Reinhard Osteroth: Erfinderwelten – Eine kurze Geschichte der Technik

Reinhard Osteroths „Erfinderwelten“ enthält wirklich – wie der Untertitel schon sagt – eine kurze Geschichte der Technik. Nach einer Einleitung, in der der Autor unter anderem erklärt, warum er keine Erfinderinnen in seinem Buch aufführt (gesellschaftliche Stellung und ein Mangel an Ausbildung hätten in den vergangenen Jahrhunderten verhindert, dass Frauen die Technikgeschichte prägende Erfindungen machen könnten) und einem kurzen Abriss, der von der Entstehung des ersten Faustkeils in der Steinzeit über ägyptischen Pyramidenbau und Tonzeugproduktion sowie griechische Mathematik bis zu den Wasserleitungen der Römer geht, hüpft man kurz in die Zeit der ersten Kolonialisierungen, um wenige Seiten später mit Leonardo da Vinci dem erster bedeutender Erfinder zu begegnen, der etwas detaillierter vorgestellt wird.

Zwischen den eher personenbezogenen Kapiteln werden immer wieder Passagen eingeschoben, die einen weiteren Überblick über die Dinge bieten, die sich in der (technischen) Welt zu der Zeit getan haben, oder darüber, welchen Einfluss die Entwicklungen auf Gesellschaft, Religion und Handel hatten. Das ganze Sachbuch fand ich interessant und gut zu lesen, ich bin aber zwischendurch immer wieder über Sätze gestolpert wie „Auch der italienische Arzt und Mathematiker Geronimo Cardano, sein Name ist uns heute durch die kardanische Aufhängung geläufig, ist ein unablässiger Experimentator zwischen mittelalterlicher Naturmagie und neuem Forschergeist.“ (S. 53), bei denen ich dann dastand und dachte „Was für eine Aufhängung?!“ – und schon musste ich wieder die Suchmaschine anwerfen und nachlesen, was da vom Autor für Wissen als selbstverständlich angenommen wird, das mir fehlt. Oder genauer gesagt, wo mir die Bezeichnung zum vorhandenen Wissen fehlt, denn ich kenne die „Kardanische Aufhängung“, ich habe eine recht genaue Vorstellung davon, wie sie funktioniert und welchen Nutzen sie hat, aber ich hatte bis zu diesem Moment keine Bezeichnung dafür.

Aber nicht nur solche Bezeichnungen habe ich aus dem Buch mitgenommen, sondern mal wieder ein bisschen erhellendes Wissen, um mein Gesamtbild zu den Themen Geschichte, Technik und Fortschritt erneut ein wenig mehr zu vervollständigen. Mir geht es oft so, dass ich „Wissensinseln“ zu verschiedenen Gebieten oder Personen besitze, diese aber nicht in einen Zusammenhang bringen kann. Oder dass ich ganz selbstverständlich Begriffe verwende und mir erst (erschreckend) spät aufgeht, wo der Ursprung dieses Begriffs liegt. Seit dem Lesen von „Erfinderwelten“ komme ich mir zum Beispiel ganz schön bescheuert vor, weil ich meinen Ferienjob in der „Galvanik“ nie mit Luigi Galvani (und seinen Froschschenkeln 😀 ) in Verbindung gebracht habe.

Zum Teil wirft mir Reinhard Osteroth schon fast zu schnell mit Namen und Erfindungen um sich. Man muss sich beim Lesen nicht nur sehr konzentrieren, um nicht durcheinander zu kommen, sondern sich auch noch einigermaßen an den Chemie- und Physik-Schulstoff erinnern, um nicht ständig etwas nachschlagen (oder eine Aussage als gegeben hinnehmen) zu müssen. Die Grundlagen sitzen bei mir eigentlich noch ganz gut, aber die Lücken durch die diversen Schulwechsel habe ich anscheinend auch in all den Jahren nicht aufgeholt.

Als Appetithäppchen für das Thema ist „Erfinderwelten“ gut geeignet. Man bekommt die namhaften Erfinder vorgestellt und kann Verbindungen zwischen den verschiedenen Entwicklungen und Personen ziehen. Auch mochte ich es, beim Lesen so manchen Namen „wiederzuentdecken“ und mein dann doch vorhandenes Wissen überprüfen zu können. Für diejenigen aber, die sich schon etwas intensiver mit diesem Wissensgebiet beschäftigt haben, hält das Buch wohl keine neuen Erkenntnisse parat. Da bieten sich andere Werke, die sich konkreter mit einem Erfinder oder einem bestimmten technischen Gebiet beschäftigen, eher an.

Ach ja, noch eine Bemerkung zur Lesbarkeit des Buchs: Die Texte sind wirklich gut lesbar – vor allem, wenn man bedenkt, dass der Autor aufgrund der Kürze der jeweiligen Abschnitte jeden Absatz mit Namen, Daten und Erfindungen vollstopfen musste. Allerdings erlaubt er sich bei einigen Passagen auch einen etwas aufgeblähten Stil, über den ich persönlich eigentlich nur schmunzeln konnte. Als Beispiel hätte ich da die abschließende Aussage zu Thomas Alva Edison: „Kaum einer hat so wie Edison den Alltag verändert. Er ist der Urvater des technischen Haushalts, ein Popstar der Technifizierung, ein Postillon der Machbarkeit“ (S. 134) – und er röstete Kleintiere mit Wechselstrom und entwickelte so in seinem Streit mit Tesla den elektrischen Stuhl … Ein sehr Popstar-würdiges Verhalten, wie ich finde.

7 Kommentare

  1. Ich mag diese Art Bücher, in denen ein – zwangsläufig kursorischer – Überblick zu Fachgebieten gegeben wird – und zwar aus diesem Grund. Ich erhalte einen Überblick (bzw. vorhandenes Wissen wird ganz oder teilweise erinnert) und ich kann zur besprochenen Materie und/oder Personenkreisen, falls gewünscht, Wissen vertiefen.

    Es gibt so vieles, was ich nicht weiß und auch wenn mich Themenbereiche interessieren, habe ich nicht immer die Zeit, mich so intensiv damit zu beschäftigen, wie es das Thema verdienen mag – jedenfalls nicht, wenn ich mich auch mit anderen mir wichtigen Dingen beschäftigen will. 😉

  2. Ich bin immer etwas zwiegespalten, wenn es um solche Bücher geht. Auf der einen Seite finde ich es toll, so einen Überblick zu bekommen, auf der anderen Seite finde ich es frustrierend, dass ich eigentlich so viel mehr wissen und recherchieren möchte und oft nicht weiß, wo ich anfangen soll. Letztendlich führt das viel zu oft dazu, dass ich es sein lasse, weil ich inzwischen schon wieder ein neues Wissensgebiet gefunden habe, das mich beschäftigt.

  3. Lustig, im Mailfach habe ich Deinen Antwortkommentar, aber hier auf der Seite wird er mir nicht angezeigt – obwohl ich die Seite sogar noch einmal neu geladen habe. 😉
    Wenigstens ist so ein Überblick über Themenbereiche möglich. 🙂 Und wer weiß, manche Themen sind ja auch vernetzt und Du kommst auf Umwegen wieder auf einen Punkt zurück, wie z.B. zur Kardanischen Aufhängung. 😀

  4. Ja, das geht bei Blogger (zumindest bei meinem Blog) schon eine ganze Weile so. Ein paar Minuten warten und dann neu laden und "schon" wird dir der neue Kommentar angezeigt.

    Ich finde es trotzdem oft schade, dass ich immer so ungezielt Wissen erlese und kein Gebiet "richtig" erforsche. Aber nun gut, immerhin stürze ich mich ab und an noch auf Themengebiete und lese mich ein bisschen rein. 🙂

  5. Ich bin ja nun wirklich nicht jemand den man als "naturwissenschaftlich begabt" bezeichnen kann und ich fürchte, dieses Buch würde bei mir nach einer gewissen Zeit abgebrochen werden. Schon alleine dieses fluten mit Namen und Erfindungen wie Du es beschreibst würde mich vermutlich nerven. Aber auf der anderen Seite würde ich solche Bücher eigentlich sehr gerne lesen – ich denke nämlich gerade bei solchen Themen sehr häufig, wie wenig ich da weiss und wie gerne ich das ändern würde. Aber alleine beim Abrufen der Grundlagen würde ich wohl scheitern 🙁 Vielleicht finde ich ja irgendwann ein Buch, welches noch weniger Vorerfahrungen voraussetzt 🙂

  6. Klingt recht gut, das Buch 🙂 Ich mag Überblicksbücher zu Wissenschaftsthemen, weil mir für sehr detaillierte Einblicke oft z.B. physikalische Kenntnisse fehlen. Osteroth scheint aber Technikgeschichte auch vor allem als die klassische "Geschichte großer Männer" zu schreiben – ist das so?

  7. @Sayuri: Wenn du mit dem Buch gern mal einen Versuch wagen magst, dann könnte ich es dir auch leihen. 🙂 Gerade die personenbezogenen Passagen sind nicht so geflutet und ganz gut lesbar und was die Physik-Grundlagen angeht, bin ich mir sicher, dass dein Wissen für dieses Buch ausreicht (und die paar fehlenden Elemente kann man online finden). 🙂

    @Kiya: Ja, er hängt die Technikgeschichte wirklich an den großen Männern auf. Das hat bei mir immerhin dazu geführt, dass ich mal wieder ein paar Erfinder zeitlich einanderzuordnen konnte – das fällt mir sonst verflixt schwer. *g*

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