Nicholas Drayson: Kleine Vogelkunde Ostafrikas

Nachdem ich Natiras Meinung zu „Kleine Vogelkunde Ostafrikas“ gelesen hatte, wollte ich den Roman unbedingt lesen. Also war Natira so lieb und hat mir das Buch geliehen – und dann lag es endlos lange in meiner Leihschublade. So nett die Inhaltsangabe klang, so hübsch der Umschlag war, ich hatte immer das Gefühl, ich sei nicht in der rechten Stimmung für diese Geschichte – bis ich dann doch mal zu dem Buch griff und bis in die Nacht las, weil ich wissen wollte wie es mit Mr. Malik weitergeht.

Mr. Malik wirkt auf den ersten Blick etwas betulich. Er scheint zwar liebenswert, aber etwas langweilig zu sein, und so ist der Einstieg in die Geschichte zwar nett geschrieben, aber nicht gerade mitreißend. Doch je näher ich Mr. Malik kennenlernte, je mehr unerwartete Seiten er zeigte, desto mehr wuchs mir der kleine indischstämmige Mann ans Herz. Schon zu Beginn des Romans erfährt der Leser, dass der 61-Jährige Mr. Malik seit drei Jahren auf seine stille und zurückhaltende Art bis über beide Ohren in Rose Mbikwa verliebt ist. Diese Dame leitet jeden Dienstagvormittag eine Tour der Ostafrikanischen Ornithologischen Gesellschaft, deren Mitglied Mr. Malik ist, seitdem ihm ein Arzt geraten hat, sich ein entspannendes Hobby – wie Vogelbeobachten – zuzulegen.

In diesem Jahr hat sich Mr. Malik fest vorgenommen, Rose – übrigens eine Britin, die sich als junge Frau in einen Kenianer verliebte und in Nairobi blieb – zu einem jährlich stattfindenden Ball einzuladen. Doch bevor der ältere Herr aktiv werden kann, findet er heraus, dass Harry Khan, sein alter Rivale aus Internatszeiten, ebenfalls ein Auge auf Rose geworfen hat und sie zum Ball einladen will. Harry Khan ist das komplette Gegenteil von Mr. Malik. Er ist kein erfolgreicher Geschäftsmann, aber dafür ein charismatischer, attraktiver und selbstsicherer Mann, der das Leben mit einer anziehenden Leichtigkeit genießt. Mit einem solchen Rivalen vor Augen entwickelt der zurückhaltende Mr. Malik auf einmal Kampfgeist, und so kommt es dazu, dass er sich – angespornt von den wettbegeisterten Mitgliedern seines Herrenclubs – auf eine ungewöhnliche Vereinbarung einlässt.

Mr. Malik und Harry Khan sollen eine Woche lang einen Wettstreit austragen und der Sieger darf am Ende Rose zum Ball einladen (wobei natürlich nicht sicher ist, dass die Dame auch zusagen wird). Dabei dreht sich der Wettstreit angesichts der Tatsache, dass dies Roses großes Interesse ist, natürlich um das Vogelbeobachten. Wer die meisten ostafrikanischen Vögel sichtet, die beobachteten Vögel täglich bis zu einer bestimmten Uhrzeit im Asadi Club vor Zeugen bekannt gibt und in dieser Woche keinen Kontakt zu Rose hat, der wird zum Gewinner gekürt. So ziehen die beiden Männer Tag für Tag los, um die heimische Vogelwelt zu dokumentieren. Und während sich Mr. Malik vor allem auf Nairobi konzentriert, gewinnt Harry (nicht ganz regelgerecht) zwei Ökotouristen als Verbündete und reist auf der Suche nach Vögeln im Schnellverfahren quer durch das Land.

Ich fand es einfach unglaublich, was den beiden auf ihren Vogelbeobachtungstouren so zustieß und welche Hindernisse sich aus manchmal alltäglichen Begebenheiten ergaben. Doch vor allem haben mich die verschiedenen Charaktere in ihren Bann gezogen. Mr. Malik ist ein wirklich liebenswerter und überraschend engagierter Mann, der ein Gespür für Gerechtigkeit hat, sich um seine Mitmenschen kümmert und auf seine Art versucht, etwas in seinem Land zu bewegen. Und auch Harry, der anfangs sehr oberflächlich wirkt, entpuppt sich als netter Kerl, während die vielen Nebenfiguren die Geschichte auf fantastische Weise abrunden.

Obwohl Nicholas Drayson auch viele kritische/ernste Themen wie den Umgang mit Aids, kenianische Politik, Kriminalität und Korruption anschneidet, habe ich mich wunderbar mit dieser bezaubernden Geschichte amüsiert. Ich habe gekichert und laut aufgelacht, ich war gerührt, habe um Mr. Malik gebangt, einiges Neues über Kenia gelernt und einfach eine gute Zeit mit diesem Buch gehabt. Der Roman ist kein spannungsgeladener Pageturner, aber dafür eine liebevolle und detailliert erzählte Geschichte mit so vielen Facetten, dass ich am Ende das Buch aus der Hand legte und ausnahmsweise einmal vollkommen zufrieden und glücklich mit dem gerade Gelesenen war.

7 Kommentare

  1. Der Autor lässt in am Anfang in der Tat etwas Zeit, aber die Ruhe passt zu Mr. Malik und gibt Zeit, sich etwas in das Setting einzufinden.

    Wie schön, dass Dir der Roman so gut gefallen hat.

  2. Das stimmt, es passt zu Mr. Malik bzw. dazu wie er sich am Anfang präsentiert. Ich fürchte aber auch, dass der eine oder andere Leser aufgrund des ruhigen Anfangs abspringt und sich so eine Perle entgehen lässt. 🙂

  3. Ich mag langsame Anfänge. Du hast mich sehr neugierig auf das Buch gemacht. Ich glaube, ich werde es als Urlaubs-verlängerungs-Lektüre erwerben. Herzlichst Mila

  4. @Mila: Wie schön, dass du mit Mr. Malik noch ein wenig deinen Urlaub verlängern magst. Ich bin mir sicher, dass er dir noch ein paar schöne Stunden bereiten und dir vielleicht sogar Lust auf einer weitere Reise machen wird. 😉

  5. Oh, das hört sich aber wirklich schön an – ich glaube fast, damit habe ich jetzt ein Geburtstagsgeschenk für meine Mutter, das scheint mir nämlich ganz ihre Kragenweite zu sein. Meine übrigens auch, ich lese es dann natürlich vorher. Ungelesene Bücher verschenkt man schließlich nicht. 😉

  6. @Birthe: Ich seh schon, du bist ein praktisch veranlagter Mensch und willst sicher gehen, dass der Roman deiner Mutter auch gefällt! Dann wünsche ich euch beiden ganz viel Spaß mit Mr. Malik und seiner ungewöhnlichen Vogelsuche! 🙂

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