Über die Autorin Gail Carson Levine bin ich schon früher gestolpert, aber bislang haben mich ihre Geschichten nicht gereizt, obwohl märchenhafte Fantasy ja eigentlich genau mein Ding ist. Bei „A Tale of Two Castles“ hat mich dann der Hinweis auf ein zu lösendes Geheimnis rund um einen gestaltwandelnden Oger dazu gebracht, dem Roman eine Chance zu geben. Die Geschichte beginnt damit, dass sich die zwölfjährige Elodie auf den Weg in die Stadt „Two Castles“ macht, weil sie hofft, dass sie dort eine Lehrstelle finden wird. Dabei muss man wissen, dass das „Ausbildungssystem“ in diesem Land ganz traditionell darauf basiert, dass die Lehrlinge ihre Meister für ihre Ausbildung bezahlen. Je mehr Geld jemand zahlen kann, desto kürzer die Ausbildungszeit, je weniger Geld, desto länger. Elodie hat keinerlei Geld, das sie in eine Ausbildung investieren könnte, und hofft, dass sie jemanden findet, der sie ohne Gebühr für zehn Jahre in seinen Dienst nimmt. Genau genommen hofft sie, dass sie eine Stelle als Schauspieler-Lehrling findet, denn davon träumt sie, seitdem ein ehemaliger Schauspieler auf der Farm ihrer Eltern gelandet ist und ihr von seinem früheren Leben erzählt hat.
Doch da ihr Schiff aufgrund einer Flaute aufgehalten wird, kommt Elodie zu spät für die Ausbildungsmesse in Two Castles an und muss froh sein, dass sie kurz darauf einen Platz als Assistentin von Meenore findet. Meenore ist als Drache (Drachen werden mit dem Pronomen IT bzw. ES bzeichnet) berühmt für Geiz und launisches Temperament, doch Elodie findet sich relativ schnell in ihrem neuen Arbeitsumfeld zurecht. Während Meenore den Lebensunterhalt in der Regel mit dem Verkauf von durch die Drachenflamme erhitzten Brot-und-Käse-Leckereien verdient, interessiert ES sich eigentlich vor allem für das Lösen von Rätseln und Verbrechen. So wird Elodie schnell von Meenore in das Rätsel rund um den Oger Count Jonty Um verwickelt, der eigentlich nur auf der Suche nach seinem Lieblingshund ist, während ES vermutet, dass das Leben des Counts in Gefahr ist. Denn der sanftmütige Oger wird vom Stadtvolk wegen der schrecklichen Taten seiner Eltern gefürchtet, und die Tatsache, dass der König seine Tochter mit Count Jonty Um verlobt hat, sorgt dafür, dass die Bevölkerung davon ausgehen muss, dass der Oger in Zukunft auf dem Thron sitzen wird.
Ich muss gestehen, dass ich mit „A Tale of Two Castles“ nicht so ganz glücklich war. Der Roman war nett zu lesen, hat mich aber nicht wirklich gepackt – was man schon allein daran sehen konnte, dass ich für so eine eigentlich locker zu lesende Geschichte über eine Woche Lesezeit gebraucht habe. Es gab so viele unstimmige und unausgewogene Elemente in dem Buch, dass ich mich stellenweise wirklich geärgert habe – gerade weil eigentlich viele dieser Elemente zu den Dingen gehören, die ich an fantastischen Geschichten für Kinder so sehr mag. Auf der einen Seite gab es zum Beispiel sehr viele „häusliche Szenen“ mit Meenore und Elodie, die heimelig, alltäglich und eigentlich schön zu lesen waren, die aber auf der anderen Seite so gar nicht zum „Krimianteil“ der Handlung passten. Gerade in der zweiten Hälfte des Romans, als das Leben des Counts wirklich in Gefahr schwebte, hätte ich einen deutlichen Anzug des Erzähltempos erwartet anstelle weiterer Beschreibungen von Essen und Möbeln.
Ein weiteres Problem war für mich, dass Gail Carson Levine zwar versucht, ein realistisches Bild vom Leben eines armen Mädchens wie Elodie zu zeichnen (so hungert Elodie während der letzten zwei Tage ihrer Schiffsreise und ist bei ihrem Vorsprechen bei den Schauspielern so hungrig, dass sie an nichts anderes denken kann als an den Apfel, der auf dem Tisch liegt). Aber auf der anderen Seite schweben selbst die Personen und Tiere, die im Laufe der Handlung vergiftet oder verletzt werden, nie spürbar in Lebensgefahr. Eine Geschichte, in der niemandem etwas Schlimmes passiert, obwohl die gesamte Stadt der Willkür des Königs ausgesetzt ist, ein Giftmischer sein Unwesen treibt und Spione eines feindlichen Königreiches unterwegs sind, ist für mich als Leser einfach nicht glaubwürdig – selbst wenn die angestrebte Zielgruppe sehr jung sein sollte.
So kam es auch, dass ich die ganze Zeit beim Lesen das Gefühl hatte, die Autorin wüsste selbst nicht so genau, für welches Alter ihre Geschichte sein sollte. Es gab so viele alberne und durchschaubare Elemente, die ich eher bei einer Veröffentlichung für Leseanfänger erwartet hätte, aber eben auch einige Dinge, die eher für Teenager geeignet gewesen wären, weil sie Wissen voraussetzen, über das ein Leseanfänger in der Regel noch nicht verfügt. Alles in allem war ich – obwohl ich zum Beispiel Meenore als Figur sehr mochte – regelmäßig ziemlich irritiert beim Lesen von „A Tale of Two Castles“. Ich weiß nicht, ob diese Probleme auch in anderen Veröffentlichungen von Gail Carson Levine auftauchen oder ob ich einfach nur ein nicht so gutes Buch von ihr in die Finger bekommen habe. Auf jeden Fall werde ich nach diesem ziemlich unbefriedigenden Leseerlebnis wohl so schnell keine weiteren Geschichten von Gail Carson Levine lesen.