Susannah Stapleton: The Adventures of Maud West, Lady Detective

„The Adventures of Maud West, Lady Detective – Secrets and Lies in the Golden Age of Crime“ hatte ich schon im Juli 2019 angefangen, aber obwohl die ersten Kapitel ungemein faszinierend waren, hat mich dann das Sommerwetter wieder dazu gezwungen, meine (gedruckten) Bücher zur Seite zu legen. Als ich mir im Oktober dann vornahm, meine angefangenen Sachbücher bis zum Jahresende zu beenden, hatte ich mir dieses Buch als krönenden Abschluss für mein Sachbuchlesen 2019 aufgehoben. Denn auf der einen Seite habe ich mich sehr darauf gefreut, das Buch weiterzulesen, und auf der anderen Seite begann das Ganze für die Historikerin Susannah Stapleton während eines Weihnachtsurlaubs, was doch irgendwie ganz passend war. Damals kam für sie die Frage auf, ob es zu Zeiten von Agatha Christie oder Dorothy Sayers eigentlich reale Privatdetektivinnen gegeben hatte, und wenn ja, wieso man heutzutage nichts mehr über diese Frauen weiß. Bei einer flüchtigen Online-Recherche stieß sie dann auf den Namen von Maud West, und auch wenn diese (entgegen diverser Zeitungsartikel zu ihrer Zeit) nicht die einzige Privatdetektivin in Großbritannien zu Beginn des 20. Jahrhunderts war, so scheint sie doch eine der faszinierendsten Frauen in diesem Gewerbe gewesen zu sein.

Das Lesen von „The Adventures of Maud West, Lady Detective“ hat mir ungemein viel Spaß gemacht, weil man nicht nur den häufig beschwerlichen Weg nachvollziehen kann, den Susannah Stapleton bei ihren Recherchen gehen musste, sondern die Autorin mit Maud West auch über eine wirklich interessante Persönlichkeit gestolpert ist. Obwohl ihr Name heutzutage vollkommen unbekannt ist, gab es so einiges an Material für die Historikerin zu finden, als sie erst einmal mit der Suche anfing. Doch schnell musste sie feststellen, dass all die vielen Artikel, die sie aus den 1920er und 1930er Jahren in Zeitungsarchiven auf der ganzen Welt gespeichert fand, entweder von Maud West selbst geschrieben worden waren oder auf Interviews mit ihr basierten. Dabei hat sich die Privatdetektivin bei den vielen Erlebnissen, die ihr angeblich bei ihrer Arbeit passiert sind, anscheinend von Autoren wie Edgar Wallace oder ähnlichen „Groschenromanschreibern“ beeinflussen lassen. Denn Susannah Stapleton hat bei ihrer weiteren Recherche nicht nur feststellen müssen, dass es keine Belege für all diese abenteuerlichen Geschichten gab, sondern auch, dass sich Maud West im Laufe der Jahre regelmäßig selbst widersprach.

Doch diese Widersprüche lassen einen als Leser nur noch neugieriger auf die geheimnisvolle Privatdetektivin werden, was es umso spanneder macht zu verfolgen, wie sich die Autorin der Person Maud West angenähert hat und wie sie am Ende nicht nur überraschend viele Daten zusammengetragen hat, sondern einem auch ein glaubwürdiges und faszinierendes Bild einer ungewöhnlichen und beruflich erfolgreichen Frau vermittelt. Einige Elemente in diesem Sachbuch basieren auf reinen Vermutungen von Susannah Stapleton, aber das finde ich nicht schlimm, da man dank des Aufbaus des Buchs genau nachvollziehen kann, welche Recherchen und Gedanken hinter solchen Passagen stecken und welchen Teil davon die Autorin belegen kann und welchen nicht. So muss ich auch Tage später immer noch über die fiktive Schlagzeile „Maud West – The Woman Who Failed To Catch Crippen“ schmunzeln – auch wenn nur die Tatsache, dass Dr. Crippen, die Music Hall Ladiess Guild (der Dr. Crippens ermordete Frau angehörte) und Maud West im selben Gebäude ihre Büros hatten, sowie eine Bemerkung eines Mitglieds der Ladies Guild darauf verweist, dass sie erst „a private detective“ engagiert hatten, bevor sie zur Polizei gingen, überhaupt eine Verbindung zwischen dem Crippen-Fall und Maud West knüpfen.

Da sich die Suche nach Fakten über Maud West so schwierig gestaltete, driftet Susannah Stapleton in „The Adventures of Maud West, Lady Detective“ immer wieder in Bereiche ab, die nur am Rande mit der Privatdetektivin zu tun haben. Doch diese Abschweifungen empfand ich als ebenso faszinierend wie die Passagen, die sich direkt um Maud West drehten, weil es so viele Informationen über (zum Teil wirklich absurde) Kriminalfälle gab oder Details zum alltäglichen Leben in London Anfang des 20. Jahrhunderts. Ich muss gestehen, dass ich mich so gut beim Lesen amüsiert habe, dass ich meinen Mann ganze Seiten vorgelesen habe. Allerdings scheint er mir das bei diesem Buch auch erstaunlich wenig übel genommen zu haben, obwohl ich ihn damit bei seinen eigenen Beschäftigungen gestört habe. 😉 Als einzigen Kritikpunkt könnte ich nach dem Lesen von „The Adventures of Maud West, Lady Detective“ vielleicht noch anmerken, dass Susannah Stapleton bei einigen Entdeckungen rund um Maud Wests Privatleben mehr in die ungeklärten Elemente hineininterpretierte, als ich es getan hätte. Aber dieser Punkt hat mich beim Lesen definitiv nicht gestört, sondern eher dafür gesorgt, dass ich mich über all die Fragen amüsiert habe, die der Autorin nach so einem neuen Informationsfund eingefallen waren, und darüber, dass diese häufig zu neuen faszinierenden Fakten rund um Maud West geführt haben.

2 Kommentare

  1. Bei dem Buch scheint ja die Recherche ebenso faszinierend zu sein wie die Person der Maud West. Die Leseprobe liest sich auf jeden Fall interessant. Ich hab das Buch mal auf meine Liste gesetzt – schade, dass es das nicht in der Bücherei gibt.

    • Konstanze

      Ich fand es zumindest sehr spannend zu lesen, wie die Autorin vorging, welche Quellen sie hatte und welche Informationen sie zu weiteren Recherchen animierten. Theoretisch könntest du einen Anschaffungsvorschlag machen, aber bei einem englischen Sachbuch zu diesem Thema ist die Chance vermutlich sehr klein, dass sie das Geld dafür ausgeben.

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