Auch „Eine feine Gesellschaft“ von Amanda Cross (eigentlich Carolyn Heilbrun) gehört zu den Krimis, die ich gelesen habe, weil ich herausfinden wollte, ob mir diese Reihe noch gefällt. Da es keine Reihenangaben auf meinen dtv-Ausgaben gibt, habe ich einfach einen Band aus dem Regal gefischt, dessen Klappentext mich ansprach. Schließlich habe ich die Bücher früher mehrfach gelesen, so dass ich auch dann mit den Figuren und ihrer aktuellen Situation zurechtkomme, wenn ich nicht mit dem ersten Band anfange. Die Kriminalromane von Amanda Cross drehen sich alle um die Literaturprofessorin Kate Fransler, die gemeinsam mit ihrem Bekannten (bzw. späteren Ehemann) Reed Amhearst Fälle löst. All diese Fälle spielen im akademischen Milieu, und auf die Lösungen kommt Kate, während sie sich mit den verschiedenen Beteiligten unterhält (wobei in die Gespräche immer wieder literarische Anspielungen und Zitate eingeflochten werden).
Die Handlung von „Eine feine Gesellschaft“ spielt während der Studenten-Demonstrationen im Jahr 1968 (der Roman wurde 1970 erstveröffentlicht) und die Forderungen und Handlungen der Studenten haben die Universität, an der Kate Fransler lehrt, zutiefst erschüttert. Während die Verwaltung und der Lehrkörper noch versuchen, mit all den Veränderungen umzugehen, gibt es gleichzeitig eine Gruppierung unter den Professoren, die im Rahmen der Neuordnung auch das „University College“ abschaffen wollen. Dabei waren es gerade die Studenten des University College (wo ältere und in der Regel berufstätige Studenten Kurse belegen), die sich von den Unruhen ferngehalten und weiter ihre Lehrveranstaltungen besucht haben. Noch bevor dieser Konflikt geklärt werden kann, wird Professor Cudlipp – der Organisator dieser Abspaltungsbestrebungen – auf Kates Verlobungsparty ermordet.
Ich muss gestehen, dass ich eine Schwäche für „akademische“ Krimis habe, und die Zeit, in der die Autorin ihre Geschichte spielen lässt, sehr spannend finde. Auf der anderen Seite sind die Gespräche zwischen Kate und all den anderen Akademikern dank der vielen Anspielungen, Zitate und Abschweifungen häufig nicht gerade flüssig zu lesen. Vor allem ist Kate Fransler eine Anhängerin des Schriftstellers W. H. Auden, was zu einem sehr häufigen Zitieren und Verweisen auf seine Werke führt und stellenweise so gehäuft vorkommt, dass ich den Namen Auden irgendwann kaum noch sehen konnte. Da Carolyn Heilbrun selbst Professorin für englische Literaturwissenschaft war, habe ich mich zwischendurch gefragt, ob sie und ihre Kollegen sich Ende der 60er Jahre wirklich so unterhalten haben oder ob die Autorin die „unterhaltsame“ Überspitzung dieses intellektuellen Austauschs doch etwas übertrieben hat.
Auch gibt es stellenweise Bemerkungen, die ich heutzutage bei einem Autor deutlich kritisieren würde, weil ich sie als sexistisch oder abwertend empfinde, während sie hier amüsant sein sollen. Aber da ich hier das Gefühl habe, dass ich bei diesen Punkten auch die Zeit, in der der Roman geschrieben wurde, und den Stand der damaligen feministischen Debatte oder bei der Auseinandersetzungen mit anderen Kulturen in Betracht ziehen muss, kann ich diese Aussagen nicht so verdammen, wie ich es sonst tun würde. Vor allem, da im restlichen Text deutlich wird, dass Amanda Cross bei diesen Passagen eigentlich den traditionellen Universitätsbetrieb mit all seinem elitären Gehabe an den Pranger stellen und darauf aufmerksam machen will, dass auch solche Institutionen – bei aller Sentimentalität über den Reiz eines solchen geschützten Elfenbeinturms – dringend moderner, offener und gleichberechtiger werden müssen.
Trotz all dieser Kritik an den Dialogen, der Masse an Zitaten und einigen Ausdrücken muss ich zugeben, dass ich mich beim Lesen gut unterhalten gefühlt habe. Ich mochte die verschiedenen Figuren – gerade weil so viele von ihnen so sehr von ihrem Spezialgebiet besessen sind, dass sie es in fast jedes Gespräch einfließen lassen. Mir gefiel die Selbstironie, mit der viele der Professoren über sich und ihr Fach redeten. Außerdem mochte ich das Verhältnis zwischen den verschiedene Personen inklusive der Offenheit, mit der auch schon mal zugegeben wurde, dass man sein Gegenüber nicht leiden kann. Dazu kommen noch unterhaltsame Elemente wie die subversiven Fahrstühle und ein ungewöhnlicher Fall, bei dem der Leser schon früh die verschiedenen Beteiligten und ihre Standpunkte kennenlernt. Dabei bleibt das Motiv lange Zeit ebenso undurchsichtig wie der Zeitpunkt, an dem die „Mordwaffe“ in den Besitz des Toten gekommen sein könnte, und man darf von diesem Roman am Ende keine klassische Auflösung des Falls erwarten. Nach diesem erneuten Lesen läuft mein Fazit darauf hinaus, dass Amanda Cross zwar nicht gerade zu meine Lieblings-Krimiautorinnen gehört, aber ihre Romane bleiben trotzdem noch eine Weile in meinem Regal, weil sie in meiner „Sammlung“ zu den einzigen ihrer Art gehören und ein interessantes Zeugnis ihrer Zeit darstellen.