Patrica Wentworth: The Black Cabinet

Nachdem ich „Grey Mask“ von Patricia Wentworth recht unterhaltsam fand, habe ich mit „The Black Cabinet“ einen weiteren Versuch mit der Autorin gewagt. Dieser Roman wird aus der Perspektive von Chloe Dane erzählt, die ursprünglich der höheren Gesellschaft entstammt, aber seit dem Tod ihres Vaters gezwungen ist, ihren Lebensunterhalt als Näherin bei einer Schneiderin zu verdienen. Eigentlich ist Chloe ganz zufrieden mit ihrem Leben, allerdings träumt sie regelmäßig von dem Herrensitz Danesborough, auf dem sie aufgewachsen ist und der inzwischen an einen entfernten Verwandten verkauft wurde. Auch ist sie nicht glücklich darüber, dass ihre Kollegin und Mitbewohnerin demnächst heiraten wird und sie dann allein mit ihrer anspruchsvollen Chefin zurückbleibt.

Doch kurz nach Beginn der Geschichte ändert sich Chloes Leben radikal, als ihr Verwandter Mitchell Dane ihr Danesborough und sein Vermögen hinterlässt und damit den Zugang zu seinem Safe, in dem er eine Menge entlarvende Briefe aufbewahrt, die als Grundlage für diverse Erpressungen dienten. Während Chloe fest entschlossen ist, die Briefe zu vernichten und spätestens nach ihrem 21. Geburtstag, der in zwei Monaten sein wird, auf das Erbe zu verzichten, versuchen die Komplizen des verstorbenen Erpressers alles, um Chloe und den Safe-Inhalt in ihre Hände zu bekommen. Doch nicht nur Chloes Sicherheit ist in Gefahr, sondern auch ihr Herz, denn es gibt gleich zwei Männer, an denen sie Gefallen findet und denen sie im Laufe der Geschichte immer wieder über den Weg läuft.

Ich mochte den Anfang von „The Black Cabinet“ (hinter dem titelgebenden „Cabinet“ ist übrigens der Safe verborgen) sehr. Chloe schien eine sympathische junge Frau zu sein, die das Beste aus ihrer Situation macht und deren Humor sie immer wieder optimistisch in die Zukunft schauen lässt. Patricia Wentworth lässt sich viel Zeit, um die Protagonistin und ihr Umfeld vorzustellen, und ehrlich gesagt habe ich nach einem Drittel der Geschichte den Roman aus der Hand gelegt, um nachzuschauen, ob ich da wirklich einen Krimi erwischt habe oder doch eher eine Liebesgeschichte. Denn anfangs gibt es – abgesehen von dem mysteriösen Verwandten, der Chloe beobachtet, – keinen Hinweis darauf, dass das Ganze etwas anderes sei als eine ganz gewöhnliche Dreiecksgeschichte, die sich rund um die verarmte Schönheit, den charmanten Martin Fossetter und den zurückhaltenden Michael Foster dreht.

Erst als Chloe schon eine Weile wieder in Danesborough lebt, gibt es seltsame Vorfälle mit dem Sekretär des verstorbenen Mitchell Dane, und es wird immer deutlicher, dass Chloe in Gefahr schweben könnte. Obwohl Patricia Wentworth deutlich macht, dass Chloe ganz allein in einem Haus mit einem Haufen Verbrecher ist, kam für mich keine rechte Spannung bei diesem Roman auf. Chloe macht eine Entdeckung, dann krabbelt sie nachts im Dunkeln rum, dann überlegt sie, wie sie ihr Leben wieder selber in die Hand nehmen könnte, und dann läuft sie weg und läuft weg und läuft weg, während die Bösen hinterherrennen. Dabei schwankt Chloe ständig zwischen Misstrauen (hatte Mitchell ihr doch gesagt, sie dürfe niemandem vertrauen) und dem Bedürfnis, jedem mitfühlenden Zuhörer alles anzuvertrauen. Und wenn sie dann wirklich mal jemandem etwas mitteilt, dann gerade genug, dass es einfach nicht hilfreich ist. So zog sich die Geschichte ganz schön hin und die ganze Bedrohung scheint am Ende einfach so zu verpuffen, ebenso wie sämtliche Missverständnisse, die sich im Laufe der Handlung ergeben haben. Das fand ich wirklich unbefriedigend.

Ich werde trotzdem noch einen Versuch mit den Miss-Silver-Romanen wagen, die ich in der Bibliothek vorgemerkt habe. Denn „Grey Mask“ fand ich ja wirklich nett und unterhaltsam, aber „The Black Cabinet“ ist in meinen Augen keine Empfehlung für die Autorin, und hätte ich dieses Buch als erstes gelesen, würde ich Patricia Wentwort keine weitere Chance zugestehen.

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