Jen Wang: The Prince and the Dressmaker (Comic)

„The Prince and the Dressmaker“ von Jen Wang ist mir in den letzten Monaten immer wieder in meiner englischen Timeline untergekommen und dann recht schnell auf die Merkliste gehüpft. Ende Juni habe ich den Comic dann überraschenderweise geschenkt bekommen und gleich gelesen. Die Handlung in „The Prince and the Dressmaker“ beginnt mit einem Ball, der zu Ehren des 16jährigen Prinzen Sebastian abgehalten wird. Da der Ball recht kurzfristig angekündigt wurde, stürmen die jungen Damen, die in Paris ihre Saison verbringen, die Modesalons, um sich ein neues Kleid anfertigen zu lassen. So bekommt die junge Schneiderin Frances die Chance, ein aufsehenerregendes Kleid für eine ungewöhnliche Kundin anfertigen zu können, welches dafür sorgt, dass Frances von Prinz Sebastian als seine neue Schneiderin angestellt wird.

Der Prinz ist nämlich – gerade aufgrund der Tatsache, dass das von Frances entworfene Kleid nicht den üblichen Konventionen entspricht – geradezu hingerissen von den frischen Ideen der jungen Schneiderin. Wie Frances schnell feststellt, hat Prinz Sebastian nicht nur ein Faible für Mode, sondern er zieht (phasenweise) auch gern Damenkleidung an. Dabei ist Sebastian sich vollkommen bewusst, was für ein Skandal es wäre, wenn herauskäme, dass er Cross-Dressing betreibt. Sein Leben wäre deutlich einfacher, wenn er sich in Frauenkleidern nicht so wohlfühlen würde, aber auf der anderen Seite hat er das Bedürfnis, mit den von Frances entworfenden Kleidern zumindest eine Zeitlang diese Facette seiner Persönlichkeit voll auszuleben.

Ich fand die Geschichte wunderschön erzählt, gerade weil die beiden Protagonisten nicht immer die klügste Entscheidung treffen. Anfangs ist es vor allem bezaubernd zu verfolgen, wie Sebastian und Frances über ihr gemeinsames Interesse für Mode Freunde werden. Für Sebastian ist es das erste Mal, dass er mit jemandem so offen über ein Thema reden kann, das ihm so am Herzen liegt, während Frances sich und ihre Ideen erstmals anerkannt fühlt. Doch natürlich ist so eine Freundschaft zwischen einem Prinzen und einer Schneiderin nicht so einfach – vor allem, wenn der Prinz als Thronerbe an seinen Ruf und seine Pflicht gegenüber seiner Familie denken muss. Frances hingegen will Sebastian unterstützen, aber sie ist auch nicht bereit, dafür auf Dauer ihr Licht unter den Scheffel zu stellen. Sie geht im Laufe der Geschichte so einige Kompromisse ein, um endlich auch öffentliche Anerkennung für ihrer Arbeit zu bekommen, nur um dann festzustellen, dass es nicht so einfach ist, unter diesen Umständen den eigenen Stil beizubehalten.

So schön und märchenhaft die Handlung war, so hätte ich mir hier und da etwas mehr „Umfeld“ für die Figuren gewünscht – gerade bei Frances hätte ich gern noch ein bisschen über ihre Vergangenheit, ihre Familie und ihren beruflichen Weg erfahren. Aber so richtig schlimm war es auch nicht, dass die Autorin nicht auf diese Aspekte eingegangen ist, denn umso intensiver nimmt man als Leser die Beziehung zwischen Frances und Sebastian wahr und freut sich darüber, dass beide endlich jemanden haben, der ihre Interessen teilt. Spannend war es auch zu verfolgen, wie Sebastian als „Lady Crystallia“ immer selbstsicherer auftrat und wie dieses neue Selbstbewusstsein stellenweise auch in seinem Alltag als Prinz hervorblitzte. Das Ende war ein etwas arg abgedrehtes, aber dafür auch sehr lustiges Happy End, womit „The Prince and the Dressmaker“ trotz des einen oder anderen kleinen Kritikpunkts eindeutig zur Wohlfühllektüre taugt.

Was den Zeichenstil von Jen Wang angeht, so finde ich ihn ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Die Zeichnungen sind – von der einen oder anderen Darstellung der Kleider abgesehen – relativ einfach gehalten. Es gibt nur selten wirklich nennenswerte Hintergründe und auch auf Schatten und Details hat Jen Wang in der Regel verzichtet. Wie schon bei der Charakterisierung der Nebenfiguren fallen bei Gestik und Mimik immer wieder bestimmte Stereotypen ins Augen, aber da die meisten dieser Figuren wirklich nur den Rahmen für die ansonsten wirklich hübschen Handlung bilden, konnte ich damit leben – auch wenn es natürlich schöner gewesen wäre, wenn jedes Panel die gleiche Aufmerksamkeit bekommen hätte wie die wunderschönen Kleider der Lady Crystallia.

3 Kommentare

  1. Was für wunderbare Figuren! Über die würde ich ja gern lesen, aber ich glaube, eher in Romanform. Der Zeichenstil sagt mir nämlich in der Tat nicht wirklich zu und ich weiß daher nicht, ob das Comic was für mich wäre.

    • Konstanze

      Der Zeichenstil ist schon etwas gewöhnungsbedürftig. Auf der anderen Seite kann die Künstlerin so viele Elemente durch die Zeichnungen ausdrücken, für die sie in einem Roman seitenweise Erklärungen oder „Innensicht“ hätte einfügen müssen – von daher finde ich den Comic als Medium schon gut gewählt für diese Geschichte. 🙂

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