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Angela Slatter: All the Murmuring Bones

„All the Murmuring Bones“ von Angela Slatter habe ich am Lese-Sonntag im August angefangen und dann in den folgenden Tagen relativ schnell beendet. Die Geschichte wird aus der Perspektive der siebzehnjährigen Miren O’Malley erzählt, die gemeinsam mit ihren Großeltern und zwei Dienstboten in dem verfallen(d)en Herrensitz Hob’s Hallow an einer unwirtlichen Küste aufwächst. Miren ist sich von klein auf bewusst, dass ihre Familie ein düsteres Geheimnis hütet. Trotzdem kann sie nicht so recht daran glauben, dass ihre Vorfahren wirklich einen Handel mit den Meermenschen abgeschlossen haben, damit diese den O’Malleys zu Ruhm und Reichtum verhelfen. Doch nach dem Tod ihres Großvaters Ósín wird immer deutlicher, dass Miren für ihre Großmutter Aoife nicht mehr ist als ein Pfand, das diese einsetzen kann, um die Familie zu früherem Einfluss und Wohlstand zurückzubringen. Miren hingegen hat vollkommen andere Vorstellungen davon, wie ihre Zukunft ausschauen soll, und ist dadurch gezwungen, Mittel und Wege zu finden, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Ich liebe die Art und Weise, in der Angela Slatter die Handlung in „All the Murmuring Bones“ erzählt, und war entzückt davon, dass der Roman deutlich mehr fantastische Elemente enthielt, als ich ursprünglich erwartet hatte. Auf der einen Seite verwendet die Autorin eine sehr klare Sprache, auf der anderen Seite ziehen sich sehr ungewöhnliche und häufig düstere Bilder durch die Geschichte. Dabei spielen immer wieder die „Märchen“, die Miren als kleines Mädchen von ihrer Großmutter vorgelesen bekommen hat, eine wichtige Rolle, wobei schnell deutlich wird, dass diese unheimlichen Märchen weniger erfunden sind, als Miren glaubt. Ich mochte es sehr, dass es für die junge Frau eigentlich selbstverständlich ist, dass die Personen in ihrer Umgebung manipulativ und egozentrisch sind, und dass sie ihre Verwandtschaft zwar nicht mochte, aber doch einige von ihnen geliebt hat. Es gibt ein paar „überraschende“ Wendungen in der Handlung, die leider nicht ganz so unvorhersehbar waren, aber das hat mich bei der insgesamt sehr atmosphärischen Erzählweise überhaupt nicht gestört.

Da ich vor allem die Passagen rund um das Meer so schön fand, hat es mich aber ziemlich überrascht (und etwas enttäuscht), dass Miren nach dem ersten Drittel der Handlung ihr Zuhause verlässt. Genau gesagt ist die Handlung in drei Teile aufgeteilt, der erste spielt in Hob’s Hallow, der zweite begleitet Miren auf einer Reise, die ihr Informationen über ihre Eltern und eine Zukunft fern von dem Fluch der O’Malleys bringen soll. Und der dritte Teil bringt die Geschichte – wenn auch nicht ohne einige weitere Wendungen und dramatische Ereignisse – zu einem glücklichen Ende für die Protagonistin und spielt in einer kleinen ländlichen Ansiedlung fern der Küste. Ich muss zugeben, dass dieser dritte Abschnitt für mich die schwächste Passage der Handlung war, kann aber nicht sagen, ob das daran liegt, dass ich diesen Schauplatz so nicht erwartet hatte, oder ob sich dieser Teil der Geschichte wirklich so sehr vom Rest unterscheidet, wie es sich für mich angefühlt hat. Doch auch wenn ich diese letzten Kapitel nicht ganz so gelungen fand wie die ersten beiden Drittel des Romans, gibt es doch immer noch sehr viele atmosphärische Momente, in denen verschiedene fantastische Elemente aus den keltischen und slawischen Mythologien verwendet wurden.

Mirens Welt ist voller Gefahren, voller Geister und Ungeheuer – und nicht alle diese Monster sind übernatürliche Wesen. Aber die Protagonistin findet auch immer wieder Personen, die ihr zur Seite stehen, selbst wenn das bedeutet, dass diese sich selbst in Gefahr bringen. Ich mochte dieses ständige Gefühl von Bedrohung beim Lesen und habe es genossen mitzuerleben, wie Miren immer wieder Lösungen für die verschiedenen Herausforderungen gefunden hat. Überhaupt hat es mir Freude bereitet, diesen Charakter zu begleiten, weil Miren sich nicht selbst belügt, wenn es um ihre eigenen Motive geht, weil sie immer wieder Schwächen zugibt und weil sie trotzdem immer weitermacht. Sie ist nicht immer nett und sie handelt an manchen Stellen ziemlich skrupellos, aber es hat sich beim Lesen stimmig angefühlt, dass eine Person, die so aufgewachsen ist wie Miren, sich eben genau so verhalten würde. Ebenso rund fand ich Mirens Entwicklung im Laufe des Romans, und so kann ich sagen, dass mir „All the Murmuring Bones“ mit all seinen düsteren Elementen und skrupellosen Charakteren insgesamt sehr viel Spaß gemacht. Ich bin wirklich neugierig, was Angela Slatter sonst noch so für Geschichten geschrieben hat, und werde definitiv noch weitere Titel der Autorin lesen!

Angela Slatter: Vigil (Verity Fassbinder 1)

Um die Verity-Fassbinder-Trilogie von Angela Slatter bin ich schon länger herumgeschlichen, und nachdem ich vor kurzem große Lust auf Urban Fantasy hatte, habe ich zu „Vigil“ gegriffen. Die Geschichte wird aus der Perspektive von Verity Fassbinder erzählt, einer Frau, die zur Hälfte „Normal“ und zur Hälfte „Weyrd“ ist – genau genommen war ihr Vater Grigor ein sogenannter „Kinderfresser“, und auch wenn sie keine seiner Verwandlungsfähigkeiten geerbt hat, so ist Verity doch ganz besonders stark. Außerdem hat sie das Gefühl, sie müsse die Verbrechen ihres Vaters wieder gutmachen, da dieser nicht nur (normale) Kinder tötete, sondern sich auch noch dabei erwischen ließ und somit die Existenz der Weyrd in Gefahr brachte. So arbeitet Verity als eine Art private Ermittlerin für die Weyrd, wobei ihr Hauptauftraggeber der Rat ist, der dafür sorgt, dass all die verschiedenen übernatürlichen Wesen sich zumindest an ein paar Grundregeln halten.

Ich muss zugeben, dass ich – obwohl mir „Vigil“ grundsätzlich sehr gut gefallen hat – ein paar Probleme mit dem Roman hatte. Zum einen jongliert Verity von Anfang an mit einem ganzen Haufen Fälle. Sie muss ermitteln, wer illegalen Wein anbietet, der aus den Tränen von (dabei getöteten) Kindern hergestellt wurde, sie muss einen (oder mehrere) Mörder finden, der Sirenen vernichtet, sie bekommt den Auftrag, einen verschwundenen jungen Mann zu suchen, und dann gibt es da noch eine unheimliche Wesenheit, der mehrere Personen in den Straßen von Brisbane zum Opfer fallen. All diese vielen verschiedenen Fälle laufen parallel, und dazu gibt es noch so einige Altlasten, mit denen Verity fertigwerden muss, wie zum Beispiel eine Verletzung, die sie sich bei ihrem letzten Auftrag zugezogen hat. Das alles ist ganz schön viel auf einmal, vor allem, da nebenbei noch von der Autorin die Urban-Fantasy-Welt vorgestellt wird, in der Verity lebt, sowie Veritys eigene Vergangenheit und welchen Einfluss ihr Vater (und seine Verbrechen) auf ihr heutiges Leben haben.

Trotz dieser Masse an Handlungselementen und vieler wirklich eindrucksvoll und atmosphärisch geschriebener Passagen hatte ich aber immer wieder das Gefühl, dass die Spannung nachlassen und sich die Geschichte stellenweise sogar etwas dahinschleppen würde. Erst nach Beenden des Romans fiel mir auf, dass es sich angefühlt hat, als ob die Autorin an einige Handlungsstränge herangegangen wäre, als ob es sich dabei um Kurzgeschichten handeln würde. Dazu sollte ich vielleicht erwähnen, dass Angela Slatter ihre Karriere mit ziemlich erfolgreichen Kurzgeschichten begonnen hat und „Vigil“ der erste Roman ist, den sie allein geschrieben hat. Diese „Kurzgeschichten“ innerhalb des Romans fand ich sehr überzeugend erzählt, und sie waren voller Elemente, die ich nachts mit in meine Träume genommen habe, aber zwischen diesen wirklich coolen Passagen gab es eben auch immer wieder Übergänge, die mich nicht so überzeugen konnten und die ein bisschen „zusammengebastelt“ wirkten. Vor allem in der ersten Hälfte des Romans fand ich das wirklich auffällig, während ich das letzte Drittel – vielleicht auch weil sich dort die diversen Handlungsstränge endlich zusammenfügten – deutlich besser lesbar fand.

Von diesen etwas zähen Übergängen abgesehen hatte ich aber viel Spaß mit „Vigil“. Angela Slatters Urban-Fantasy-Geschichte spielt nicht nur in einer (für mich) ungewöhnlichen Stadt, was dazu führte, dass ich all die Details rund um Brisbane sehr genossen habe, sondern die Autorin verwendet auch wirklich viele fantastische Wesen auf eine erfrischend andere Art und Weise. Ich mochte die drei Nornen (und ihr Café), ich fand die Details rund um die Sirenen spannend zu lesen, und ich habe große Lust, noch mehr Zeit in Veritys fantastischer Variante von Brisbane zu verbringen. Angela Slatter hat sich für ihre übernatürlichen Wesen eindeutig von den düstereren Seiten der diversen Märchen und Mythologien inspirieren lassen und schafft es trotzdem (oder gerade deshalb?) hervorragend, all diese Figuren in unsere moderne Welt zu transportieren und dort ihre ganz eigenen Nischen finden zu lassen. Dazu kommt, dass Verity die Art von Kick-Ass-Heldin ist, von der ich gerne lesen, und dass der „romantische Anteil“ der Geschichte so gar nicht „sexy“ oder romantisch ist, sondern daraus besteht, dass die Protagonistin einen wirklich netten Mann kennenlernt, mit dem sie sich stundenlang unterhalten kann. Dass es in dieser sich anbahnenden Beziehung – trotz all der Probleme, die Veritys Leben mit sich bringt – so gar kein Drama gibt, fand ich wunderbar erholsam und wirklich schön zu lesen. Insgesamt fühlte ich mich mit diesem Auftaktband der Reihe gut genug unterhalten, dass ich mir direkt im Anschluss die Fortsetzung „Corpselight“ besorgt habe (weshalb ich sagen kann, dass sich dieser Teil dann auch von Anfang an flüssiger lesen lässt).