Leseeindrücke – Die „Cozy“-Variante (1)

Vor einigen Wochen habe ich das kostenlosen eBook-Bundle „Sleuthing Women – 10 First-in-Series Mysteries“ runtergeladen, weil ich hoffte, ich würde über Autorinnen in diesem Genre stolpern, die mir gut gefallen. Um meine Gedanken zu den zehn Romanen festzuhalten und auch mal zwischen den verschiedenen Titeln Vergleiche ziehen zu können, gibt es (aufgrund der Menge) gleich zwei Sammelposts mit „Leseeindrücken“. Der zweite Teil wird freigeschaltet, wenn ich die nächsten fünf Romane gelesen habe – nach den ersten fünf Titeln brauche ich erst einmal wieder Abwechslung beim Lesen. 😉



1. Lois Winston: Assault With a Deadly Glue Gun (An Anastasia Pollack Crafting Mystery 1)

Hätte mir jemand vorher gesagt, was Anastasia Pollack in dieser Geschichte alles erleben würde, ich hätte vermutlich die Finger von dem Roman gelassen, weil ich das Ganze für zu überzogen gehalten hätte. Lois Winston hält definitiv kein Maß, wenn sie ihrer Protagonistin Schwierigkeiten bereiten will. So ist Anastasia dank ihres verstorbenen Mannes überschuldet und darf sich mit einem Kredithai rumschlagen. Außerdem teilt sie sich das Haus nicht nur mit ihren beiden Teenager-Söhnen, sondern auch mit ihrer Schwiegermutter (überzeugte Kommunistin und Besitzerin eines französischen Bulldogge), ihrer Mutter (angebliche Nachfahrin des russischen Zarenhauses und Halterin einer Perserkatze) und einem geerbten, Shakespeare-zitierenden Papagei. Da das Ganze noch nicht genug ist, wird auch noch Anastasias Kollegin ermordet und die Polizei ist sich sicher, dass sie die Mörderin ist.

Trotz dieser extrem überzogenen Handlung war „Assault With a Deadly Glue Gun“ wirklich nett zu lesen und ich habe immer wieder vor mich hingeschmunzelt, weil einfach klar war, dass an der nächsten Ecke wieder irgendeine Katastrophe auf Anastasia warten würde, die zu weiteren Komplikationen führt. Außerdem mochte ich, dass die Protagonistin sich nicht unterkriegen ließ und je nachdem stoisch, wütend oder schlagfertig mit den verschiedenen Situationen und Figuren umging. Es fühlte sich beim Lesen auch überraschend stimmig an, dass Anastasia die einzige normale und bodenständige Person inmitten lauter skurriler Gestalten und Ereignisse war. Ich bin selbst ganz überrascht, wie entspannend und unterhaltsam ich diesen Roman fand, wo ich doch sonst gern mal von überzogenen Elementen genervt bin.

2. Jonnie Jacobs; Murder Among Neighbors (A Kate Austen Suburban Mystery 1)

„Murder Among Neighbors“ war nett zu lesen, solange ich dabei war, aber danach auch schnell wieder vergessen. Ich muss aber zugeben, dass ich es mochte, wie Jonnie Jacobs das Leben ihrer Protagonistin ausbalancierte. Kate Austen hat eine Tochter, die ihr sehr wichtig ist und mit der es auch so was wie Alltag in der Geschichte gab. Aber dieser Alltag behinderte die Handlung nicht, sondern sorgte dafür, dass die „Ermittlungen“ vorwärts ging. So gab es zum Beispiel Gespräche mit anderen Müttern oder mit Kindermädchen von Schulfreundinnen, in denen Kate neue Informationen über ihre ermordete Nachbarin sammeln konnte,

Auch hält sich Kate nicht für besser als die Polizei, sondern sie erzählt dem ermittelnden Polizisten in der Regel jedes Detail, das sie herausgefunden hat (inklusive Informationen, von denen sie sich nicht sicher ist, ob sie überhaupt relevant sein könnten). Zum Teil hängt das natürlich auch damit zusammen, dass sie sich zu dem Ermittler hingezogen fühlt und ein Verhältnis mit ihm beginnt, aber es liest sich so, als ob sie auch ohne diese Beziehung kein Problem damit gehabt hätte, alles der Polizei zu überlassen. Ich fand es schön, mal wieder ein Buch mit einer angenehm normalen, sympathischen und vernünftig handelnden Protagonistin zu lesen.

3. Judy Alter: Skeleton in a Dead Space (A Kelly O’Connell Mystery by Judy Alter 1)


„Skeleton in a Dead Space“ hätte eigentlich meine Art von Cozy sein müssen, da es nicht nur um den Fund eines Skeletts geht, sondern auch um alte Häuser, Renovierungen und Einrichtungen. Doch Judy Alter hat es geschafft, mir mit ihrer Protagonistin so auf die Nerven zu gehen, dass ich das Buch beinah abgebrochen hätte und nur dabei bleib, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass sich 245 Seiten so hinziehen können. Man begleitet Kelly O’Connell als Leser nicht nur bei sämtlichen Alltagserledigungen (sehr viel die beiden Töchter hin und her fahren und ein schlechtes Gewissen haben, weil sie ihnen ständig Fast Food zu essen gibt, statt richtig zu kochen, sowie die – nicht sehr realistisch dargestellte – Arbeit als Marklerin), sondern darf dank der Ich-Perspektive auch all ihre Gedanken zum Skelett-Fund mitverfolgen.

Gedanken, die nahelegen, dass die Protagonistin das Gefühl hat, sie sei die einzige Person, die ein Interesse daran hat, dass die Tote identifiziert und ihr Mörder gefunden wird. Dabei gibt es nicht einen einzigen Moment, in dem die Polizei (speziell der mit ihr befreundete Polizist Mike) Desinteresse oder Unfähigkeit zeigt. Ich bin mir auch sicher, dass die Polizei ebenfalls in der Lage ist, alte Datenbanken nach Hauseigentümern und Steuerunterlagen zu durchsuchen – und das sogar, ohne die beiden Töchter der Protagonistin in Gefahr zu bringen. Je besser ich Kelly kennenlernte, desto weniger konnte ich diese Figur leiden und desto weniger konnte ich ihre Motive, ihre Gedanken und ihre Taten nachvollziehen. Ne, das war definitiv kein Roman für mich – vor allem, da ich gerade erst mit „Murder Among Neighbors“ ein so viel besseres Beispiel einer „ermittelnden Mutter“ hatte!

Oh, noch einen Aufreger hielt der Roman für mich bereit, da die Autorin anscheinend irgendwann die Geschichte von der 3. Person in die Ich-Perspektive umgeschrieben hat – und dabei ab der Hälfte der Kapitel beim Nachbearbeiten diverse Sätze übersehen hatte, bei denen man dann raten durfte, ob die Protagonistin oder irgendjemand anders gerade redet. Das passierte auch gern mal innerhalb eines Satzes mit gerade mal neun Wörtern inklusive Nebensatz – und trieb mich beim Lesen alle paar Minuten auf die Palme.

4. Maggie Toussaint: In for a Penny (A Cleopatra Jones Mystery 1)

Uuuund Auftritt der unerträglichen Protagonistin Nummer 2! Ich weiß nicht, was ich beim Lesen schlimmer fand: Die Tatsache, dass Cleo in dem Moment, in dem sie beim Golfspielen über eine Leiche stolpert, ihre Libido wiederfindet und sich am liebsten an Ort und Stelle vom Golftrainer vernaschen lassen würde, oder dass sie auf der einen Seite ach so rational sein soll (sie ist Steuerberaterin) und auf der anderen Seite grundsätzlich jede Person verdächtigt, der Mörder/die Mörderin zu sein. Außerdem gibt es auch in dieser Geschichte eine total amüsant gemeinte Mutter, die der Protagonistin das Leben schwer macht, nachdem Cleo nach ihrer Scheidung mit ihren beiden Töchtern dort eingezogen ist. Und dazu noch die beste Freundin, die in mir das Gefühl aufkommen lässt, dass die beiden Frauen nur deshalb befreundet sind, weil Cleo neben ihrer Freundin besser dasteht – oder sollten all die Momente, in denen sich die beiden am liebsten gegenseitig an den Hals gegangen wären, lustig sein? Überhaupt fürchte ich, dass ganze viele Szenen, die ich unerträglich fand, weil sie von der Dummheit/Ignoranz/Verklemmtheit der Protagonistin zeugten, humorvoll gemeint waren. Nachdem ich mich dabei ertappte, dass ich nach ein paar Absätzen das Buch immer aus der Hand legte, weil ich Cleo nicht länger ertragen konnte (und jedes Mal auch noch meinem Mann erzählte, wie bescheuert die letzten Absätze waren), habe ich den Roman abgebrochen. Das Durchhalten hätte sich hier höchstens gelohnt, wenn ich ein „Kapitelweise“ daraus hätte machen wollen.

5. Camille Minichino: The Hydrogen Murder (A Periodic Table Mystery 1)

Nach den vorherigen beiden Romanen war „The Hydrogen Murder“ eine Wohltat! Die Protagonistin Gloria ist eine 55jährige Physikerin, die ihre Stelle in einer Forschungseinrichtung erst einmal an den Nagel gehängt hat, um nach 30 Jahren Abwesenheit in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Gloria will sich ein Jahr gönnen, um darüber nachzudenken, was sie mit ihrem Leben anfangen will. In der Zwischenzeit wohnt sie über dem Bestattungsinstitut von Freunden und arbeitet unter anderem als wissenschaftliche Beraterin für die Polizei. So wird sie auch herangezogen, als ein Physiker in seinem Labor erschossen wird, und kann der Polizei nicht nur mit ihrem beruflichen Wissen nutzen, sondern den Ermittlern auch den einen oder anderen privaten Einblick auf die Beteiligten gewähren, da sie viele davon durch gemeinsame Forschungsprojekte kannte.

Es war so schön, endlich mal wieder eine Geschichte mit einer vernünftigen, realistisch dargestellten, intelligenten Protagonistin zu lesen. Der Fall selbst dreht sich auf den ersten Blick vor allem um die Frage, ob bei der Forschung, die der Tote mit seinem Mentor betrieb, alles mit rechten Dinge zuging, was einige – auch für den Laien gut erklärte – Passagen über Physik mit sich bringt, die ich erstaunlich interessant fand. Auch fand ich es schön, dass Gloria zwar in die Ermittlungen involviert war – und unbedingt herausfinden wollte, wer ihren Bekannten umgebracht hatte -, aber gleichzeitig auch sehr bemüht war, keine Grenzen zu überschreiten. Glorias Privatleben hängt zwar in der Schwebe, aber das ist ein bewusst von ihr gewählter Zustand, und der Polizist, mit dem sie zusammenarbeitet, ist weder ein Idiot noch ein unwiderstehlicher Adonis. Sie fühlt sich zwar sehr zu ihm hingezogen und würde ihn gern besser kennenlernen, aber ganz ohne Teenie-hafte Schwärmerei, ohne irgendwelchen idiotischen Aktionen oder andere Dinge, die mich bei andere Romanen so gern die Palme hochtreiben. Insgesamt war ich überraschend zufrieden mit dieser Geschichte und könnte mir vorstellen, langfristig noch mehr von der Autorin zu lesen.

6 Kommentare

  1. Ich könnte mir vorstellen, dadurch, dass im ersten Roman wohl bewusst total übertrieben wurde, liest es sich besser, als wenn der/die Autor/in meint, dass dass sie nur ein kleines bisschen Drama hinzugefügt hat. (Yeah, Monstersatz!) Jedenfalls gefällt mir das Buch von den vorgestellten am besten. Aber da ich Krimis nur mäßig interessant finde, landet es nicht auf der Wunschliste.

  2. Ja, überraschenderweise hat das bei dem Buch wirklich hingehauen. Dabei reagiere ich inzwischen regelrecht allergisch auf zu überzogene Geschichten. *g*

    Nun, wenn du mal Lust auf einen Cozy hättest, wüsstet du immerhin, dass das ein Titel wäre, der in Frage kommt. ;D

  3. Jetzt war ich fast darauf gefasst, wieder die Wunschliste füllen zu müssen, aber so recht springt mich keines der fünf Bücher an (vielleicht dann beim zweiten Teil…?). Zum Glück habe ich für die ab und an auftauchende Cozy-Laune noch einiges auf dem SuB (ich mag ja gerne die mit leckerem Essen, Buchhandlungen oder übernatürlichen Elementen *g*). Viele Reihen ähneln sich doch so sehr, dass ich nur eine begrenzte Anzahl beginnen möchte.

  4. @Kiya: Ne, so richtige Wunschlistentitel sind da wirklich nicht bei. Ich hatte auch nicht erwartet, dass ich jetzt irgendwas großartiges finde. Aber dass ich von so vielen Titeln enttäuscht sein würde, hätte ich auch nicht gedacht. Was "Cozy mit leckerem Essen/Buchhandlungen" angeht, hattest du dir eigentlich Paige Shelton angeschaut?

  5. Gerade eben nochmal 😉 Du hattest die Farmers-Reihe, nicht wahr? Ich habe in letzter Zeit aber wirklich wenig Cozy gelesen (wobei ich vor kurzem einmal Aunt Dimity dabei hatte…). Ich behalte das mal im Hinterkopf.

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