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Elizabeth Hoyt: Die Schöne mit der Maske

Es dürfte nicht mehr so überraschend sein, dass ich auch bei diesem Buch sagen kann, dass Irina Schuld ist – vor allem, da der Band eine Leihgabe von ihr ist. 😉 Ich hatte die Bücher einfach unsortiert ins Regal gelegt und nur geguckt, dass ich keine Reihen dabei habe und nun freue ich mich wirklich, dass „Die Schöne mit der Maske“ der letzte deutschsprachige Liebesroman ist, den ich von dem Stapel gefischt habe. Denn auch wenn mir die Bücher fast alle gut gefallen haben, so gibt es welche, die ich deutlich besser fand als andere und dieser Titel gehört eindeutig dazu!

Die weibliche Hauptfigur ist Anna Wren, eine eher unscheinbare ehrhafte Witwe, die vor sechs Jahren ihren Mann verlor und zusammen mit ihrer Schwiegermutter und einen Dienstmädchen in einem kleinen Cottage in dem Örtchen Little Battleford lebt. Da das Erbe von Annas Mannes nicht gerade viel abwirft, müssen die drei sehr sparsam haushalten und Anna und ihre Schwiegermutter versuchen mehr oder weniger verzweifelt eine Möglichkeit zu finden, damit sie noch etwas Geld dazuverdienen können. Zwar ist Anna überraschend gebildet für eine Frau ihrer Zeit (die Geschichte spielt im März 1760), was sie ihrem Vater zu verdanken hat, aber weder als Gouvernante noch als Gesellschafterin findet sie eine Anstellung.

So ist sie überaus erfreut, als sie erfährt, dass dem Earl of Swartingham gerade der Sekretär weggelaufen ist und sein Verwalter ganz dringend einen Ersatz sucht – mit möglichst viel Rückgrat, damit er nicht alle paar Wochen die Stelle neu besetzen muss. Denn der Earl (Edward), der zum ersten Mal seit seiner Teenagerzeit wieder auf seinem Stammsitz verweilt, ist ein etwas aufbrausender Mann, der seinem Sekretär auch gern mal eine Porzellanfigur an den Kopf wirft, wenn dieser etwas falsch gemacht hat.

Um es kurz zu machen, Anna und der Earl verstehen sich erstaunlich gut. Er ist beeindruckt von ihrer guten Arbeit und der Tatsache, dass sie ihm auch mal widerspricht, wenn sie anderer Ansicht ist als er. Anna hingegen kann über das aufbrausende Temperament ihres Arbeitgebers hinwegsehen und findet es sehr anziehend, dass er keine Hemmungen hat zusammen mit seinen Pächtern zu arbeiten und dass er es nicht übers Herz bringt einen hässlichen (und manchmal etwas lästigen) Hund zu verscheuchen, der ihm – seitdem Edward ihn mal gerettet hat – ständig zur Seite steht.

Doch obwohl sich beide zueinander hingezogen fühlen, ist ihnen klar, dass eine Heirat nicht in Frage kommt. Erst einmal ist Edward von deutlich höherem Rang als Anna, die doch nur die Tochter eines Landpfarrers ist, und dann benötigt der Earl (als letzter Nachkomme seiner Familie) dringend einen Sohn – und Anna hat es in den vier Jahren ihrer Ehe nicht geschafft auch nur einmal schwanger zu werden. So gibt keiner von ihnen dieser Zuneigung nach oder spricht darüber, obwohl sich vor allem Anna sicher ist, dass Edward etwas für sie empfindet. Als er also nach London reist und sie davon ausgehen kann, dass er bei dieser Reise auch „Aphrodites Grotto“ – ein Edelbordell – aufsuchen wird, beschließt Anna, dass sie ihn maskiert dort erwarten wird, um wenigstens eine leidenschaftliche Nacht mit ihm verbringen zu können.

Ich muss zugeben, dass ich normalerweise eine solche Geschichte als schrecklich konstruiert aburteilen würde, aber es gelingt Elizabeth Hoyt die verschiedenen Hürden gut zu nehmen. So ist Anna als Witwe kein unerfahrenes Mädchen und nach einigen Jahren des selbständigen Lebens (und einer Enttäuschung durch ihren verstorbenen Mann) hat sie den Mut endlich einmal etwas zu tun, was zwar nicht dem guten Ton entspricht, aber dafür ihren eigenen Bedürfnissen. Dabei erfährt sie von dem Bordell über eine Rechnung, die sie in Edwards Schreibtischschublade findet (das finde ich mal schön ausgedacht) und auch sonst hat die Autorin die Handlungen und Hintergründe stimmig aufgebaut. Natürlich gibt es den einen oder anderen Zufall in der Geschichte, aber nichts davon wirkt zu bemüht oder zu sehr an den Haaren herbeigezogen.

Auch die Charaktere haben mir gut gefallen. Anna ist eine Dame, verhält sich auch in der Regel wie eine und die Dinge, über die sie sich in der Gesellschaft so aufregt, könnten direkt aus einem von Jane Austens Briefe gemopst worden sein. Auch wenn sich Jane Austen wohl nie so direkt ausgedrückt hätte. 😉 Trotzdem ist ihre kleine Rebellion mit ihrer Person mehr als vereinbar und auch das Risiko, das sie dabei eingeht, wurde von ihr von allen Seiten beleuchtet und als recht gering eingeschätzt.

Edward hingegen könnte theoretisch wunschlos glücklich sein: Reich, unabhängig und mit einem faszinierenden Interessengebiet, in dem seine Meinung geschätzt wird. Wäre da nicht der Umstand, dass er als Junge seine gesamte Familie an die Pocken verloren hätte, die ihn selber für den Rest seines Lebens vernarbt zurückgelassen haben. Beides hat seine Spuren hinterlassen und so lassen sich auch die Handlungen erklären, die mich manchmal etwas ungeduldig mit ihm gemacht haben.

Außerdem ist es für mich unabdingbar, dass so eine Liebesgeschichte humorvoll geschrieben wird. Denn wenn sich solche Geschichten zu ernst nehmen, dann ist das Lesen nur selten ein Genuss für mich. Aber auch das passte in „Die Schöne mit der Maske“ ganz wunderbar! Situationskomik, die nie übertrieben wurde, amüsante Dialoge, ohne dass man das Gefühl hat, dass da jemand unbedingt witzig sei will, und Charaktere voller realistischer Eigenheiten, die einen immer wieder zum Schmunzeln bringen. So zum Beispiel das eher unfähige Dienstmädchen Fanny, das regelmäßig das Essen anbrennen lässt, weil es abgelenkt wurde.

Ergänzt wurde die Geschichte noch mit einem kleinen Märchen, das stückchenweise zu Anfang eines jeden Kapitels zu lesen ist. „Der Rabenprinz“ ist eine niedliche Geschichte, die eine direkte Verbindung zu der Handlung hat, da das Märchenbuch von Anna in Edwards Bibliothek gefunden wurde, und deren indirekte Verbindung ganz leicht durch die Liebesgeschichte zwischen der Prinzessin und dem verfluchten Rabenprinzen gezogen werden kann. Sehr niedlich gemacht! 🙂