Um „Frucht der Sünde“ von Phil Rickman bin ich eine ganze Weile herum geschlichen, denn auf diversen Seiten kann man sehr unterschiedliche Meinungen dazu lesen. Der Klappentext reizte mich, ein erstes Reinlesen im Buchhandel hat mich auch nicht abgeschreckt, aber für einen Platz auf dem Wunschzettel hat es nicht gereicht. Glücklicherweise hat mir meine Bibliothek den Titel besorgen können, so dass ich meine Neugierde in den letzten Tagen stillen konnte. Allerdings hat Lesen dieses Buches noch nicht gereicht, um zu einer fundierten Meinung zu kommen, deshalb werde ich mir wohl „Mittwinternacht“ auch noch zu Gemüte führen – zumindest hat es der Titel auf meine Vormerkliste geschafft …
Aber erst einmal zum Inhalt von „Frucht der Sünde“, damit ihr überhaupt wisst, worum es in diesem Krimi geht. Ich beschränke mich ausnahmsweise mal wieder auf den Klappentext des Verlags, denn ich würde sonst vermutlich endlos auf die verschiedenen Teile der Handlung eingehen:
Apfelbäume, überall Apfelbäume … sie sind nicht wegzudenken aus Ledwardine, dem kleinen Ort im Westen Englands, in den die junge Witwe Merrily Watkins mit ihrer Tochter Jane zieht. Dort soll sie die Pfarrstelle übernehmen. Doch schnell ist es vorbei mit der ländlichen Ruhe: Bei einer nächtlichen Feier im Apfelgarten kommt es zu einem grausigen Todesfall, und ein Skandalautor will in der Kirche den Tod eines vor Jahrhunderten als Hexer verfolgten Geistlichen inszenieren. Merrily und ihre Tochter werden derweil in dem großen alten Pfarrhaus von düsteren Visionen geplagt. Und dann verschwindet ein Mädchen …
Dieses Buch hat wirklich einen sehr zwiespältiges Eindruck bei mir hinterlassen. Auf der einen Seite fand ich die Pfarramtsvertreterin Merrily Watkins und ihr Tochter Jane recht sympathisch und dann gab es wieder einige Momente, wo ich beide am Liebsten geschüttelt hätte, weil sie sich so bescheuert verhalten. Die diversen Nebenfiguren haben mir insgesamt deutlich besser gefallen, allen voran Lucy Devenish (Inhaberin eines esoterisch angehauchten Andenkenladens oder besser eines Esoterikladens, in dem es auch Andenken für Touristen zu kaufen gibt), die innerhalb ihrer Ansichten stimmig agiert und die weniger auf sich selbst bezogen zu sein schien als alle anderen Charaktere in dieser Geschichte. Auch wenn ich dafür ihre Glaubensvorstellungen, ihren Aberglauben oder ihre Naturreligion – wie immer man es ausdrücken möchte – etwas zu präsent fand, was aber angesichts der Tatsache, dass genau diese Vorstellungen der Kern der Geschichte sind, verzeihlich ist.
Die Versuche die alten – zum Teil heidnischen – britischen Traditionen aufrecht zu erhalten haben mich an einige Kriminalroman von Ngaio Marsh erinnert, wo dieses Thema auch immer wieder aufgenommen wird. Die Ausrichtung auf den Tourismus, der Versuch die Vergangenheit zu konservieren und die Probleme, die es zwischen den Alteingesessenen und den Zugezogenen gab, hingegen an die Inspector-Barnaby-Fernsehserie. Sowohl die Krimis als auch die Fernsehserie finde ich nett und unterhaltsam und somit haben mir auch in diesem Buch diese Elemente gefallen, auch wenn man das alles deutlich straffer und somit interessanter hätte erzählen können.
Mein größtes Problem liegt wohl darin, dass ich bis zum vierten Teil der Geschichte (Seite 503 von 608!) nicht das Gefühl hatte einen Kriminalroman zu lesen. Obwohl es innerhalb des Prologs schon den ersten Toten gab, dümpelte die Handlung vor sich hin. Es gab Zwistigkeiten im Ort, Probleme rund um ein Theaterstück, das in der Kirche aufgeführt werden sollte, Vermutungen über vergangene Ereignisse, Hinweise auf Merrilys unglückliche Ehe, Erwähnungen von Sagen und Mythen und immer wieder Albträume, Geistererscheinungen, Visionen, Spukelemente und ähnliches. Und nichts davon schien in eine konkrete Richtung zu führen.
Immer wieder hatte ich das Gefühl, dass sich Phil Rickman von seinen eigenen Einfällen und Ideen hat ablenken lassen, dass er einzelne Aspekte eher spontan weiter ausgeführt hat und dass er zu Beginn nicht so recht wusste, ob er eine Geistergeschichte oder einen Krimi schreiben wollte. Das alles hat mich – ebenso wie die Tatsache, dass der Krimianteil wirklich unbefriedigend war – am Ende des Buches ratlos und etwas verärgert zurückgelassen. Auf der anderen Seite beschäftigt mich – so kurz nach dem Lesen – die Frage, wie es mit Merrily und ihrem Amt weitergehen wird, und die Neugierde darauf, ob der Autor vielleicht doch noch den Dreh zwischen unerklärlichen Elementen und einem klassischen britischen Krimi finden kann.
Also ist der zweite Teil „Mittwinternacht“ vorgemerkt und ich geben Phil Rickman noch eine Chance, bevor ich ihn als Autor für mich endgültig abschreibe – und bis dahin gehe ich zu meiner „Miss Daisy“ („Miss Daisy und der Tote auf dem Eis“) zurück und genieße einen schönen britischen Cozy-Krimi!
Bei mir liegt gerde "Die fünfte Kirche", komme aber auch nicht so recht voran damit. Habe in Italien angefangen zu lesen, aber das war nicht die richtige Umgebung dafür, bedarf rauer schottischer Nächte…
LG;
JED
Huhu JED! 🙂 Hast du die vorhergehenden zwei Bände denn von dem Autor gelesen oder steigst du gerade mit dem dritten Teil in die Reihe ein? Und liegt es wirklich an der fehlenden Atmosphäre in deiner Umgebung oder an der Handlung, dass du nicht richtig damit voran gekommen bist?
Neugierige Grüße von der Winterkatze
Das klingt doch zumindest nicht nach Standardkost 🙂 Die Elemente, die im Buch stecken, könnten mir schon gefallen, und die Verbindung Krimi – Mystery als Idee mag ich auch, aber es klingt ja so, als ob die Umsetzung ein paar Schwächen hat…
Ich sehe gerade, daß dieser Teil in unserer Bibliothek tatsächlich derzeit ausleihbar ist (ein seltenes Glück). Dann kann ich ja auf Nummer sicher gehen und es mit einer Leigabe probieren, dann ist es nicht schlimm, falls es nicht gefällt.
Nein, Standardkost ist das nicht! 😀 Ich dachte auch, dass ich mit dem Band eigentlich nichts falsch machen könnte und war auch interessiert genug, um die Geschichte trotz Längen und Mängel zu Ende zu lesen – und sogar den zweiten Teil vorzumerken. Aber der Griff zur Bibliothek erscheint mir da auf jeden Fall die bessere Wahl, denn für einen solchen Wackelkandidaten würde ich an deiner Stelle kein Geld ausgeben … 😉
Ich hatte überlegt, ob "Frucht der Sünde" vielleicht Phil Rickmans Debut ist,weil Du von das Abschweifen und die … hm… behäbige? Entwicklung erwähnst. Aber eine ganz kurze Recherche ergab, dass der Autor unter anderem Namen auch schon Horrorromane verfasst haben soll und die Merrily-Reihe auch nicht "so jung" ist. Mal abgesehen davon, dass der Autor offenbar hauptberuflich Literaturkritiker sein soll – interessant 😉
Nach Deiner Rezension wundert es mich aber auch nicht, dass Du ihm und Merrily noch eine Chance geben willst. Das Setting kling wirklich nicht schlecht.
@Natira: Darüber hatte ich auch nachgedacht, aber wie du schon sagst: Es war nicht sein erster Roman. Allerdings sein erster Roman mit Merrily Watkins – vielleicht musste er damals bei dieser Art von Geschichten ja noch seine Stil finden. Die Reihe ist ja anscheinend recht erfolgreich, sonst gäbe es nicht so viele Teile davon … Ich werde einfach nach dem zweiten Band sehen, ob ich mich mit diesen Krimis richtig anfreunden kann.
P.S.: Dafür habe ich gestern Abend meine letzten Miss-Daisy-Band ausgelese … *sniff*
Kennst Du "Miss Winters…" von K.H. Haines (http://www.amazon.de/Miss-Winters-Hang-zum-Risiko/dp/3518460900/ref=pd_sim_b4) – bitte sieh es mir nach, falls ich es im Blog überlesen habe 😉
@Natira: Jupp, davon hatte ich den ersten Band gelesen und musste ich – dank dir – feststellen, dass mir die Erscheinung von Band 2 und 3 durchgeflutscht sind. Ich habe die Bücher mal auf meine Wunschliste gepackt … *ohje* Der erste Teil hatte schon ein paar Schwächen beim Krimianteil, war aber so unterhaltsam geschrieben, dass mir das Lesen wirklich Spaß gemacht hat. 🙂
Ich drücke Dir die Daumen, dass die anderen Titel auch irgendwann bei Dir landen!
Dankeschön! 🙂
Ich habe jetzt die ersten 100 Seiten gelesen und finde es nicht schlecht. Viel Krimi ist es bisher noch nicht, aber ich bin da nicht mit fester Erwartungshaltung herangegangen. Sehr dialoglastig allerdings, nach den Rezensionen hätte ich mir den Stil schwurbeliger vorgestellt ^^
Die Bände 2-4 gibt's übrigens zum Mängelexemplar-Preis bei Arvelle 🙂
@Kiya: Nach 100 Seiten war ich auch nur neugierig, aber du hast ja noch 400 Seiten vor dir, bis man das Ganze berechtigt einen Krimi nennen kann, und gerade der Mittelteil hat sich meinem Gefühl nach schon gezogen und hatte viele Abschweifungen in sich. 😉
Ich glaube, anschaffen werde ich mir die Bücher nicht. Zum Glück kann ich ja auf eine gutbestückte Bibliothek zurückgreifen. 😀
*schaut begierig auf winterkatzes büchereiausweis* 🙂
Für 12 Euro bekommst du deinen eigenen, also Finger weg von meinem! ;D
*g*
schau'n wir mal
@ Winterkatze
Die anderen Teile habe ich nicht gelesen, hatte das Buch eher zufällig in der bibliothek abgegriffen, da der Inhalt sehr interessant klang.
Ob es an der Antmosphäre oder doch eher an der Handlung liegt, dass ich nicht so recht vorankomme, ist eine gute Frage, die ich wohl erst beantworten kann, wenn ich weitergelesen habe. Na, mal schauen…
Das Wetter wird ja wieder zum richtigen Lesewetter….
LG,
JED
@JED: Ah, ein Bibliotheksfunde ohne Vorwissen. 😀 Ich bin auf jeden Fall auf deine Meinung zu dem Buch gespannt! So ein Abend mit Tee und Buch passt zur Zeit wirklich ins Programm. 🙂