Laura Kalpakian: Café Eden

Vor einiger Zeit habe ich euch mal gefragt, was für ein Buch ihr bei diesem Klappentext erwarten würdet. Und die meisten waren (wie ich auch) nach dem Lesen der Inhaltsangabe davon ausgegangen, dass man in „Café Eden“ die Geschichte einer Frau verfolgen könnte, die nach einer schwierigen Kindheit und/oder unglücklichen Beziehungen Erfüllung in ihrem eigenen Café findet. Meiner Erwartung nach hätte die Handlung sich spätestens ab der Hälfte des Buches um das Café herum entwickelt und dort hätte man vielleicht sogar etwas über die regelmäßigen Besucher erfahren und über die Freundschaften, die sich entwickeln.

Stattdessen bekommt man in diesem Buch eine Familiensaga präsentiert, bei der sich die Rezepte, die später einmal im „Café Eden“ serviert werden, wie ein roter Faden durch die Geschichte ziehen. Das Ganz beginnt im Jahr 1926 in einer Mormonen-Gemeinde in Utah, wo die sechsjährige Eden zu Schule geht. Und schon in der ersten Szene bekommt man mit, dass sich das kleine Mädchen bei Problemen lieber an ihre Tante Afton als an die Mutter wendet. Denn während Edens Mutter den ganzen Tag betrunken ihren Tagträumen nachhängt, ist ihre Tante eine gläubige Mormonin, die nicht nur ihre eigen Familie erfolgreich „verwaltet. Bei ihr lernt Eden auch die ersten Schritte in der Küche, damit das Mädchen in der Lage ist sich und die beiden kleineren Geschwister zu versorgen.

Vor jedem Kapitel gibt es eine „Momentaufnahme“ die kurz die Lebensgeschichte einer Person oder wichtige Ereignisse aus ihrem Leben erzählen. All diese Menschen haben in irgendeiner Weise mit Eden und ihrer Familie zu tun – und am Ende des dazugehörigen Kapitels wird dann noch ein Rezept präsentiert, das mit dieser Person in Verbindung gebracht wird. Die Idee ist eigentlich ganz nett, macht das Buch aber etwas anstrengend zu lesen. Da springt man von den Erlebnissen eines chinesischen Kindes zu der Befreiung einer jungen Sklavin zur „Vernunftehe“ einer Banditentochter oder dem Schicksal einer italienischstämmigen Witwe und muss sich jedes Mal neu auf zurechtfinden.

Zwar steht Eden eigentlich immer der Mittelpunkt der Geschichte, doch bei so vielen Menschen, die Einfluss auf ihr Leben genommen haben, habe ich im Laufe des Romans immer wieder dagesessen und musste überlegen, welche Person hier schon wieder erwähnt wird und welche Verbindung zwischen ihr und Eden besteht und an welchen Stellen es schon mal Hinweise auf diesen Menschen gab. Dabei wäre das Leben der jungen Mormonin auch ohne diese Einschübe interessant zu lesen gewesen.

Eden ist von klein auf eine ungewöhnlich selbständige junge Frau. So meldet sie sich freiwillig als der Zweite Weltkrieg beginnt und verbringt die Kriegstage in London. Und da sie nach dem Krieg nicht (wie es sich für ein braves Mormonen-Mädchen gehören würde) als Hausfrau und Mutter niederlassen will, studiert sie und findet schließlich eine Stelle als Sekretärin in einer großen Bank. Auch als sie sich dann verliebt und dem Film-Ranch-Besitzer Matt March heiratet, verläuft ihr Leben nicht gerade langweilig.

Einzig die Nebenbemerkungen bei den Rezeptseiten, die von Anfang an klarstellen, dass diese Gerichte später in Edens Café serviert werden, deuten an, dass diese Frau irgendwann einmal ein Café eröffnet wird. Doch wie es dazu kommt, bleibt bis kurz vor Schluss des Romans unklar. Dabei spielt Essen in Edens Leben durchaus eine wichtige Rolle. Anfangs weil ihre Eltern nicht in der Lage sind, die drei Kinder regelmäßig mit Mahlzeiten zu versorgen, dann gibt es die Szenen innerhalb der Großfamilie, bei denen groß aufgetischt wird, und auch während der Kriegszeit erlebt Eden Hungerphasen ebenso wie seltene kulinarische Köstlichkeiten wie eine Apfeltarte während eines Bombenangriffs.

Doch obwohl ständig vom Essen die Rede ist und die Autorin immer wieder betont, dass man neben einem guten Rezept für das Kochen vor allem Fingerspitzengefühl und etwas Kreativität benötigt, fühlte ich mich beim Lesen nicht wirklich von all den Beschreibungen berührt. Bei anderen Büchern passiert es mir, dass ich mir ständig das Wasser im Munde zusammenläuft, ich laufe während des Lesens in die Küche und gucke, ob ich noch Zutaten für bestimmte Gerichte im Haus habe, ich stürze mich vor lauter Schokoladenlust auf die letzte Schokoreserve meines Mannes oder plane eine Kochorgie für das nächste Wochenende. Doch hier habe ich einfach nur gelesen, fand es ganz nett, aber niemals mitreißend.

Und das lag gewiss nicht nur daran, dass die traditionelle amerikanische Küche recht wenig Gerichte für eine Vegetarierin bereithält – sogar Bill Bufords (für mich eher ekelhafte, aber dafür enthusiastische) Beschreibungen seiner Tätigkeit in einer italienischen Metzgerei in dem Buch „Hitze“ haben bei mir mehr Begeisterung und Lust auf’s Kochen ausgelöst, als Laura Kalpakians Beschreibungen einer angeblich köstlichen Nachspeise.

Genauso ging es mir auch mit Edens Geschichte, es fehlte der Funken, der einen mit den Personen mitfühlen lässt. Dabei hat die Autorin viele liebevolle Details in die Handlung eingebaut und mit Eden einen interessanten Charakter geschaffen. Da dieser Roman mehr als 50 Jahre umspannt, bekommt man nicht nur einen Einblick in Erlebnisse dieser ungewöhnlichen Frau, sondern auch in die amerikanische Geschichte. Wobei ich vor allem den Part rund um die Filmgeschichte (Stummfilmzeit, amerikanische Western und die Anfänge der italienischen Westernzeit) mit Neugierde gelesen habe.

Alles in allem hat es etwas gebraucht bis ich mich an die Erzählweise gewöhnt hatte und mich zwischen all den Charakteren zurechtfand und erst ab der Mitte des Buches wurde die Geschichte dicht genug erzählt, dass ich mich mit der Handlung wohlfühlte und ein persönlicheres Interesse für die Figuren entwickelte. Trotz der insgesamt interessanten Geschichte finde ich es immer noch schade, dass es die Autorin nicht geschafft hat, mich mit all ihren Beschreibungen und Rezepten zu begeistern. Das ständige Gefühl beim Lesen, dass da noch ein Unglück in der Luft schwebt und das noch etwas gravierendes passieren muss, damit Eden irgendwann ihr Café eröffnet, kann ich der Autorin zwar nur zum Teil anlasten, da der Klappentext ja nicht aus ihrer Feder stammt – aber das ändert nichts daran, dass ich mich darüber etwas geärgert habe.

11 Kommentare

  1. Also jetzt nichts, was man ganz unbedingt haben muss, oder?
    Apropos Kochrezepte, und weil du die in Büchern magst, hast du jemals "Bittersüße Schokolade" von Laura Esquivel gelesen?

  2. Nein, nichts, was man unbedint haben muss.

    "Bittersüße Schokolade" kenne ich noch nicht, habe ich aber gerade mal auf die "Aus der Bibliothek ausleihen"-Liste gesetzt. 😉

  3. @Soleil: Vor allem hätte man sich nach dem Klappentext was anderes versprochen – zumindest ging es ja mir so. Wieder einmal sehr ungeschickt vom Verlag …

    @Evi: Wie gesagt, es steht auf der Liste, aber die Bücher, die da stehen, werde ich erst vormerken, wenn ich mal wieder etwas mehr Luft für private Lektüre abknapsen kann. Im Moment habe ich hier auch noch einen ganzen Stapel gelesener Romane, die ich eigentlich noch für den Blog besprechen will. Aber der Tag hat nun mal nur 24 Stunden – und eine Winterkatze kann ab 15 Grad über Null nur eine begrenzte Zeit davon konzentriert nutzen. 😉

  4. Liebe Winterkatze,
    "Bittersüsse Schokolade" kann ich auch empfehlen. Ich weiss noch, dass es mir damals recht gut gefallen hat – auch der Film ist nicht schlecht, ist auch schon was älter…
    "Cafe Eden" scheint wirklich eine gute Idee mangelhaft umgesetzt zu sein – schade, wirklich. Die Idee und den Ansatz find ich schon ansprechend und ungewöhnlich. Vllt. hatte sich die Autorin da einfach zu viel vorgenommen…

  5. @Sayuri: Das ist schön – wie gesagt, das Buch steht schon auf der Bibliotheksliste. 😉

    Ich habe bei "Café Eden" auch das Gefühl, dass sich die Autorin da viel zu viel vorgenommen hat – manchmal ist weniger eben doch mehr …

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