich dir auch nur ans Herz legen. Für deinen Kleinen wären vielleicht die Chrestomanci-Bücher etwas, die gibt es auch auf Deutsch. 🙂

    @Kiya: Den letzten Chrestomanci habe ich ja immer noch nicht – und ich ärgere mich so, dass ich vor einigen Jahren die deutschen Neuauflagen gekauft habe, statt damals schon mit den Originalausgaben anzufangen. Aber nun gut, nach und nach wird das auch noch was. Ich wünsche dir viel Spaß mit "Enchanted Glass", wenn es bei dir soweit ist. 🙂

  7. Ich würde in das Buch bei einem meiner hoffentlich zukünftig stattfindenden Besuch gern mal hineinlesen…

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