Ende letzten Jahres hatte Hermia im Rahmen eines Re-Reads mehrfach auf die „Downside Ghosts“-Serie von Stacia Kane hingewiesen und unter anderem auf ihre Rezension des ersten Teils verlinkt. Da ich neugierig geworden war, war sie so lieb und hat mir die ersten drei Bände geliehen – und nun dachte ich, dass es endlich an der Zeit sei, damit anzufangen. Im Vorhinein bin ich schon gewarnt worden, dass die Hauptfigur Chess drogensüchtig ist und dass es wohl Leser gibt, die damit ein Problem haben. Ich muss zugeben, dass ich weniger ein Problem damit hatte, dass Chess Pillen einwirft, als damit, dass sie – obwohl sie eine „funktionierende“ Süchtige ist – es irgendwie nie zu schaffen schien, ihren Konsum so zu dosieren, dass sie nicht mitten in einem Kundengespräch Entzugserscheinungen bekommt oder so. Auch bei drogensüchtigen Protagonisten erwarte ich eben eine gewisse Professionalität, wenn es sich dabei um „funktionierende Mitglieder der Gesellschaft“ handeln soll. 😉
Ich muss aber gestehen, dass mir das wohl auch nur deshalb so sehr auffiel, weil ich anfangs etwas Schwierigkeiten hatte, in die Geschichte reinzukommen. Auf der einen Seite war ich in den letzten Tagen etwas unkonzentriert, auf der anderen Seite hat Stacia Kane für „Unholy Ghosts“ eine – eigentlich angenehm – fremdartige Fantasy-Welt geschaffen. In dieser Welt erstanden im Jahr 1979 die Geister der Verstorbenen wieder auf und vernichteten einen Großteil der Menschheit. Warum die Geister Menschen töten, ist nicht geklärt, aber dieses Phänomen führte dazu, dass die bisher bekannten Gesellschaftsformen zusammenbrachen, die etablierten Kirchen ihrer Existenzberechtigung beraubt wurden und sich eine neue Organisation erhob, die nun „Kirche“ und Regierung zugleich ist. Diese „Church“ ist es auch, an die sich die Menschen wenden, wenn ihre Häuser von Geistern heimgesucht werden, damit die „Debunker“ der Kirche die Geister mit Hilfe ihrer Magie gegen gute Bezahlung austreiben.
Auch Chess ist ein Debunker und verwendet ihre Magie im Namen der Kirche, um der Bedrohung durch die Geister Herr zu werden. Dass sie drogensüchtig ist, verschweigt sie dabei natürlich, ebenso die Tatsache, dass sie Bump, einem der beiden Drogenbosse, die die Downside beherrschen, eine Menge Geld schuldet. Gleichzeitig wird sie schon zu Beginn der Geschichte durch den andere Drogenbaron eben aufgrund ihrer Verbindung zu Bump unter Druck gesetzt. Diese „persönlichen“ Probleme waren von Anfang an recht leicht zu durchschauen, das Gefüge der Welt hingegen fühlte sich fremd an und ich brauchte etwas, um mich darin zurechtzufinden und mich wohl zu fühlen – was auch an der (schon allein aufgrund des Slangs in der Downside) sperrigen Sprache lag. Auf Englisch fällt mir das dann doch noch etwas schwer, auch wenn ich nicht wissen will, wie verquer sich das wohl auf Deutsch lesen würde.
Wenn ich jetzt nur die Protagonisten (Chess und die beiden Herren, die ihr – mehr oder weniger – im Auftrag der Drogenbarone zur Seite stehen) und die Handlung an sich betrachten würde, dann wäre mein Urteil „ganz nett, aber nichts Besonderes“. Was die Reihe allerdings deutlich von ähnlichen Titeln abhebt, ist der Weltenbau. Eine Gesellschaft, in der Magie von der „Church“ gefördert wird, in der die Furcht vor Geistern die Menschen beherrscht und in der diese Geister in eine Stadt unter der Erdoberfläche verbannt werden, ist wirklich mal erfrischend anders. Und während mich Chess – obwohl sie mir sympathisch ist – vermutlich nicht zum Weiterlesen veranlassen würde, so bin ich doch neugierig auf weitere Details zu dieser Welt. Durch Chess und ihre Verbindungen lernt man in „Unholy Ghosts“ vor allem die unterste Gesellschaftsschicht kennen, ich wäre neugierig, ob man im Laufe der Zeit eine größere gesellschaftliche Bandbreite kennenlernt und mehr über die „Church“ erfährt.
Anscheinend bist du ja mit der Protagonistin um einiges besser klar gekommen, als ich. Am interessantesten war für mich aber auch der Schreibstil bzw. der Slang, der einem zu Beginn schon vor Herausforderungen stellt ^^ Und während ich mit Chess Drogenproblem nicht zurecht kam, musste ich jetzt direkt Grinsen, weil dich natürlich gestört hat, dass sie nicht konsequent genug in ihrer Sucht war *g*
Nicht professionell genug! *g* Die "funktionierenden" Süchtigen, die ich in meinem Leben erlebt habe, haben in erster Linie dafür gesorgt, dass sie regelmäßig ihre Sucht befriedigen konnten und dementsprechend den Rest ihres Tages gestaltet. Ich kann verstehen, dass sie in Notsituationen das nicht auf die Reihe bekommt, aber bei einem "normalen" Tag inklusive "Kundengespräch" hat es mich irritiert.
Und ich finde es beruhigend, dass du den Slang auch als herausfordernd empfunden hast! Ich habe ja immer das Gefühl, dass das an meinen Englischkenntnissen liegt.
Ich konnte das Buch nicht zuende lesen, weil der Slang mich einfach nur wahnsinnig gemacht hat. Ich fand die Hauptfiguren interessant, ich fand die Handlung spannend, und ich kam auch mit Chess' Drogensucht klar, aber ich fand diesen ausgedachten Slang einfach nur hassenswert. Bah. Die kommen alle in diesen besonderen Teil der Hölle, der sonst für die Werbetexter reserviert ist, die sich solche Perlen wie "glossy glänzend" oder "jetzt noch perfekter" ausdenken.
@Susi: Ich bin mir sicher, dein Englisch ist besser als das meine und du nimmst solche Feinheiten eher wahr. Ich war immer nur froh, wenn ich nicht zweimal lesen musste, um den Sinn zu erfassen. 😉
(Ich würde zu gern mal Klartextwerbung ohne Kunstwörter und Beschönigungen erleben!)
Ich hab davon die deutsche Ausgabe noch auf dem SuB, die gab's mal als Mängelexemplar. Ich bin noch nicht so sicher, ob das etwas für mich ist, die meisten Meinungen sind ja doch etwas verhaltener – interessant genug zum Ausprobieren klang und klingt es aber. Mal sehen, wie sich die Übersetzung liest…
Stimmt schon, jetzt wo du es sagst möchte man tatsächlich meinen, dass sie ihre Sucht besser unter Kontrolle hat bzw. abschätzen kann wie lange sie mit einer bestimmten Dosis auskommt… andererseits hatte sie ja immer Probleme ihre Sucht zu finanzieren, wenn ich mich richtig erinnere? Vl kommt ja dadurch diese Unregelmäßigkeit rein? Wenn sie etwas zur Verfügung hatte, wurde es genommen, ansonsten musste sie wieder einem ihrer Dealer hinter her laufen…
Mensch, wie sich diese Unterhaltung grade anhört *g*
So extrem wie Stacia Kane hier Slang benutzt habe ich das aber noch bei keinem Autor erlebt! Obwohl, Franny Billingsley hat auch einen ganz eigenen Stil, aber trotzdem ist dieser nicht so extrem.
@Kiya: In der Übersetzung kann ich mir das so gar nicht vorstellen – oder wenn, dann muss der Übersetzer schon besonders gute Leistung erbracht haben. Aber vielleicht magst du ja mal reinschnuppern und dir den Slang schon mal angucken? 😉
@Melli: Das mit dem Abschätzen bekommt sie sogar ganz gut hin – nur blöderweise ist sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie Nachlegen müsste, anfangs immer verhindert. Es wären also der Stoff vorhanden ebenso wie das Bewusstsein, dass es wieder Zeit für eine Pille ist … Naja, es wurde ja besser, als sie von äußeren Umständen abgehalten wurde. Oh, oder von äußeren Umständen dazu gebracht wurde, es mit der Zufuhr zu übertreiben!
Und ich mag solche Buchgespräche! Wann sonst kann man so unbeteiligt über so schreckliche Themen reden? 😉
Ich habe es oft, dass ich mich bei englischen Büchern an eine eigene Ausdrucksweise gewöhnen muss, fand es hier aber auch extrem. Aber da ich auch etwas unkonzentriert war in den letzten Tagen, konnte es eben auch daran liegen. Vielleicht sollte ich die nächsten beiden Bände möglichst bald lesen, solange ich noch in dem Slang drin bin! *g*
Das wäre wahrscheinlich das Beste, wenn du nicht zu lange wartest 😉 nicht, dass dir beim zweiten Band wieder der Einstieg schwer fällt. Wer weiß, vielleicht gefällts dir dann sogar besser, weil du schon drin bist?
Mhh, sie schluckt Pillen, ja? Ich weiß das gar nicht mehr… aber grade da stelle ich mir das ja noch leichter vor – die sind ja schnell genommen, wenn man sie zur Hand hat.
Was mich bei ihr ja auch noch so gestört hat, war, dass die von ihrer Sucht ja gar nicht weg wollte. Und da konnte ich mich dann gar nicht mit ihr anfreunden. Vielmehr versucht sie es ja sogar zu rechtfertigen, nicht? (Ich habe definitiv zu viel vergessen, wenn ich das alles erst nachfragen muss ^^)
@Melli: Jupp, Pillen – und das oft genug ohne Flüssigkeit zum Runterspülen -, ansonsten gönnt sie sich noch regelmäßig was zum Rauchen. 😉
Ich finde es schwieriger, dass sie bei ihrem Job Drogen nimmt, sie müsste ja eigentlich schon bei Verstand sein, um sich mit ihrer Magie nicht in Gefahr zu bringen. Dass sie die Drogen als das kleinere Übel empfindet und sie als willkommenes Mittel sieht, um die Erinnerungen an ihre Kindheit inklusive Missbrauch und Misshandlungen zu unterdrücken, kann ich akzeptieren. Allerdings fehlen mir bei der Darstellung die negativen Erfahrungen (vom Entzug abgesehen), fragt sie sich nur hier und da, ob die Drogen sie etwas paranoider machen.
Du glaubst ja gar nicht, wie froh ich bin, das dir das Buch gefallen hat! XD
Ich habe mich ja eigentlich recht gut an den Slang gewöhnt, aber als ich "Wrong Ways Down" (eine Novelle, die zwischen Band 3 und 4 spielt) gelesen habe, habe ich Mrs. Kane ziemlich oft verflucht. Die Novelle war nämlich nur im Slang geschrieben, es gab so gut wie gar keine anderen Abschnitte darin. 😉
Ich mag zwar die Figuren recht gerne, aber diese düstere Fantasywelt finde ich auch recht faszinierend. Und in so einer Situation kann ich die, hm, Flucht aus den Erinnerungen auch akzeptieren. Normalerweise würde so jemand wohl irgendwann einen Suizid begehen, weil man den ganzen Missbrauch einfach nicht mehr aushält. Ich fände es ehrlich gesagt entsetzlich, in einer Welt zu leben, in dem Tod keine "Erlösung" ist, sondern genau zu wissen, das man sich danach in ein mordlüsternes Etwas verwandelt und in einer unterirdischen Stadt gefangen genommen wird, ohne das es jemals ein Ende finden wird…
PS: Ihre Fähigkeit, Pillen auch ohne jede Flüssigkeiten runterzuschlucken fand ich recht befremdlich. 😉 Aber es gibt wirklich (wenige) Menschen, die das können. Gerade gestern habe ich einen alten Herren betreut, der das zu meiner Verblüffung auch beherrschte…
@Hermia: Das möchte ich mir gar nicht vorstellen? Ausschließlich Slang würde es für mich wohl unlesbar machen! Oo
Der Weltenbau ist wirklich toll, gerade weil alles so hoffnungslos ist und es diese Erlösung nach dem Tod nicht gibt. Selbst eine Auflösung oder eine bewiesene Nichtexistenz wäre ein besseres Ende als die Vorstellung zu einem boshaften Wesen zu werden, dass für die Ewigkeit eingeschlossen wird. Ich frage mich nur, ob man es sich unter diesen Umständen nicht während seines Lebens "schöner" machen würde – wobei das ja den Downsidern nicht gerade leicht fallen würde. Deshalb wäre ich umso neugieriger auf andere Gesellschaftsschichten.
P.S.: Wenn die Pillen nicht so richtig große Kapseln sind, kann ich das auch. Mag ich aber nicht gern tun und greife nur im Notfall darauf zurück. Die Tabletten dabei zu Zerbeißen – wie Chess es tut – ist aber absolut ekelhaft! 😉
[…] „Rick The Brave“ beendet und mich wunderbar dabei amüsiert. Es war schön mal eine Chess-Geschichte zu lesen, die aus einer anderen Perspektive erzählt wurde. Dieses Mal ist die Hauptfigur ein […]