In den letzten Tagen habe ich – ohne es zu planen – gleich zwei Romane gelesen, in denen die Protagonisten achtzehnjährige Adelige waren, die von ihrer Familie im besten Fall nicht geachtet und im schlimmsten Fall sogar geschlagen wurden. Beide Figuren mussten im Laufe der Geschichte erwachsener und reifer werden, beide wurden von Autorinnen erschaffen und in beiden Büchern gab es neben so einigen humorvollen Momenten auch Szenen, die sich mit Themen wie Rassismus, Gleichberechtigung, Homosexualität und Machtmissbrauch beschäftigten.
Doch während mich Henry in „Cavaliersreise“ durch seine egozentrische und ignorante Art von diesen Themen eher ablenkte, gab mir Maia in „Der Winterkaiser“ das Gefühl, er würde durch sein zurückhaltendes Wesen diese Elemente im Roman erst recht betonen. Ich finde es sehr faszinierend, wie unterschiedlich Mackenzie Lee und Katherine Addison ihre Geschichten erzählen und wie viel mehr mich die zurückhaltende Erzählweise von Katherine Addison berührt hat. Natürlich liegt die Differenz schon darin begründet, dass die „Cavaliersreise“ für ein jüngeres Publikum geschrieben wurde und die Autorin mehr Wert auf absurde und amüsante Szenen legte und ihren Protagonisten als extrovertierten Tunichtgut angelegt hat, während „Der Winterkaiser“ von der zurückhaltenden und unsicheren Hauptfigur, einem komplizierten politischen Gefüge und der Enthaltung sämtlicher Actionszenen lebt.
Aber gerade weil sich Katherine Addison so viel Zeit nimmt, um die gesellschaftliche und politische Situation in ihrer fantastischen Welt zu präsentieren, fand ich die kleinen Momente so eindringlich, in denen klar wird, dass Frauen allgemein deutlich niedriger gestellt sind als Männer, dass die Ächtung von Homosexualität dazu führt, dass ein Kleriker, der Männer liebt, an seinen Gefühlen und Taten fast zerbricht, und dass selbst die höchste Position im Reich keinen Schutz vor Rassismus darstellt. Beide Autorinnen zeigen auch, dass unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden, je nach Position der betroffenen Person oder nach Haltung des Gegenübers. Es reicht eben nicht, wenn die eigene Umgebung „tolerant“ ist, wenn das nicht zu einem allgemeinen Bewusstsein für die Probleme und damit zusammenhängenden Veränderungen in der Gesellschaft führt.
Was mich dann wieder auf die unterschiedliche Herangehensweise der beiden Autorinnen bringt. Vielleicht braucht es ja die plakative Erzählweise von Mackenzie Lee in „Cavaliersreise“, um beim Leser ein Bewusstsein für sogenannte kritische Themen zu schaffen und es geht nur mir so, dass ich davon eher abgeschreckt werde und das Buch mit einem „das hätte man besser machen können“-Gefühl beende. Ich weiß, dass mich das als Kind weniger gestört hätte, denn da habe ich genügend Bücher gelesen, die ihre Botschaft mit erhobenem Zeigefinger verbreiteten. Auf der anderen Seite kann ich auch sagen, dass die Romane, die subtiler mit gewichtigen Themen umgingen, bei mir länger hängenbleiben, weil sie mich dazu bringen, mir meine eigenen Gedanken zu machen, statt einfach nur zu konsumieren, was mir der Autor vor die Nase setzt.
Ich würde wirklich gern wissen, ob es euch ähnlich geht wie mir. Stört es euch, wenn solche Themen immer wieder betont in einem Roman angesprochen werden? Oder seid ihr so dankbar, dass überhaupt kontrovers diskutierte Themen aufgegriffen werden, dass ihr auch mit einer plakativeren Präsentation leben könnt?
Hallo liebes Winterkätzchen,
die Cavaliersreise könnte mir auch gefallen.
Aber im Moment ist tatsächlich nichts mit Büchern, obwohl sie sich stapeln. Ich bin dabei mich in LUTHER einzuarbeiten. Das brauche ich für den Kultururlaub.
Nun denne einen schönen Tag wünscht Eva
Es hängt immer vom Buch ab, von der Gesamtverpackung, wie ich so etwas gewichte. Grundsätzlich nervt es mich aber ungemein, wenn ich den Eindruck habe, dass Themen betont oder Charaktere eingebaut werden, um zum Beispiel zum aktuellen Diversity-Trend zu passen.
Tatsächlich sind Kinderbuchprotagonisten oft weniger aufdringlich und ganz natürlich in ihrer Verschiedenartigkeit.
Die "Cavaliersreise" klingt trotzdem irgendwie lustig 😉
@Eva: Ich hege den Verdacht, dass du mit dem im Nachwort erwähnten Tagebuch eines englischen Reisenden glücklicher wärst als mit diesem Jugendbuch, aber wer weiß … 😉 Sich in Luther einzuarbeiten klingt nach einer Lebensaufgabe – viel Spaß dabei!
@Kiya: Die "Cavaliersreise" war auch lustig, ich fand nur, dass man diese Aspekte besser hätte verpacken können. Und dann viel das Ganze natürlich noch mehr ins Auge, nachdem "Der Winterkaiser" so viel geschickter damit umging.
Auch bei Kinderbüchern habe ich das Gefühl, dass es solche und solche gibt. Ich mag auch da lieber diejenigen, bei denen ich das Gefühl habe, die Verschiedenartigkeit wäre normal und nicht gezielt eingebaut.
Also ich finde es immer noch besser, wenn kontroverse Themen und Diversität plakativ aufgegriffen werden als gar nicht, aber lieber ist mir auf jeden Fall eine subtile Umsetzung.
Der Unterschied mag sicher zum Teil an der Zielgruppe liegen, aber andererseits gibt es auch im Jugendbuchbereich diverse Beispiele für eine gelungene Umsetzung solcher Themen.
@Neyasha: Stimmt, besser nicht so gelungen mit diesen Themen umgehen, als sie ganz untern Tisch fallen lassen. Aber gerade weil es andere Beispiele gibt, finde ich es schade, wenn eine Autorin kein besseres Händchen für die gewählten Themen beweist.
An sich finde ich beide Umsetzungen in Ordnung, bevorzuge aber die subtile, weil sie nicht so direkt ist. Aber manchmal ist es auch voll ok, wenn keine solchen Themen angesprochen werden und das Buch "nur" unterhält.
Bei der subtilen Umsetzung finde ich es allerdings manchmal schwierig, wenn die Botschaft nicht ganz klar wird. Aber das ist mir zum Glück bisher nicht oft über den Weg gelaufen 🙂
@A. Disia: Natürlich ist es auch in Ordnung, wenn ein Buch "nur" unterhält (- was in meinen Augen schon eine Menge ist). Aber wenn ein Autor/eine Autorin Themen einbaut, die in unserer Gesellschaft bedauerlicherweise nicht zur sogenannten Norm gehören, dann fände ich es schön, wenn es gut gemacht wäre. Wobei es eben unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, was "gut gemacht" bedeutet, weshalb ich ja angefangen habe darüber nachzudenken. 😉
Dass eine subtile Umsetzung nicht klar genug sein kann, habe ich hingegen nicht in Betracht gezogen. Aber du hast recht, das wäre wohl auch nicht im Sinn des Ganzen – wenn es nicht darauf hinzielt, dass man sich als Leser eben selber seine Gedanken machen soll und der Autor nur aufzeigt, dass es ein schwieriges Thema ist statt dem Leser eine Meinung vorzugeben.
Ich habe inzwischen "Cavaliersreise" gelesen und fand das Buch amüsant, aber eher mittelmäßig. Das Plakative beim Thema Sexualität hängt für mich viel auch damit zusammen, dass ich das Buch vom Genre her definitiv im Romance-Bereich einordnen würde. Dieses ständige Geschmachte und ewige Hin und Her war mir ganz unabhängig von der sexuellen Orientierung zuviel; ich finde aber, dass Lee abgesehen davon nicht so schlecht mit dem Thema umgeht.
Die restlichen Themen – Rassismus, Gleichberechtigung, Krankheit – fand ich aber ebenfalls nicht gut umgesetzt. Ich könnte gar nicht mal genau sagen, ob es mir zu plakativ oder schlicht zu oberflächlich war.
@Neyasha: Ich bin ja inzwischen froh, dass ich nicht die Einzige bin, die das Buch nicht so hinreißend fand, wie all die anderen Leute, deren Meinung ich bislang im Netz gelesen habe.
Hm, beides? Plakativ und oberflächlich? 😉
Vermutlich. 😉
Ich muss aber sagen, dass mir auch das Fantasy-Element darin nicht so gefallen hat, weil ich schlichtweg einen historischen Roman erwartet habe und es für mich wie ein Fremdkörper gewirkt hat.
@Neyasha: Die haben mich nicht so sehr gestört, wären für mich aber auch nicht notwendig gewesen. Ich hätte schon gern gewusst, wie die Autorin das alles aufgelöst hätte, ohne diese Wendung in der Handlung.