Ich habe anlässlich der Themen-Challengen immer wieder über den Punkt „Das Böse oder Pakt mit dem Bösen/Teufel“ nachgedacht – vor allem, weil ich keinen zu diesem Thema auf der Hand liegenden klassischen Roman lesen wollte. Und dann habe ich mir heute endlich „Wo die verlorenen Seelen wohnen“ für den Blog vorgenommen und hätte beim Schreiben über den Roman am Liebsten mit dem Kopf auf die Tischplatte gehauen, weil ich in den letzten Wochen nicht bemerkt habe, dass dieses Buch perfekt für die Challenge passt.
Mit „Wo die verlorenen Seelen wohnen“ hat Dermot Bolger einen gruseligen und wirklich spannenden Jugendroman geschrieben, der mir sehr gut gefallen hat. Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt, unter anderem von Thomas, der 1932 als Junge Angst davor hat, dass die Jazz-Musik ihn in die Hölle bringen könnte, von Joey, der 2009 die Schule wechselt, weil er in seiner alten Klasse gemobbt wurde, und von Shane, der 2007 seine Seele für ein anderes Leben geben würde.
Die drei Jungen verbindet, dass sie alle drei nicht glücklich in ihrem Leben sind. Und während Thomas‘ Part die Vorgeschichte zu den Ereignissen im Jahr 2009 bildet, dreht sich die Hauptgeschichte doch vor allem um Shane und Joey. Als Joey die Schule wechselt, ist er scheußlich nervös und hat Angst, dass es in der neuen Klasse genauso schieflaufen wird wie mit seinen früheren Mitschülern. Doch stattdessen findet der schüchterne Junge in dem selbstbewussten und coolen Shane schnell einen Freund.
Einzig seine Mitschülerin Geraldine, die vor zwei Jahren mit Shane gut befreundet war, warnt Joey, dass der Junge nicht normal sei und dass er ihm nicht zu sehr vertrauen solle. Doch so sehr Joey Geraldine mag und davon träumt, dass sie sich mal mit ihm verabreden würde, so wenig kann er ihr glauben, dass Shane einen bösen Kern haben soll. Erst im Laufe der Zeit fallen Joey immer mal wieder kleine Ungereimtheiten in Shanes Geschichte auf. und auch sein Umgang mit einer Gruppe von „verlorenen“ Jungen verwundert ihn. Von Shane lässt er sich immer wieder zu Dingen aufstacheln, die er sonst niemals tun würde und die im Nachhinein ein ungutes Gefühl bei Joey hinterlassen.
Dem Leser wird einige Zeit vor Joey klar, welche Hintergründe hinter Shanes Verhalten stecken, obwohl erst einmal offen bleibt, ob Shanes Persönlichkeitsveränderung darauf zurückzuführen sind, dass der Junge auf die schiefe Bahn geraten ist, oder ob wirklich etwas Altes und Böses dahintersteckt. Und trotz der verschiedenen Verbrechen und Unglücke gelingt es Dermot Bolger, dem Leser immer wieder bewusst zu machen, dass keine der handelnden Personen abgrundtief schlecht ist, selbst wenn sie anscheinend einen Pakt mit dem Bösen eingegangen ist.
Dieses Spiel mit den Perspektiven und die damit verbundenen Zeitsprünge lassen die Geschichte zu einem spannenden Puzzle werden, bei dem die einen Personen sicher sind, dass all die Vorkommnisse nur fantastische Ausgeburten eines psychisch Kranken sind, während die anderen von der Existenz des Bösen überzeugt sind. Unabhängig davon, was genau die Ursache für die Ereignisse ist (es ist ganz schön schwierig, diese Rezension zu schreiben, ohne zu spoilern), fand ich die Geschichte wirklich mitreißend.
Die ganz Zeit über hatte ich eine deutliche Ahnung, worauf es am Ende hinauslaufen würde, und jedes Mal, wenn sich meine Befürchtungen bewahrheitet hatten, bangte ich mehr um Joey und die anderen. Dabei liegt die Stärke von Dermot Bolger vor allem in der Aufrechterhaltung eines leisen Gruselgefühls, was deutlich atmosphärischer ist, als wenn er radikale Actionszenen verwendet hätte. Auf jeden Fall werde ich die Augen nach weiteren Büchern des Autors aufhalten, weil mir diese Geschichte nicht nur gut gefallen hat, sondern sie auch nach dem Lesen noch eine Weile in mir nachgeklungen hat.