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Guy Delisle: Aufzeichnungen aus Birma

„Aufzeichnungen aus Birma“ ist der dritte Comic von Guy Delisle, in dem der Zeichner seine Erlebnisse im Ausland beschreibt. Dabei ist er dieses Mal nicht aus beruflichen Gründen unterwegs (wie in „Pjöngjang“ und „Shenzhen“), sondern als Begleiter seiner Frau, die für „Ärzte ohne Grenzen“ arbeitet. Vor allem soll Guy in den Monaten, in denen seine Frau sich um die ärztliche Betreuung der Einheimischen kümmert, das Babysitting des noch sehr jungen Sohn des Ehepaares übernehmen.

So erlebt der Leser Birma mit den Augen eines „Hausmanns“, dessen Alltag vom Kinderhüten, Einkaufen und dem Zeichnen am kleinen Schreibtisch im Schlafzimmer geprägt ist. Für mich fühlte sich dieser Comic weniger politisch an als die beiden Vorgänger, auch wenn man nicht übersehen kann, dass in Birma eine Militärdiktatur an der Macht ist. Ach ja, wenn ich die Daten in dem Comic richtig erfasst habe, dann war der Zeichner im Jahr 2006 (oder 2007) in diesem Land. Das musste ich mir anhand seiner Angaben über Aung San Suu Kyi (über die ich lustigerweise gerade gestern erst eine Nachricht im Fernsehen gesehen habe) zusammenreimen, genaue Aussagen gibt es von ihm dazu nicht.

Guy Delisle beschreibt in seinen „Aufzeichnungen aus Birma“ sehr humorvoll die verschiedenen Auswirkungen des Regimes, wie er sie erlebt hat. Während man so einiges über den Alltag als Ausländer in Birma, Einkaufs- und Wohnsituationen und die Einheimischen, die der Zeichner in dem Jahr dort kennengelernt hat, erfährt, bemerkt man die Auswirkungen des Militärregimes vor allem bei der Arbeit der Ärzte. So endet der Comic auch damit, dass die französische Organisation, für die Guy Delisles Frau arbeitet, sich aus dem Land zurückzieht, weil sie dort nicht den Menschen helfen kann, die auf sie angewiesen wären.

Ansonsten gibt es viele kleine Episoden über die Dinge, die Guy Delisle so erlebt hat – wobei mehr oder weniger nebenbei auch ein Bombenattentat und ein Mord erwähnt werden. Aber bei aller Ernsthaftigkeit, wenn zum Beispiel über die Zeitungspolitik oder Zensur geredet wird, bleibt bei mir ein seltsam leichtes Gefühl nach dem Lesen zurück. Das ist ein bisschen wie nach der Lektüre eines „Dr. Siri“-Romans, wo man zwar trotz der amüsanten Präsentation einen Eindruck vom Leben innerhalb eines solchen Regimes bekommt, aber trotzdem das Gefühl hat, die Menschen versuchen innerhalb ihrer Grenzen das Beste aus der Situation zu machen. Vielleicht liegt es an dem (Galgen-)Humor des Zeichners (oder an der Nähe zwischen Birma und Laos, wo die „Dr. Siri“-Bücher spielen), aber bei all den beängstigenden und nachdenklich machenden Szenen überwiegt für mich am Ende bei diesem Comic das Gefühl, dass hier viele lustige und skurrile Situationen dargestellt wurden, die mich gut unterhalten haben.

Wer von euch Lust hat, sich mit Guy Delisle und seinen Erlebnissen im Ausland zu beschäftigen, dem empfehle ich die Comics in der Reihenfolge, in der sie entstanden sind, zu lesen. Also fangt in China mit „Shenzhen“ an, wandert dann mit dem Zeichner nach „Pjöngjang“ in Nordkorea und beendet die Reise mit den persönlicheren Episoden, die man in den „Aufzeichnungen aus Birma“ finden kann. Die Qualität der Zeichnungen und Geschichten steigert sich in meinen Augen von Band zu Band und so bietet jeder Teil neue und amüsante Eindrücke in ein fremdes Land.

Guy Delisle: Shenzhen

Von Guy Delisle hatte ich schon im letzten November den Band „Pjöngjang“ angeschaut und ich fand es sehr spannend von den Erlebnissen des Autors während seiner Zeit in Nordkorea zu lesen. So landeten auch der vorhergehende Band „Shenzhen“ und die folgenden „Aufzeichnungen aus Birma“ auf meinem Wunschzettel. Und obwohl „Shenzhen“ schon zu Weihnachten bei mir einzog, habe ich jetzt erst Zeit dafür gefunden, und leider hat es meine Erwartungen nicht ganz erfüllt. Ich hatte gehofft, dass dieser Comic über die Erlebnisse des Zeichners bei einer Trickfilm-Produktion in China genauso spannend, interessant und lustig zu lesen sein würde wie seine Erfahrungen in Nordkorea.

Aber erst einmal hatte Guy Delisle in „Shenzhen“ deutlich weniger Möglichkeiten zu seltsamen – politisch bedingten – Erlebnissen gehabt und dann habe ich das Gefühl, dass man diesem Band anmerkt, dass es die erste Veröffentlichung des Autors in dieser Art ist. Auch in China war Guy Delisle dafür zuständig, dass die chinesischen Studios sich an die Vorgaben des europäischen (französischen) Studios für eine Zeichentrickproduktion (Papyrus – vielleicht sagt dem einen oder anderen das ja was) halten. Herausforderung dabei ist auf der einen Seite die Sprachbarriere – die Übersetzerin hat anscheinend auch nicht so viel Ahnung von den Fachbegriffen beim Zeichnen – und auf der anderen Seite die Arbeitsmoral der Angestellten (Schlafen am Arbeitsplatz ist recht weit verbreitet).

Neben der Arbeit verbringt der Autor einen Großteil seines dreimonatigen Aufenthalts in seinem Hotelzimmer, so dass natürlich so einige seltsame Hotelerlebnisse zu berichten sind, ansonsten erzählt er von seinen Erfahrungen bei Restaurantbesuchen, Einladungen bei chinesischen Zeichnern und Ausflügen in andere Städte und zu ein paar Sehenswürdigkeiten. Obwohl es zu so einigen Seltsamkeiten kommt und man einen eigenwilligen und sehr persönlichen Blick auf das Leben in China werfen kann, hat mir in diesem Band der leicht bissige Humor gefehlt, der „Pjöngjang“ ausgezeichnet hat.

Ich gebe zu, dass das Leben in einem Hotel in der nordkoreanischen Hauptstadt vermutlich mehr Berichtenswertes mit sich bringt als das Leben in einem Hotel in einer chinesischen Stadt, die anscheinend nicht gerade zu den interessantesten Orten in China gehört. Und hätte ich „Shenzhen“ vor „Pjöngjang“ gelesen, dann wäre ich wohl sehr zufrieden mit dem Humor, dem leisen kritischen Unterton und den skurrilen Erlebnissen des Zeichners in China gewesen – so allerdings hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte etwas sehr vor sich hindümpelt und dass der Autor mehr daraus hätte machen können, wenn er mit offeneren Augen durch das Land gegangen wäre. Nun bin ich sehr gespannt, was mir die „Aufzeichnungen aus Birma“ für Leseerlebnisse bringen werden. Aber da das der dritte Band um die Reiseerlebnisse von Guy Delisle ist, hoffe ich darauf, dass er mindestens so unterhaltsam sein wird wie „Pjöngjang“.

Achja, noch ein kurzer Satz zum Zeichenstil: Nach „Pjöngjang“ wusste ich ja schon, was mich bei Guy Delisle erwartet – das Cover gibt einen guten Eindruck von seinem Zeichenstil. Allerdings wirken die Zeichnungen in „Shenzhen“ weniger klar als in „Pjöngjang“, der Autor setzt weichere Linien und schraffiert mehr, was die Seiten eher ausgewaschen wirken lassen. So sind seine Charaktere und Darstellungen ebenso wie die einzelnen Episoden „weniger auf den Punkt“ gebracht als in dem ersten Comic. Trotzdem kann ich die Bände von Guy Delisle jedem empfehlen, der einen unterhaltsamen Einblick von China (oder Nordkorea) bekommen und sich über den Alltag eines Zeichners im Ausland amüsieren will. Aber fangt mit „Shenzhen“ an und lest dann erst „Pjöngjang“. 😉

Guy Delisle: Pjöngjang (Comic)

Guy Delisle ist ein kanadischer Comiczeichner, der eine Zeitlang für verschiedenen europäische Trickfilmstudios gearbeitet hat. Da viele dieser Studios die „Fleißarbeit“ der Produktion an asiatische Firmen vergeben, gehörte es zu Guy Delisles Aufgaben diese Arbeitsphasen in China und später in Nordkorea zu kontrollieren. So kam es, dass der Kanadier einige Monate lang in Pjöngjang gelebt und gearbeitet hat und seine dortigen Erlebnisse später in einem Comic verarbeitete. Ich muss zugeben, dass ich eine ganze Weile schon um diesen Comic herumgeschlichen bin, da mich das Thema wirklich gereizt hat. Aber mir war der Preis zu hoch, um den Band mal eben außer der Reihe zu bestellen. Glücklicherweise hat sich dann jemand meiner angenommen und mir den Comic geschenkt. Dafür noch einmal ganz vielen lieben Dank! 🙂

Anfangs fand ich den Zeichenstil etwas gewöhnungsbedürftig – vor allem Guy Delisles Darstellung von sich selber – , aber nach einer kleinen Zeit konnte ich besonders seine Zeichnungen wirklich genießen. Der Autor erzählt von seiner Ankunft in Nordkorea, von den Warnungen und Verhaltensregeln, die er vorher mit auf den Weg bekam – und wieweit sie dann in seinem Alltag überhaupt von Relevanz waren. Dabei dreht sich „Pjöngjang“ um zwei Schwerpunkte: Das Leben in Nordkorea aus der Sicht eines Ausländers und die Produktion von Zeichentrickfilmen (in so einem Land).

Dabei haben gerade die Teile, in denen es um die Trickfilmproduktion in dem Land ging, bei mir immer wieder die Frage entstehen lassen, ob eine Produktion unter diesen Umständen wirklich günstiger und effektiver sein kann. Allein die Sprachbarriere und kulturelle Unterschiede in Gestik und Mimik lassen so eine Produktion anscheinend zu einer Herausforderung werden. Trotzdem war es auch sehr lustig von all den kleinen Begebenheiten und Katastrophen in diesem Bereich zu lesen.

Doch vor allem hat mich Guy Delisles Wahrnehmung von Nordkorea interessiert. Viele Dinge kannte ich schon aus Büchern, die ich über das Land gelesen habe, wie zum Beispiel der Kontrast zwischen dem was man in den beiden großen Kaufhäusern Pjöngjangs kaufen kann und dem was für die normale Bevölkerung zu bekommen ist. Ich fand es faszinierend, wie sehr man bemüht ist für Delegationen einen schönen Schein aufrecht zu erhalten, während man sich wohl bei den Ausländern, die länger im Land sind, weniger Mühe gibt. Trotzdem werden auch diese von einer „Sehenswürdigkeit“ zur anderen geschleppt, immer in der Begleitung eines Übersetzers und eines Führers, die dafür sorgen, dass der Gast im Land auch nur die Dinge zu sehen bekommt, die „fremdentauglich“ sind.

Dabei gelingt es dem Autor und Zeichner mit feinem Humor und angenehm kritischen Blick auf die verschiedenen Begebenheiten einzugehen, seine eigene Reaktion auf die Kontraste im Land (imposante Gebäude, aber unübersehbare Armut in der Bevölkerung) und sein wachsendes „Trotzverhalten“ gegenüber der Ergebenheit seiner nordkoreanischen Begleiter gegenüber ihrem Führer und seiner Politik darzustellen. Dabei haben mich vor allem die Situationen bewegt, die einen Alltag in Nordkorea zeigen, der für mich persönlich absolut undenkbar wäre. Zum Beispiel die ganzen „Freiwilligendienste“, die die Bevölkerung zu leisten hat – und bei denen ich mich ständig gefragt habe, ob man diese Arbeitskraft nicht eher zum Nutzen der Menschen, statt für die Repräsentation des Staates verwenden sollte …

Wer auch nur ein bisschen Interesse an Comics und/oder Nordkorea hat, dem würde ich „Pjöngjang“ wirklich ans Herz legen! Der Band ist auch für Leute geeignet, die sich noch nicht mit Nordkorea und der Geschichte des Landes auseinander gesetzt haben, da Guy Delisle sich bemüht eventuell notwendige Hintergründe zu erklären. „Pjöngjang“ bietet einen faszinierenden, amüsanten und bedrückenden Einblick in ein Land, das sich schon so viel Jahre vom Rest der Welt isoliert hat und das inzwischen auch für seine „kommunistischen Verbündeten“ wohl kaum noch von Wert ist. Oh, und da mir dieser Comic so gut gefallen hat, ist auch gleich „Shenzhen“ – über Delisles Zeit in China – auf meinen Wunschzettel gewandert …